Ein längst überfälliger Kabinettsbeschluss
'Baukultur leistet einen Beitrag für die sich verändernden Bedürfnisse einer Gesellschaft und hat zum Ziel, eine Umwelt zu gestalten, die als gesund und lebenswert empfunden wird. Die Qualität der gebauten Umwelt ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Nutzbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Gestalt, von Nachhaltigkeit im sozialen, ökologischen und ökonomischen Sinn sowie aus den Prozessen und Verfahren, die zu ihrer Herstellung führen.'
Bereits 2001, im Gründungsjahr des architekturforum allgäu, findet sich dieser Passus im Statusbericht 'Baukultur in Deutschland' der Initiative Architektur und Baukultur des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen.
Es sollte fast ein Viertel-Jahrhundert dauern, bis das damalige Postulat nunmehr in `Baukulturelle Leitlinien des Bundes' gegossen wurden, was uns, die wir unermüdlich an der Basis 'ganz unten' für ein Mehr an Baukultur streiten, endlich auch die Legitimation von 'ganz oben' gibt.
Wichtige Meilensteine auf dem Weg dorthin waren 2006 die Gründung der Bundesstiftung Baukultur als Kommunikationsplattform für baukulturelles Wissen und die 2018 von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung von Davos 'Eine hohe Baukultur für Europa'. Dort stand unverblümt zu lesen: 'Wir, die europäischen Kulturminister erklären die zentrale Rolle der Baukultur für die gebaute Umwelt (...), in dem Bewusstsein, dass sich überall in Europa ein allgemeiner Verlust an Qualität der gebauten Umwelt und der offenen Landschaften abzeichnet, was sich in einer Trivialisierung des Bauens, in fehlenden gestalterischen Werten und einem fehlenden Interesse für Nachhaltigkeit, in zunehmend gesichtslosen Agglomerationen und verantwortungslosem Landverbrauch, in einer Vernachlässigung des historischen Bestandes und im Verlust regionaler Identitäten und Traditionen zeigt (...)'
Gemeinsam Räume für gutes Zusammenleben gestalten
Baukulturelle Leitlinien des Bundes vom 13.11.2024
. Leitlinie 1 Der Bund stärkt die Umbaukultur und sorgt für eine gut gestaltete, klimaneutrale und klimaangepasste gebaute Umwelt.
. Leitlinie 2 Baukultur stärkt lokale Merkmale und schafft Identifikationsräume für den sozialen Zusammenhalt.
. Leitlinie 3 Baukultur erfordert Kompetenzen, die eine innovative Prozess- und Raumgestaltung befördern.
. Leitlinie 4 Eine verantwortungsbewusste Bodenpolitik minimiert den Flächenbedarf der Siedlungsräume und stellt die Grundlage für gemeinwohlorientierte räumliche Entwicklungsprozesse dar.
. Leitlinie 5 Qualifizierung, Ausbau und Vernetzung von Grün- und Wasserflächen schaffen gesunde Lebensbedingungen für Mensch und Natur.
. Leitlinie 6 Funktionsgemischte, gut gestaltete öffentliche Räume in Innenstädten, Quartieren und Ortsteilen fördern ein gemeinwohlorientiertes und gesundes Leben.
. Leitlinie 7 Praxisorientierte Experimentierräume eröffnen Wege für die Umbaukultur und das Planen und Bauen von morgen.
. Leitlinie 8 Wirksame Partizipationsprozesse berücksichtigen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort und ermöglichen eine gemeinsam gestaltete baukulturelle Transformation.
Diesen acht Punkten ist eigentlich nichts hinzuzufügen - Daher unser Appell an die gesamte Gesellschaft auch in unserer Region: Setzen wir die Leitlinien einfach gemeinsam um!
Dezember 24
Vom Umgang mit Kirchenräumen der Nachkriegszeit
'Der nicht mehr gebrauchte Stall' lautete vor Jahren der Titel eines Ausstellungs-, Publikations- und Veranstaltungsprojektes der Schweizer Architekturzeitschrift 'Hochparterre', das sich dem Wandel in der Landwirtschaft und den damit verbundenen Nach-Nutzungsfragen landwirtschaftlicher Gebäude widmete.
'Die nicht mehr gebrauchte Kirche'
In gleicher Weise tritt in den letzten Jahren ein Phänomen zu Tage, das Kirchen aus der Nachkriegszeit mehr und mehr in Frage stellt. Dramatisch gestiegene Kirchenaustritte - hauptsächlich aufgrund des fehlenden Reformwillens - führen zu mehr und mehr verwaisten Kirchenräumen. Inzwischen fühlen sich weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland den beiden großen Kirchen zugehörig. Selbstredend, dass mit dieser Entwicklung auch die Räumlichkeiten der Kirchen mehr und mehr zur Disposition stehen und als vermeintlich einfachste Konsequenz einfach abgerissen werden.
Jüngster Kirchen-Abriss im Allgäu
Die katholische Kirche 'Acht Seeligkeiten' in Füssen ist seit Ihrer Entweihung im September 24 durch Bischof Bertram Meier nach wenigen Jahrzehnten faktisch Geschichte, ihre komplette Beseitigung wird Anfang 2025 vollzogen. Wie meist begründet mit baulichen Mängeln und einer kostenintensiven Sanierung, wird ein für viele Gemeindemitglieder identitätsstiftendes Bauwerk eliminiert, das Thema Nachhaltigkeit scheint dabei keine entscheidende Rolle zu spielen.
Der Fall St. Ambrosius in Memmingerberg
Das gleiche Schicksaal droht seit geraumer Zeit der Kirche St. Ambrosius in Memmingerberg, die fast zeitgleich wie das Füssener Gotteshaus ab Mitte 1964 entstand. Im Osten des Gemeindegebietes bildet die Kirche zusammen mit dem benachbarten Pfarramt und dem gegenüberliegenden historischen Zehentstadel einen Ortsschwerpunkt um einen dreiseitig gefassten Vorhof, der nach seiner offenen Seite hin von einem reizvollen kleinen Weiher begrenzt wird. Ein städtebaulich hochwertiges Ensemble also in Sichtweite des jetzigen Allgäu Airports, den Fluggäste aus nah und fern passieren. Architekt Hans Kling beschrieb seine Intentionen mit den Worten 'So wollen wir auftreten (...), nicht protzig und aufwendig, sondern schlicht und doch ansprechend.' Der einfache Innenraum der Kirche mit Satteldach und großen Verglasungen seitlich des Altars und über der Empore besticht nicht nur durch sein konstruktiv einfaches Gefüge, sondern vor allem auch durch die künstlerische Ausstattung von Erich Schickling (1924 - 2012) aus dem nahen Ottobeuren-Eggisried.
Von der Presse und auch Kirchen-intern schlecht geredet, schwebt seit Jahren das Damokles-Schwert des Abbruchs über der ortsbildprägenden Gebäudegruppe. Immerhin hat sich ein eigens gegründeter Steuerungskreis (Lenkungsgruppe) konstruktive Gedanken zu einer Weiternutzung gemacht: Nicht nur ein Gemeinschaftshaus mit Pfarrbüro, Gruppenräumen und einem verkleinerten Kirchenraum wurden genannt, sondern auch eine kulturellkünstlerische Nutzung oder ein überkonfessioneller Meditationsraum. Alles sinnvolle Überlegungen, die von einem größtmöglichen Erhalt der Bausubstanz ausgehen.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Kirchengemeinde nicht ihrem Schicksal ergibt und Gebäudezustand und Sanierungskosten offen und ehrlich zur Debatte gestellt werden, um einen weiteren vorschnellen Verlust Allgäuer Baukultur zu vermeiden.
Positive Beispiele von Kirchen-Transformationen in Kempten
Dass es trotz lauter Abriss-Rufe auch anders geht, beweisen zwei Kemptener Fälle: Einmal die ehemalige Garnisionskriche St. Ulrich, die wegen geltend gemachter Urheberrechte der Architektentochter von Willy Hornung in letzter Minute doch erhalten und mit einem kleineren 'Raum-im-Raum' - Einbau versehen wurde. Oder das Beispiel des 1971 mit dem BDA-Preis Bayern ausgezeichneten, inzwischen denkmalgeschützten Kirchenraums von Christi Himmelfahrt von Architekt Robert Gerum, der einfach in der Mitte geteilt und in der freigespielten Hälfte mit einem Sozialzentrum versehen wurde. Es ist also bei gutem Willen durchaus möglich, eine 'nicht mehr gebrauchte Kirche' resourcenschonend weiter zu nutzen.
November 24
Zur Gestaltung von Energielandschaften
Es ist gut 10 Jahre her, als ein Studienprojekt der TU München Weihenstephan unter dem Titel 'Gestaltete Energielandschaft Allgäu' mit einer Podiumsveranstaltung an der Hochschule Kempten seinen Abschluss fand. Die seinerzeit ins Feld geführte Erkenntnis, neue Energie-Elemente 'gestaltend zu integrieren und sozusagen eine weitere Allgäuer Kulturlandschafts - 'Schicht' hinzuzufügen' (so Dr. Jörg Heiler, einer der damaligen Initiatoren) hat bis dato unverändert Gültigkeit.
Klima-Wende gegen fortschreitende Klima-Katastrophe
Seither hat sich die Erderwärmung unbestritten nicht nur in unseren Breiten fortgesetzt. Die konsequente Umsetzung der erforderlichen Klima-Wende ist somit längstens überfällig, wenn wir nicht nahezu ungebremst auf die wissenschaftlich prognostizierten Klima-Kipppunkte zusteuern wollen. Mit dem damit einhergehenden Ausbau von regenerativen Energien werden sich auch unsere bisher gewohnten Kulturlandschaften verändern. Dem ist umso mehr Augenmerk zu schenken, als das Landschaftsbild des Allgäus nicht nur für Einheimische eine große Rolle spielt, sondern auch für die unzähligen Touristen, die deswegen zu Besuch kommen.
Vom 'Blauen Allgäu' zum `Grünen Allgäu' und weiter?
So wie im 19. Jahrhundert mit Carl Hirnbein der Wandel des 'Blauen Allgäus' mit seinem vorherrschenden Flachsanbau für die damals bedeutende Textilindustrie hin zu einem 'Grünen Allgäu' mit Milch- und Käseerzeugung gelang, wünscht man sich auch in unserer Zeit eine verträgliche Transformation der hiesigen Landschaft durch eine klimagerechte Energieproduktion.
Gestalterischer Anspruch vonnöten
Dass dieser Umbau der Landschaft nur mit einem gestalterischen Anspruch gelingen kann, ist indes nach wie vor den meisten Akteuren nicht bewusst. Prof. Sören Schöbel, der mit seinen Studierenden im Wintersemester 2012/13 am eingangs genannten Projekt im Allgäu arbeitete, spricht in diesem Zusammenhang gar von Landschafts - Ästhetik, die mit den neuen Energie-Elementen generiert werden könne, oder eben nicht. Eher letzteres ist der Fall, wenn man betrachtet, wie die Standorte etwa von Windkraftanlagen oder Solarfeldern zustande kommen: Im einen Fall überwiegend über Ausschlussflächen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung stehen und die nur ganz wenige Entwicklungsflächen übrig lassen und im anderen Fall ungenutzte Restflächen zumeist entlang von Verkehrswegen wie Autobahnen und Bahntrassen. Aktive Gestaltung des per se öffentlichen Landschaftsraumes unter partizipativer Einbeziehung der Bevölkerung spielt dabei so gut wie keine Rolle.
Stärkung der Regionalplanung wünschenswert
Solarfelder etwa können bislang nach wie vor von der jeweiligen Gemeinde über ein Bauleitplanungs-Verfahren direkt genehmigt werden, obwohl die meistens ausgedehnten landschaftlichen Eingriffe im Sinnes eines Gesamtbildes besser interkommunal von einer gestärkten Regionalplanung auf Basis einer innovativen Landesentwicklungsplanung koordiniert werden sollten. Glücklicherweise kommen bei den Energieelementen selbst nach und nach Verbesserungen zum Tragen: So erlauben etwa aufgeständerte und auf Lücke gesetzte Solarpaneele eine Doppelnutzung als natürlich bewässerte Pflanz- und Ertragsflächen, die nicht mehr unbedingt umzäunt werden müssen. Oder: Es braucht nicht immer die Standard-Ausführung bei Windrädern
zu sein, wie das Beispiel Kimratshofen mit seinen leichten Stützenfüßen recht eindrücklich beweist.
Aus baukultureller Sicht wünschen wir uns jedenfalls sehr, dass die Aspekte der regionalen Landschaften und deren Topografie viel stärker in die anstehenden Planungen einfließen. Und damit die unabdingbaren Elemente der Energiewende, zu denen u. a. auch Biogas- oder Wasserkraftanlagen zählen, nicht zu störenden, sondern zu bereichernden Komponenten unserer geschätzten Heimat werden, die in vielfältiger Weise auch neue Raumqualitäten entfalten können.
April 2024
'In Deutschland wird zuviel Fläche verbraucht, ein Großteil davon in kleineren Städten und ländlichen Gemeinden für Einfamilienhaus- oder Gewerbegebiete mit ihren Verkehrswegen. (...) Gehen Bodenversiegelung und Überplanung ungebremst weiter, verfehlt Deutschland nicht nur seine Flächenverbrauchs-, sondern auch seine Klimaziele. Naturräume gehen ebenso verloren, wie Kulturlandschaften, gewachsene Ortsbilder und zuletzt Heimat.' (Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur im Vorwort zu 'Besser Bauen in der Mitte')
Trotz der unbestrittenen Positiv-Beispiele auch in unserer Region hat das in Zeiten der Klima-Katastrophe unbedingt angebrachte Flächensparen durch Nachverdichtungs-Maßnahmen - Stichwort: Innen statt Außen - seine Grenzen. Immer dann, wenn dabei kein rechtlich bindender Bebauungs-Plan existent ist, gilt in Deutschland § 34 Baugesetzbau (BauGB), der eine Orientierung an 'Art und Maß' der Umgebungsbebauung vorschreibt. Meist wird genau dies aus rein juristischer Sicht von den zuständigen Genehmigungsbehörden beurteilt und nicht aus einem übergeordneten gestalterischen Blickwinkel, was aber unabdingbar ist. Kreisbaumeister und Gestaltungsbeiräte - so vorhanden - können hier wertvolle Beurteilungen liefern und vermögen fachlich einzuschätzen, ob eine verträgliche Einfügung der geplanten Nachverdichtung gegeben oder das Gegenteil der Fall ist. Nachfolgend zwei Beispiele jüngeren Datums aus dem Oberallgäu und aus Kempten:
Fallbeispiel Fany - Villa, Immenstadt
Das weithin sichtbare, steile Hanggrundstück der ehemaligen Farny-Villa am Immenstädter Kalvarienberg mit altem Baumbestand und schützenswerter Flora wird derzeit von einem Investor überplant, der nach Ansicht vieler Menschen mit ursprünglich 41 Wohneinheiten weit über das Ziel einer behutsamen Nachverdichtung hinausgeschossen ist. Nach anhaltender Kritik aus der Bevölkerung wurde nachgebessert und die Baumasse inzwischen geringfügig reduziert, ein vorhabenbezogener B-Plan ist derzeit in Arbeit. Interessant im Immenstädter Fall: Nachdem der Stadtrat jahrelang dem Prinzip der Zersiedlung gefolgt ist - siehe beispielsweise die Baugebiete am Alpsee oder die als grenzwertig zu bezeichnende Erweiterung Akams - scheint er jetzt in das andere Extrem umzuschwenken und überzogene Nachverdichtungen gut zu heißen.
Fallbeispiel Am Steinbruch, Kempten - St. Mang
Statt eines inzwischen abgebrochenen Einfamilienhauses aus den 70er Jahren planen Laupheimer Investoren im Kemptener Süden ein Mehrfamilienhaus mit 17 Wohneinheiten und 4 Vollgeschossen auf dem etwa 1200 m2 großen Grundstück - womit es sich nach Ansicht der Bauverwaltung gerade noch in die nähere Umgebung einfüge. Die entsprechende Bauvoranfrage wurde vom Bauausschuss 2021 befürwortet, ohne dass zuvor ein Ortstermin stattgefunden hätte. Nicht ohne Grund gibt es in der Schweiz die Vorgabe, dass bei allen Baumaßnahmen im Zuge des Genehmigungsverfahrens ein Phantomgerüst aufgestellt werden muss, damit sich nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern vor allem auch die Entscheidungsträger selbst ein realistisches Bild vom Ausmaß des Vorhabens machen können. Immer noch unberücksichtigt bleibt übrigens im Fall St. Mang die Standsicherheit der südlichen Felswand des bekannten Minigolf - Sand-Steinbruchs, der im Sommer 2022 vom Landesamt für Umwelt offiziell als Geotop eingestuft wurde. Wegen der Grenznähe der erforderlichen ausgedehnten Tiefgarage scheint dieses schützenswerte Naturdenkmal akut gefährdet. Jedenfalls wurde eine Nachbarschaftsklage gegen die Erteilung der Baugenehmigung Ende 2023 zwischenzeitlich vom zuständigen Verwaltungsgericht mit Hinweis auf reduzierte Abstandsflächen in der neuen Fassung der Bayerischen Bauordnung abgewiesen. Damit sticht wiederum die juristische Karte, während der schlüssige städtebaulich - gestalterische Kontext wie so oft außen vor bleibt.
März 2024
Dokumentation der Preise, Anerkennungen und Ausgewählten Arbeiten mit Fotos, Plänen, Erläuterungen, Juryurteilen sowie der weiteren eingereichten Projekte
"Mit der nunmehr fünften Auflage des baupreis allgäu kann das architekturforum allgäu ein kleines Jubiläum feiern, nachdem bereits 2005, 2009, 2013 und 2018 vorbildliche Mosaiksteine des Bauens in der Region ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurden. Auch diesmal ging eine große Anzahl von 90 zur Bewertung zugelassenen Arbeiten beim Auslober ein, die in der Breite eine bisher unerreichte Gesamtqualität aufweisen. Der hochkarätig besetzten Jury unter dem Vorsitz von Prof. Mikala Holme Samsøe dürfte es deshalb am 3. März 2023 sicherlich nicht leichtgefallen sein, daraus 28 Projekte in die engere Auswahl zu nehmen und daraus fünf Anerkennungen und fünf Preisträger zu küren. Die Arbeiten aus der engeren Wahl werden nach der feierlichen Preisverleihung am 11. Mai 2023 im Kemptener Parktheater auf mehreren Stationen einer Wanderausstellung im ganzen Allgäu und darüber hinaus präsentiert. Das architekturforum allgäu erhofft sich auch dadurch eine fruchtbare Breitenwirkung – sollte die gebaute Umwelt gerade in diesen wechselvollen Zeiten doch eine bereichernde Konstante in unserem Leben darstellen."
Franz G. Schröck, Geschäftsführer architekturforum allgäu, im Vorwort
Die Broschüre mit einer Stoff-Tragetasche kann beim Herausgeber zum Preis von 4,90 € zuzüglich Versandkosten bestellt werden
Der Bregenzerwald im Vergleich mit dem Allgäu
Auch ein Phänomen: „Vorarlberg: ein Land blühender Baukultur"; so der BDA. 40 Jahre zuvor haben junge Bauschaffende mit Bauherrschaft neues, an der Region orientiertes Bauen erprobt und in wenigen Jahren das Land zu einer führenden Europäischen Architekturregion gemacht - mehr bei Friedrich Achleitner.
Wie das? Dietmar Eberle antwortet: „Wir haben immer miteinander gesprochen. Und: Wir haben das Hauptquartier bombardiert." Dieses Diktum Maos zur Kulturrevolution ab 1966 beschreibt die Auseinandersetzung junger Aktiver, nicht nur Diplomarchitekten, mit der lokalen Kammer, die Bauen ohne Kammereintrag nicht duldete. Die Antwort: Wir sind Vorarlberger 'Baukünstler'; wozu einen Kammereintrag? Dass dies mehr als ein Scharmützel war, zeigt Eberles Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Vorarlberg und dem Nachbarland Allgäu: „Dort gibt's die Anerbenregel, hier Erbteilung, also kleinteilige Wirtschaftsstruktur, wenig Vermögende, schlechte Bedingung für die verwaltete Welt." Das Land war eigensinnig, zurückgeblieben, schwarz; ganz besonders die ländlich geprägte Region Bregenzerwald, Grenzland zum Allgäu.
Dieser Nachbar von 5-facher Größe und 15-facher Bevölkerungszahl (einschließlich 10 Städte) ist dem Wald topografisch ähnlich. Berg, Wald und Grünland prägen das Bild; Milchprodukte und Holzerzeugnisse die Produktpalette. Während der Wald durch das Einzugsgebiet der Bregenzerache eindeutig definiert ist, sind die Grenzen des Allgäu seit je fließend. Erst die Gemeindereform 1973 legt im Allgäu fest: Ober-, Unter-, Ostallgäu; dazu der Landkreis Lindau und einige Württemberger Gemeinden.
Die Region ein Verwaltungsakt? Eberles Hinweis benennt Entscheidendes: Das Bauernland Allgäu ist geprägt durch Vereinödung, die Agrarreform des aufgeklärten Absolutismus. Entscheidend: Auflösung der Dorfgemeinschaft und Aussiedlung des Bauern inmitten eigener Flur. Fortan gilt: Grundbesitz wird zusammengehalten; es gibt nur einen Erben. So entstehen im 19. Jh. große Höfe auf Kosten kleiner Anwesen, befördert durch die Einführung der Milchwirtschaft um 1900. Herrenbauerntum und Paternalismus edeihen, umgekehrt geduckte Verschlossenheit, überwölbt durch verwaltende Obrigkeit. Man weiß was man hat und lässt sich nichts sagen.
Direkte Nachbarschaft, ähnliche Topografie, unterschiedliche Mentalität. Im Wald schlagen die Neuerer der 80erJahre bald Wurzeln, zumal nicht wenige der Protagonisten hierherkommen - Eberle, Dietrich, die Kaufmanns. Entscheidend aber: die Bauten der frühen Jahre sind aus Holz - preiswert, ökologisch, gut zum Selbstbau, trotz Nimbus Arme-Leute-Bauen. „Architekten und Handwerker sind sich hier immer auf Augenhöhe begegnet," weiß Hermann Kaufmann, der seine ersten Häuser für Handwerker baut. Das bewirkt ein Darwin'sches Paradoxon: Ressourcenknappheit bereichert, die Erneuerung des Holzbaus nimmt Fahrt auf, überregional werden Bregenzerwälderhäuser bekannt und heute gehört es dort zum guten Ton, mit einem Architekten zu bauen. Kein Wunder: dank knapp zwei Dutzend Wälder Architekturbüros kommen 1600 Bewohner auf ein Büro und jede der 24 Gemeinden auf einen Gestaltungsbeirat.
„Blühende Baukultur" knüpft an regional gebräuchliche Bauweise an; braucht aufgeschlossene Bauherrschaft; pflegt kollegialen Umgang unter Architekten und Begegnung mit Handwerkern ohne Standesdünkel. Doch reicht das? Bruno Spagola, Pionier der frühen Jahre mit Distanz, weist darauf hin, dass der ab Mitte der 1980er-Jahre in Aussicht genommene Beitritt Österreichs zur EU die Gemüter aufgewühlt hat: Wie soll sich das kleine Vorarlberg gegen die Großen im Norden behaupten? Das ergab eine politische Dynamik mit Offenheit für neue Ideen - ob bei 'Schwarz' oder 'Rot'. Leute wie Guntram Lins haben verstanden, dass Kulturpolitik bei einer Selbstbesinnung des Landes eine herausragende Rolle spielt. In dieser Zeit beispielsweise entscheiden sich Land und Stadt Bregenz mit dem Bau des KuB für einen Leuchtturm europäischer Kunstpolitik. Ähnliches im Wald: In den 90er-Jahren zieht die Schubertiade hierher, wird der werkraum-bregenzerwald gegründet. Der zeigt das Potenzial des Landes: in Eigeninitiative wird unternehmerische Selbständigkeit, Handwerkliche Tradition und Qualitätsbewusstsein zu innovativer Allianz verschmolzen; politische Unterstützung ist nun gewiss. Aus derselben Zeit und vergleichbar: die 'Käsestraße Bregenzerwald'. Die Milchbauern beantworten den Marktdruck mit Kooperation und Ausrichtung auf Qualität. In der größten silagefreien Region Europas wird Bergkäse hergestellt, der mittlerweile auf den Märkten Europäischer Metropolen zuhause ist.
Was für ein Unterschied zum Nachbarn! Auch im Allgäu: Grünland und Viehhaltung. Kempten mit eigener Käsebörse ist lange Metropole der Milchregion mit lokalen Dorfkäsereien als Rückgrat. Um 1970 ist Schluss damit. Die Landwirtschaftspolitik der EU fordert Anschluss an die Weltmärkte. Die Antwort des Allgäus: Konzentration, Effizienz, Industrialisierung - euphemistisch: landwirtschaftlicher Strukturwandel. Die Produktkultur im Vergleich: dort Klasse, hier Masse. Wie die Dorfkäsereien weichen zahlreiche Höfe. 'Wachsen oder Weichen' wird Parole der nächsten Jahrzehnte - von 1974 bis 2003 reduziert sich die Zahl der Milchkuhhalter im Allgäu um 55%, Tendenz seither steigend. „Es ist absehbar, dass 2040 nur noch 5% der Milchbauern von 1950 wirtschaften," so Emmerich Heilinger vom Milchwirtschaftlichen Verein Allgäu.
Wie still dieser Prozess vonstatten geht! Ökonomische Machtentfaltung als Schicksal; Achselzucken bei gelegentlichem Aufbegehren. Ausgleich bietet Industrieansiedlung im metallverarbeitenden, feinmechanischen, High-Tech Bereich. Die Region beheimatet nicht wenig 'hidden champions', man versteht sich als 'Mächler'. Dazu Tourismus. Bei politischen Projekten dominiert Infrastruktur - Verkehr, auch Hochschule Kempten - sowie Hochwasserschutz und Tourismus. Initiativ bleibt die paternalistische Verwaltung. Beispiel Allgäu GmbH, eine Agentur zur Inszenierung und Bewerbung des Landes. Per Dekret vom Landrat geboren, soll sie das Allgäu ins Bild setzen. Der Austausch mit den Gestaltern der Region ist rudimentär, stattdessen produziert man Image-Bildern und funktioniert wie eine Werbeagentur. Raum für Architekten? Die Architektur des 20. Jahrhunderts hat im Allgäu keinen leichten Stand - das zeigt nicht zuletzt der Umgang mit den wenigen Bauten von Welzenbacher, Vorhoelzer, Bonatz, Wechs. Lange herrscht routinierte Bewältigung vor. 1998 thematisiert das Rotis Forum regionale Typologie, 2001 wagen die Jungen einen Aufbruch - begleitet vom Staunen der Alten und Platzhirsch-Gehabe. Das architekturforum allgäu zielt auf Förderung der Baukultur, auch als Selbsthilfe in wirtschaftlich mageren Zeiten, großzügig gefördert durch eine Handvoll Unternehmen. Durch zähes Ringen - Ausstellungen, Vorträge, Publizistik - erarbeitet der Verein sich in 20 Jahren Anerkennung. Zunehmend verstehen Handwerksbetriebe gestiegene Qualitätsansprüche als Auftrag. Noch hängt zuviel am Einsatz Einzelner, etwa Franz G. Schröck, der dem Forum vorsteht. Heute zählt es rund fünf Dutzend Architekturbüros als Mitglieder, das sind 9000 Bewohner je Büro, Schwerpunkt Kempten. Man erfährt überregionale Aufmerksamkeit. Der Rat des Forum ist in den Städten heute gefragt, am Land dagegen bleibt's bei Selbstgefälligkeit; immerhin, so Schröck, „gibt's gute Beziehungen zu 10% der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister". Sehnsüchtig blickt er über die Grenze, wo Raumplanung als Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen gelebt wird statt 'von oben herab' durchgeführt.
Ein Kollege von dort beschreibt den mentalen Unterschied so. „Der Allgäuer sagt: Wir wissen, was wir wollen - der Architekt hat zu dienen." Hierarchien werden gepflegt, kooperatives Handeln auf gleicher Augenhöhe fällt schwer, nicht zuletzt auf Seite der Behörden. Unnötig aufzurechnen, dass der Bregenzerwald bei der Kultur der Dinge, ob Haus, Lebensmittel, Gerät o.a. in einer anderen Liga spielt. Man weiß dort aber, dass dies gepflegt gehört - unzählige Veranstaltungen zur Lebensqualität zeigen es. Auch die Architektur bleibt in Bewegung; gerade derzeit zeigt sich Neues. Doch treibt das Bemühen nicht mitunter auch bedenkliche Blüten, etwa wenn jede Initiative sozialpädagogisch eingehegt wird? Dagegen ist das Allgäu noch robust. Der Einzelne steht für sich und - es werden mehr. Gut täte der Region, diese Kräfte zu bündeln und sich des herablassenden Etikettes 'Nische' zu entledigen.
(Dieser Essay von Florian Aicher entstand anlässlich der Ausstellung `Schön.hier Architektur auf dem Land' im Deutschen Architekturmuseum (DAM) Frankfurt 2022. Geplant ist, die Schau im kommenden Jahr ins Allgäu zu holen.)
April 2023
"In Gedanken das Allgäu vor Augen, denkt man an unberührte Landschaften, intakte Natur und lebendige Tradition. All diese Eigenschaften machen das Allgäu zu einer der größten Tourismusdestinationen Deutschlands." (Zitat Allgäu GmbH)
Diese allgemeine Aussage der Allgäu GmbH teilt der Marktgemeinderat in Oberstaufen offensichtlich nicht. Er hat im Oktober 2022 der Errichtung eines 5-Sterne-Hotels auf dem Schlossberg zugestimmt. Der weit über 50 m hohe Hotelkomplex wird von der weltgrößten, börsennotierten US-amerikanischen Hotelkette Mariott International Inc. projektiert. Heute Florida, morgen Dubai, dazwischen ein Abstecher nach Oberstaufen und hier das Pittoreske des Allgäus genießen? Wenn die Allgäu GmbH auf ihrer Website schreibt, dass es gelungen sei "für die so unterschiedlichen Branchen des Wirtschafts- und Tourismusstandorts eine gemeinsame Wertebasis zu finden, die der Marke Allgäu einen starken und zukunftsgerichteten Charakter verleiht, ohne die Wurzeln der Bodenständigkeit zu verlassen", muss sich das Allgäu an dieser Stelle fragen lassen:
Wohin wollen wir als Region? Welche (kulturellen) Werte verfolgen wir?
Das architekturforum allgäu fordert diese Diskussion ein, setzt es sich doch seit über 20 Jahren für die selbst- und geschichtsbewusste Ortsentwicklung, für die Qualität der gebauten Umwelt und gegen den Ausverkauf unserer Region ein. Da im Falle des Schlossberg-Areales noch dazu nahezu alles über Bord geworfen wurde, was aus baukultureller Sicht das Gebot der Stunde sein sollte, sieht es die Vorgehensweise als durchaus bedenklich an.
Drohender Dammbruch
Für die Öffentlichkeit ist erst seit wenigen Wochen ersichtlich, welche Dimension das Projekt des global agierenden Unternehmens annehmen soll. Das authentische Landschaftsbild, mit dem sich Einheimische identifizieren und das Touristen schätzen um Erholung zu finden, wird durch das riesige und weltweit austauschbar zu platzierende Projekt stark verändert und nachhaltig gestört. Die Bürgerinitiative 'Rettet Oberstaufen' ist ein erster Ansatz, das Gespräch voranzutreiben. Sollte das Bauvorhaben Schule machen und den Ausverkauf des Allgäus eröffnen, möchte man ergänzen "Rettet das Allgäu".
Nachhaltigkeit ade - dritter Komplett-Abriss in der Geschichte des Schlossberges
Die Baubranche leidet an Ressourcen-Knappheit, die sogenannte `Graue Energie´ der vorhandenen Bausubstanz wird als Kapital in Zeiten des Klimawandels und einer unübersehbaren Transformation der globalisierten Materialienwirtschaft wiederentdeckt. In Oberstaufen dagegen wurde dieals Schlossberg-Klinik erbaute, große Gebäudekubatur komplett dem Erdboden gleich gemacht, obwohl der Bestand für die Überführung in eine neue Nutzung sicherlich nicht ungeeignet gewesen wäre. Bereits im 19. Jahrhundert wurde die Burg abgebrochen, die schlossähnliche Anlage als Nachfolger wurde in den 1950er Jahren geschleift. Nun also der dritte Abriss, wobei auch das ortsbildprägende und den Staufenern ans Herzen gewachsene kleine Turmgebäude trotz ursprünglich gegenteiliger Beteuerungen eliminiert wurde. An die jahrzehntelange Klinik-Geschichte erinnert somit faktisch keine bauliche Spur mehr.
Langfristiges Struktur-Konzept zur Ortsentwicklung: Fehlanzeige
Will das Allgäu, wollen touristische Top-Destinationen wie Oberstaufen, ihr spezifisches, lokales und regionales Kapital dauerhaft, nachhaltig und für die Region gewinnbringend entwickeln, brauchen sie Ideen und Vorgaben für ihre langfristig gedachte, enkeltaugliche, strategische Ortsentwicklung - im Besonderen als Vorgabe für Investoren. Sollen die größtenteils als Familienbetriebe geführten Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe vor Ort eine Zukunft haben, soll eine charakteristische, bodenständige und unverwechselbare Ortsstruktur vorangetrieben werden, muss sich die Gemeinde Oberstaufen in diesem Zusammenhang fragen lassen: Was nützt der Gemeinde, was nützt den Einheimischen und Touristen ein `global player´, der in Krisenzeiten wie diesen ein in sich relativ geschlossenes, die Silhouette dominierendes Luxus-Ressort für internationale Gäste schafft? Wem kommt der Profit zugute? Was, wenn dieses Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert? Dann bleibt für die vermutlich nur bei konstant hoher Auslastung rentable Großstruktur an prominentester Stelle lediglich erneut ein weiterer Komplett-Abbruch.
Wem gehören die Gemeinden? Mangelnde Verfahrenskultur und Bürgerbeteiligung
Eine frühzeitige und ernstgemeinte Bürgerbeteiligung fand leider auch in diesem Fall nicht statt. Die Öffentlichkeit wurde über das konkrete Vorhaben erst informiert, als mit dem Abschluss der Abbrucharbeiten bereits vollendete Tatsachen geschaffen waren. In der Folge wurde seitens des Investors ein 'architekturwettbewerbsähnliches Auswahlverfahren' angestoßen - ein fragwürdiges Vorgehen. Der ad hoc zusammen geholte 'Gestaltungsbeirat' erfüllte nicht die Kriterien eines unabhängigen, dauerhaft für eine Gemeinde tätigen Beratungsgremiums und wurde zudem erst dann einberufen, als Kubatur und Grunddisposition bereits entschieden waren. Das Vorhaben wird das Ortsbild Oberstaufens massiv verändern. Eine ernsthafte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über die Nutzung dieses exponierten Geländes an und für sich war nicht gegeben. Dass das Allgäu eine zukunftsträchtige Tourismus-Region sein wird und sein soll, steht außer Frage. Einer nachhaltigen, ressourcenschonenden und maßstabsverträglichen Ausgestaltung sollte unserer Ansicht nach aber immer oberste Priorität eingeräumt werden. Es bleibt abzuwarten, ob das Bebauungsplan-Verfahren dem Schlossberg-Projekt den Weg ebnet? Das architekturforum allgäu regt eine öffentliche Diskussion zum geplanten und letztendlich die "Marke Allgäu" betreffenden baulichen Eingriff an.
März 2023
Seit Jahrzehnten keine Zukunftsperspektive in Sicht
Im Mai 2022 fand das von den Altstadt-Freunden initiierte Projekt der Hochschule Augsburg zum `Kulturraum Burghalde` mit einer öffentlichen Präsentation von ausgewählten Arbeiten im Reglerhaus an der Webergasse seinen recht gut besuchten Abschluss. Auch die anschließende 3 - wöchige Ausstellung im Gebäude, das vom architekturforum allgäu als Haus der Baukultur genutzt wird, fand großes Interesse in der Stadtgesellschaft. Mit einer Vielzahl von Anregungen konnten die Studierenden eine Menge von Impulsen platzieren, die bei einem künftigen Gesamtkonzept eine Rolle spielen sollten. Auf folgende Einzelaspekte fanden die Studierenden ihre jeweils individuellen Antworten:
. Verknüpfung des Burghalde-Rückens mit der tiefer liegenden Stiftsstadt / Reichsstadt
. Beruhigung / Rückbau der vielbefahren Burgstraße
. Aufwertung aller Aufgänge auf die Burghalde, vor allem von Norden und von Süden
. Barrierefreier Zugang zum Plateau mittels Rampen, Schräg- oder Vertikal-Aufzug über vorhandene Stollen im Berg
. Schaffung eines Eingangsplatzes am oberen Tor
. Transformation des derzeitigen Theaters im Freien in eine Naturbühne mit Sitzstufen / temporärer Überdachung
. Ausbildung eins Süd-`Balkons` mit Blick auf das Alpenpanorama, Herstellung weiterer Sichtachsen
. Verbindung zum Altstadtpark, Brückenschlag zur Engelhalde
. Aufwertung der Lützelburg und deren Anschluss an den Burghalde-Hügel
. Zukünftiges Gesamtbild der Burghalde mit Naherholungs-Schwerpunkt (Biotop)
Diese Anregungen wurden seitens der Altstadtfreunde und des architekturforum allgäu am 27.07.22 auch zahlreichen Stadträtinnen und Stadträten in Rahmen einer Sonderführung vermittelt. Die Volksvertreter vertraten seinerzeit die Meinung, dass genau zum jetzigen Zeitpunkt die Bürger/innen mit ins Boot geholt werden sollten - am besten gleich mit einem Stand auf der Allgäuer Festwoche. Aber Fehlanzeige: Trotz mehrmaliger Nachfragen herrscht nicht nur in Sachen Bürgerbeteiligung wohl Stillstand in der Sache.
Dabei wäre es ein Leichtes, zu überschaubaren Kosten ein langfristiges Gesamtkonzept für die Burghalde und ihr Umfeld anzugehen, ähnlich wie dies beim Projekt `Iller erleben` vor Jahren u. a. mittels eines Planungswettbewerbes auch praktiziert wurde, und dann je nach Kassenlage in Etappen für die Realisierung einzelner Bausteine zu sorgen. Statt einer Zukunftsperspektive unter dem Motto `Burghalde beleben` sollen aber - wie auf der Jahreshauptversammlung der Altstadtfreunde zu vernehmen war - ohne übergeordnetes Leitbild kurzfristig ein paar punktuelle Eingriffe das öffentliche Interesse beruhigen.
Für eines der Kemptener Juwelen geht somit ein über Jahrzehnte andauerndes `Trauerspiel` leider in eine weitere unbestimmte Verlängerung.
Quelle: Der Altstadtbrief Nr. 49 / 2022 Seite 11 - 12, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
Nach längerer Vorarbeit sind wir stolz, die Publikation 'weiter/nutzen' zu umgebauten Bauernhöfen im Allgäu der Öffentlichkeit präsentieren zu können.
Bauernhäuser prägen die Identität der Allgäuer Kulturlandschaft seit Jahrhunderten. Die Zukunft bäuerlicher Hofstellen ist jedoch durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft bedroht, mit den Bauten droht die Kulturlandschaft zu verschwinden. Die Publikation weiter/nutzen zeigt 19 besonders interessante Projekte, in denen die Altbausubstanz landwirtschaftlicher Gebäude auf vorbildliche Weise zu neuem Leben erweckt wurde. Gegliedert werden die hochwertig fotografierten und gestalteten Präsentationen der Projekte nach den spezifischen Landschaftsbildern des Allgäus. Speziell für die Buchpublikation von Studierenden der Hochschule Augsburg erstellte Planunterlagen erlauben einen guten Vergleich der jeweiligen Hofstellen vor und nach der Umbauphase. Ein Fachteil gibt abschließend konkrete praktische Ratschläge zum Umbau.
'weiter/nutzen' Umgebaute Bauernhäuser im Allgäu
Autoren: Florian Aicher, Wolfgang Huß
Format 285/215 mm, 216 Seiten, zahlreiche Pläne und farbige Fotos, 49,90 Eur, ISBN 978-3-95553-593-3 (Print), Edition Detail
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Neue Umbaukultur
Die Zukunft des Bauens liegt in einer neuen Umbaukultur. Angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Energiekrise muss der Kreislauf von fortwährendem Abriss und Neubau unterbrochen werden. Auch eine Wertschätzung für die baukulturellen Leistungen vergangener Epochen sowie das Bewusstsein für den identitätsstiftenden Charakter von bestehenden Bauwerken und gewachsenen Lebensräumen sprechen für den Erhalt des Bestands. Das Spektrum des Baukulturberichts 2022/23 „Neue Umbaukultur“ reicht vom anhaltenden Umbau unserer Städte über Fragestellungen zum Umgang mit dem Baubestand bis hin zur notwendigen zukunftsgerechten Anpassung von Bauweisen und Prozessen.
https://www.bundesstiftung-baukultur.de/publikationen/baukulturbericht/2022-23/downloads
'Endlich Heimat bauen'
Es war Anfang des Jahres 2003, als im damaligen architekturforum kempten ein Interview in der 'Zeit' mit Prof. Karl Ganser unter der Überschrift 'Endlich Heimat bauen' für lebhafte Diskussionen sorgte: 'Es fällt den meisten Menschen einfach nicht auf, in was für einer ramponierten Welt sie leben (...) Ich wünsche mir, dass wir endlich über das diskutieren, was uns ständig und überall umgibt. (...) Weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir uns dann wieder stärker verbunden fühlen - unseren Mitmenschen und unserem Lebensort. (...) Ja, ich will Heimat schüren, nicht Heimat schützen. Sie entsteht erst, wenn wir selbst Teil des kulturellen Prozesses werden und uns nicht länger als Zuschauer und Besucher wähnen. (...) Doch lässt sich ein erneuertes Bewußtsein nicht von oben verordnen, es muss am Ort und im Alltag ein Bedürfnis geben, sich überhaupt um die Baukultur zu kümmern. (...) Das wird mühsam werden und viele Jahre brauchen. (...) Und dazu werden am Anfang nur ganz wenige bereit sein. (...) Es würde ausreichen, wenn in jeder Region zehn oder zwanzig Leute sagen würden: Wir gründen ein Forum der Baukultur, wo die Menschen hingehen können, wenn sie einen Fremdenführer für das Alltägliche suchen. Wenn sie sehen wollen, was wir meist nicht mehr sehen, das unbekannte Bekannte. Natürlich könnten diese Foren auch rasch sehr politisch werden, denn sie würden auch konkrete Projekte zur Diskussion stellen.' Für uns alle, die wir wenige Jahre zuvor unsere Baukultur-Initiative aus der Taufe gehoben hatten, klangen diese Sätze wie eine Bestätigung und zusätzliche Motivation unseres Tuns. Über Jörg Heiler, dessen Doktorarbeit 'Gelebter Raum Stadtlandschaft' von Prof. Karl Ganser kritisch begleitet wurde, entstand schnell ein Kontakt zu ihm. Zu dieser Zeit trat er seinen Ruhestand im alten Bauernhaus seines Großvaters in Nattenhausen im Unterallgäu an. Dr. Jörg Heiler und der Geschäftsführer des architekturforum allgäu, Franz G. Schröck waren in regelmässigen Abständen dorthin zum Gedankenaustausch über den Zustand der regionalen Baukultur und einer reichhaltigen Brotzeit eingeladen, meist nachdem er sein Tagwerk im ausgedehnten Garten verrichtet hatte.
Herzensangelegenheit brachliegende Industrie-Quartiere
Wie selbstverständlich durften wir auch an seinem 70. Geburtstag teilhaben, den er in bezeichnender Weise auf dem ehemaligen Gaswerks-Gelände in Augsburg-Oberhausen feierte - ein einzigartiges und faszinierendes Industiedenkmal, für dessen Erhalt er sich mit seiner ganzen Erfahrung als Macher der berühmt gewordenen Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park im Ruhrgebiet einsetzte und dessen Weg zum jetzigen Kreativquartier er weitblickend vorgezeichnet hat. Keine Rede, dass ihm bei seinem damaligen Geburtstag der Bayerische Umweltpreis verliehen wurde, u. a. verbunden mit einem vorzüglichen Kuchen-Buffet der Unterallgäuer Landfrauen.
Identität des ländlichen Raums
Wichtig war Karl Ganser stets der ländliche Raum und seine Identität, die selbst bewohnte Hofstelle sollte ihren Beitrag gegen das Ausbluten unserer Ortsmitten sein, auch wenn dazu ein nicht mehr gebrauchter Stall gehörte, der 'als Volumen jedoch unabdingbar zum Gesamterscheinungsbild beiträgt'. Ebenso wie dies seiner Ansicht nach die Großbäume im Ort tun, die genau an den richtigen Stellen platziert wurden. Folgerichtig gab es dazu seine programmatische Überlegung, Eigentümer alter Hofstellen, die sich um den Erhalt derselben im Interesse des dörflichen Gesamterscheinungsbildes kümmern, öffentlich auszuzeichnen, um mit diesen Vorbildern konkret für ein Mehr an Baukultur zu werben - einen prinzipiellen Ansatz, den wir 2016 mit der Verleihung unseres ersten Baukulturgemeinde-Preises aufgriffen. Während der begleitenden Wanderausstellung stand uns Karl Ganser auch wiederholt als Referent zur Verfügung.
Gründungsvater der 'Bundesstiftung Baukultur'
Auf diese Weise schloß sich der Kreis im Kleinen, den er im Großen Jahre zuvor angestoßen hatte: Nämlich die Einrichtung der Bundesstiftung Baukultur, die inzwischen höchst öffentlichkeitswirksam als Dachverband aller 200 Baukultur-Initiativen Deutschlands fungiert. Ein Zitat aus seinen vorausschauenden Gedanken, immer per Schreibmaschine festgehalten, sei hier wiedergegeben: 'Die Stiftung soll zusammen führen, was zusammen gehört: Denkmalschutz, Naturschutz, Landschaft, Ingenieurbau und Architektur. Sie soll streiten für die bessere Lösung. Sie soll den vielen lokalen Initiativen im Land eine Instanz mit Autorität und Unabhängigkeit sein, auf die sie sich berufen können. Die Bundesstiftung Baukultur gründet auf einem Bundesgesetz. Das ist ein stabiles und dauerhaftes Fundament:' Ohne ihn stünde die Baukultur national und regional ganz anders dar - Herzlichen Dank an Karl Ganser, der am 21. April 84-jährig verstorben ist.
Mai 2022
'Jedem Entscheidungsträger gebe ich den dringenden Rat, sich seine Kommune aus einem Heißluftballon anzusehen - dann wird augenscheinlich, was baulich zu tun oder besser zu lassen ist.' So Michael Pelzer, weithin bekannter Alt-Bürgermeister der oberbayerischen Vorbild-Gemeinde Weyarn. Dieser Blick von oben wäre auch für Kempten angebracht, steht doch momentan die Neufassung des sog. Flächennutzungsplanes (FNP) auf der Tagesordnung. Was für die meisten Bürger|innen abstrakt klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als die Weichenstellung schlechthin für die kommenden Jahre, da der FNP nichts weniger als die langfristige Zielstrategie der Stadtentwicklung abbildet. Somit ist diesem wichtigen Instrument bei der jetzigen Neuaufstellung größtmögliche Sorgfalt zu widmen.
Weiter mit Innen statt Außen
Erklärtes Ziel der letzten Fortschreibung des FNP 2009 war es, den Fokus auf die Innenentwicklung zu legen und das Versiegeln weiterer Flächen im Außenbereich zu vermeiden - was unterm Strich durchaus gelang, indem der meiste Wohnbedarf auf bereits gewidmeten Flächen gedeckt werden konnte. Von dieser wichtigen Maxime zukünftig abzurücken macht in Zeiten des ungebremsten Flächenverbrauchs und der fortschreitenden Zersiedlung unserer Region keinerlei Sinn. Das beschlossene Innenentwicklungs-Konzept mit Baulücken-Kataster stellt dabei einen guten Grundstock dar und weist eindeutig in die richtige Richtung.
Klimaschonende Mobilität
Dass es über das Wohnen hinausgehende weitere Schwerpunktthemen gibt, sollte unbestritten sein: Etwa dasjenige von Mobilität und Verkehr. Werden wir unsere Stadt weiterhin autogerecht 'denken' und dem MIV (motorisierten Individualverkehr) uneingeschränktes Vorrecht einräumen oder soll es Schritte hin zu einer menschengerechten Mobilität geben, die für alle umweltschonende Alternativen bietet? Wird das Jahre alte Mobilitätskonzept endlich ernst genommen, was in diesem Zusammenhang zu einer drastischen Reduktion der immerhin 50 ha Parkierungsflächen (mit je 30 und mehr Stellplätzen) im Stadtgebiet führen oder die verkehrsdominierten Ein- und Ausfallstraßen Kemptens zu attraktiven Schwellenräumen machen würde?
Erfordernis eines umfassenden Grünraum - Konzeptes
Ebenso sollte ein umfassendes Grünflächenkonzept entwickelt werden, liegt doch die letzte große Maßnahme 'Engelhalde-Park' bereits 40 Jahre zurück. Eine auf der Hand liegende Option wäre, die im Grunde schon vorhandenen Grünachsen in OW- und NS-Richtung zu stärken, also vom Bachtelweiher zum Reichelsberg und von der Alten Bleiche zur Stiftsbleiche, wodurch durchgängige Naherholungsgebiete als Aufenthalts- und Transitflächen entstünden. Nicht zu reden von deren Bedeutung als qualitätvoller Lebensraum mit wertvollen Biodiversitäts- und Retensionsflächen - Stichwort 'Schwamm-Stadt'.
Abkehr von monofunktionalen Gewerbeflächen
Überhaupt erscheint das Prinzip der Nutzungsüberlagerungen als Gebot der Stunde, das wegführt von der bisherigen monofunktionalen Stadt, in der die Bereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit räumlich voneinander getrennt sind. Besonders trifft dies auf Gewerbeflächen zu, für die offenbar ein großer Bedarf besteht. Statt singulären, flächenfressenden, eingeschossigen Baukörpern müsste es in Zukunft lauten: Zwingende Mehrgeschossigkeit, Integration von Parkraum, Nutzung der Dachflächen, qualitätvolle und nachhaltige Gestaltung.
Zukünftige Stadtentwicklung
Eine aktive, sozialverträgliche Bodenpolitik - wie von Hans-Jochen Vogel in seinem letzten Buch 'Eine Sache der Gerechtigkeit' anmahnt - sollte damit einhergehen. Es kann schließlich nicht sein, dass immer nur auf das Begehren von Investoren reagiert wird, ohne selbst vorausschauend und bewusst im Sinne einer übergeordneten Strategie zu agieren. Überhaupt ist die Fortschreibung des FNP ein starkes Stück Stadtentwicklung, die - und selbiges regen wir seit vielen Jahren an - eben nicht im Amt für Wirtschaftsförderung angesiedelt bleiben, sondern unbedingt dem Baureferat unterstellt werden sollte. Wir können uns nur wünschen, dass die Fortschreibung des FNP nicht nur in Kempten mit der Bevölkerung breit diskutiert wird, sondern in allen Gemeinden des Allgäus die baulichen Weichen mit Blick auf unsere Enkel bestmöglich gestellt werden.
April 2022
Ausstellungen, Vorträge und mehr
`Rohdiamant` - so titelte der `Kreisbote` vor einigen Wochen in Bezug auf die Aktivierung ehemaligen `Reglerhauses` an der Webergasse. Bekanntermaßen hatte sich das architekturforum allgäu Anfang 2019 bei der Stadt Kempten mit einem Konzept zur Nutzung des leer stehenden Gebäudes als `Haus der Baukultur` beworben. In der Folge stand eine Reihe von Vorstellungen des Vorhabens in den verschiedensten städtischen und politischen Gremien an. Dabei erfuhr die Intention des architekturforum allgäu überall eine durchweg positive Resonanz.
Um in Punkten Schadstoffbelastung nach einem ersten unbedenklichen Gutachten 2017 auf Nummer sicher zu gehen wurden vom Verein im Herbst 2020 sämtliche Putzoberflächen im Souterrain abgetragen und die vermauerten Fenster des Gebäudes mit Bohrungen versehen, damit beim 35 Jahre hermetisch verschlossenen Gebäude eine kontinuierliche Durchlüftung gewährleistet ist. Nach einer erneuten Schadstoffmessung von Bauteilen und Innenluft im Frühsommer 2021 war es Anfang August soweit: Eine vertragliche Vereinbarung zwischen der Stadt Kempten als Eigentümerin des Gebäudes und dem architekturforum allgäu wurde über das Amt für Gebäudewirtschaft geschlossen. Somit ist nunmehr offiziell eine Zwischennutzung möglich, die sich den momentanen Zustand des Reglerhauses (sprich: ohne Heizung, Toilettenanlagen etc.) zunutze macht. Eine Bespielung des Gebäudes, die mit Station 54 der KunstNachtKempten 2019 bereits ihren Anfang nahm, wurde seither stetig intensiviert.
So fanden u. a. erste Ausstellungen statt, beginnend mit einer Schau des in Kaufbeuren beheimateten Teams `Supertecture`, das sich bundesweit als Akteur in Entwicklungs- und Schwellenländer einen Namen gemacht hat, wo in baulicher Hinsicht Hilfe zur Selbsthilfe geleistet wird. Weitere stark frequentierte Präsentationen zeigten `Stallbauten` als Teil unserer Kulturlandschaft oder `Die Cluster-Wohnung: Bauen und Leben im Kollektiv.`
Vorträge von Till Gröner, Prof. Fabienne Hoelzel, Rut-Maria Gollan und Prof. Florian Köhl fanden jeweils eine große Resonanz, ebenso wie die Diskussionsrunde mit dem provokanten Titel `Vergesst das Allgäu (nicht!)` zu Arbeiten von Studierenden an der Hochschule der Bildenden Künste (ABK) in Stuttgart. Neben Austausch und Begegnung, z. B. mit Kolleginnen und Kollegen aus den Gestaltungsberufen im Rahmen der `Allgäuer Roadshow` bot das Reglerhaus auch einen angenehmen Rahmen für interne Arbeitskreise und Projektgruppen des architekturforum allgäu selbst. Besondere Wertschätzung erfuhr die Außenraum-Bespielung des Altstadt-Parks, u. a. mit dem Workshop `Häuser für Tiere` für Kinder und Jugendliche, einem ersten Open-Air Film-Abend und besonders anlässlich der 20 Jahres - Feier des architekturforum allgäu im Beisein von OB Thomas Kiechle und dem Unterallgäuer Landrat Alex Eder. Das Jahresprogramm 2022 des architekturforum allgäu bietet die meisten dort gelisteten Veranstaltungen im Reglerhaus an. Somit wird das Gebäude das ganze Jahr über kontinuierlich genutzt und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ein interner Arbeitskreis des achitekturforum allgäu kümmert sich seit geraumer Zeit um eine langfristige Strategie für den weiteren Transformationsprozess. Das Entwurfskonzept wird in enger Abstimmung mit der Stadt Kempten samt Kostenermittlung abgestimmt, um in Kooperation die einzelnen erforderlichen Maßnahmen zu stemmen. Dazu hat das architekturforum allgäu eigens einen Flyer in Druck gegeben, um Unterstützer aus der Baubranche und darüber hinaus zu gewinnen. An so genannten `Fenster-Patenschaften` zur Wiederherstellung der Verglasungen im großen Saal sind beispielsweise bereits 15 Tsd. Eur eingegangen. Weitere Schritte dürften mit Sicherheit die Installation von Heizung und Toiletten sein. Die vorhandene Hauswasser-Zuführung konnte dazu noch im September des vergangenen Jahres in Betrieb genommen werden.
Aufmerksamkeit erregte das `Haus der Baukultur` bereits Deutschlandweit: Die Bundesstiftung Baukultur, der Dachverband aller über 200 nationalen Baukultur-Initiativen besuche auf seiner baukulturellen Sommerseise Ende Juli die Örtlichkeit und adelte sie dadurch bereits jetzt als einen wichtigen Ort der Baukultur in Deutschland, der durch seinen Umgang mit vorhandener Bausubstanz auch Beispiel-Charakter hat. Ein `Rohdiamant` also, der nach und nach zum Funkeln gebracht wird und seinen Beitrag zu den Konzepten der Altstadtfreunde `Iller erleben` und `Burghalde beleben` leisten wird.
Quelle: Der Altstadtbrief Nr. 48 / 2021 Seite 19 - 21, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
'Zu fällen einen schönen Baum, braucht's eine halbe Stunde kaum. Zu wachsen, bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk' es, ein Jahrhundert.'
Herber Verlust für Quartiersbewohner
Diese Binsen-Weisheit von Eugen Roth scheint in der Kemptener Stadtgesellschaft leider noch nicht überall angekommen zu sein, wenn man sich die jüngsten Baumfällungen in der Innenstadt unter der Burghalde ansieht. Da wurde neben einer stattlichen Birke vor allem die wertvolle und intakte Biergarten-Kastanie in der Schwedenstraße unlängst der Kettensäge geopfert. Ein herber Verlust nicht nur für die Quartiersbewohner, die sich bereits 2020 mit über 200 Unterschriften gegen eine Fällung ausgesprochen hatten - kannten die meisten den imposanten Baum doch seit vielen Jahren und Jahrzehnten und haben ihn in dem an sich baum-armen und wenig durchgrünten ehemaligen Arbeiterquartier schätzen gelernt.
Ursachen für unzeitgemäßes Handeln
Begibt man sich auf Ursachen-Suche nach dem vollkommen unzeitgemäßen Handeln der Stadtgemeinschaft, drängen sich dem Betrachter unter anderem die folgenden Aspekte auf: Obwohl die erste Öko-Bewegung Anfang der 80er Jahre in der Bundesrepublik sämtliche Maßnahmen, die hinsichtlich der Verbesserung unserer Umwelt-Qualität in die Wege zu leiten wären, auf den Tisch gelegt und in die Öffentlichkeit transportiert hatte, ist nahezu 40 Jahre lang kaum etwas in die entsprechende Richtung passiert. In der berühmten Ausstellungs-Publikation 'Grün kaputt' forderten die Autoren 1983 auch den Schutz bestehender Großgehölze vor allem in den Ortszentren ein und das aus guten und belegbaren Gründen, die wir inzwischen alle kennen sollten. Interessanterweise befindet sich die Ausstellung aktuell wieder auf Wanderschaft und kann traurigerweise nach wie vor in der Original-Version (sic!) gezeigt werden. Jedenfalls hat es seit dieser Zeit im vergangenen Jahrhundert bis zum Jahr 2021 gedauert, ehe die Stadt Kempten gegen den Widerstand der konservativen Fraktionen eine Baumschutzverordnung auf den Weg bringen konnte, die fortan alle Großgehölze mit einem Stammumfang von mehr als 80 cm im Stadtgebiet grundsätzlich unter Schutz stellt.
Baumerhalt und Neubau - Beides ist möglich
Wenige Tage vor deren Inkraft-Treten wurde indes vom Bauausschuss der Stadt Kempten ein Bauvorhaben bewilligt, das die Fällung der Biergarten-Kastanie im Holzplatz-Quartier zur Voraussetzung gemacht hatte. In anderen Städten und Gemeinden gibt auch solche Fälle: Als Beispiel sei die Stadt Sonthofen genannt, wo aber durch das beherzte Engagement des Umweltbeauftragten des Stadtrates, Michael Borth und einer unnachgiebigen Haltung der Verwaltung der Erhalt stadtbildprägender Bäume im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen zu einem guten Ende geführt werden, weil beide Dinge einfach aufeinander Rücksicht zu nehmen haben. Kommunikation sei an dieser Stelle ebenso als Schlüssel genannt wie eine gewisse Hartnäckigkeit gegenüber Planern und Bauherren, die oftmals nur die Gewinn-Maximierung ihrer Grundstücke im Auge haben. Im Fall der Schwedenstraße besonders schlimm: Es entsteht anstelle der Kastanie ein Gebäude aus Stahlblech-Containern, die weder kontextuell in das homogene Quartier der Jahrhundertwende passen, als auch dem Stadtklima dienlich sind, weil sie natürlich zu einer verstärkten Aufheizung der Innenstadt beitragen.
Salzburger Land als Vorbild - Region
Nicht nur im Bewusstsein, sondern auch in der praktischen Anwendung drei Schritte weiter ist z. B. das Bundesland Salzburg. Hier existieren sogenannte Grünflächen-Zahlen als Vorgabe für jedes Bauvorhaben, es muss somit differenziert je nach Bauaufgabe und -ort ein bedeutsamer Anteil an Grünbereichen nicht nur auf dem Grundstück, sondern auch auf Dächern und an Fassaden realisiert werden, um eine Baugenehmigung zu erhalten. Was in Zeiten der sich abzeichnenden Klima-Katastrophe und des dramatischen Verlustes an Bio-Diversität vor allem in Siedlungsräumen durchaus Sinn macht. Bleibt mit Blick auf die nachfolgenden Generationen also zu hoffen, dass dieser Erkenntnisgewinn bald auch in unserer regionalen Gesellschaft erfolgt.
Februar 2022
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...
Mit Beginn des neuen Jahrtausends lud der damalige Kemptener Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer der Reihe nach alle Berufsgruppen ins Rathaus ein, beginnend mit 'A' wie Architekten. Bei dieser Gelegenheit trafen auch eine Reihe junger Kolleginnen und Kollegen aufeinander, die frisch von ihren Ausbildungsstätten oder ersten beruflichen Anstellungen ins Allgäu zurückgekehrt waren. Um sich besser kennen zu lernen, wurde schnell ein regelmässiger Stammtisch eingerichtet, aus dem 2001 ein Verein mit dem Namen 'architekturforum kempten' als offene Plattform erwuchs.
Zusammenschluss zum architekturforum allgäu
Die ersten Jahre erfolgte ein schrittweises Zusammenwachsen aller Akteure und der Aufbau eines breiten Netzwerkes - vor allem im Schulterschluss mit dem 2003 gegründeten 'architekturforum memmingen'. Unser Hauptanliegen, Architektur einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, wurde in beharrlicher ehrenamtlicher Arbeit u. a. mittels einer Vielzahl von Ausstellungen, Vorträgen, Publikationen, Besichtigungen und Preisverleihungen transportiert. Konsequenterweise schlossen sich 2013 die beiden bisherigen Vereine im Unter- und Oberallgäu zum 'architekturforum allgäu' zusammen.
Einrichtung Geschäftsstelle
Unsere Finanzierung stützt sich dabei seit jeher auf zahlreiche Förderer ohne öffentliche Geldzuwendungen. Einzig durch eine zeitlich befristete 'Leader-Förderung' konnte im Jahr 2014 eine stundenweise untertags besetzte Geschäftsstelle eingerichtet werden - erst im Künstlerhaus Kempten und seit 2016 im 'Haus der Vereine' am Kleinen Kornhausplatz. Ein gewichtiger Schritt zu mehr Professionalisierung und Präsenz im gesellschaftlichen Diskurs.
Baukultur ist Lebensqualität
Dass das Thema der Baukultur mitentscheidend ist für unsere Lebensqualität dokumentieren mittlerweile über 200 Baukultur-Initativen bundesweit, zusammengebunden unter dem Dach der Bundesstiftung Baukultur mit Sitz in Potsdam. Alleine bayernweit agieren weit über 20 Baukultur-Initativen auf jeweils regionaler Ebene und engagieren sich als 'Fraktion' in der Vertreterversammlung der Bayerischen Architektenkammer.
Ambivalente Zwischenbilanz
Was haben wir in den zwei Jahrzehnten unserer Tätigkeit erreicht? Sicherlich eine Sensibilisierung für das komplexe Feld der Baukultur in der Region. Dabei sind jedoch Ambilvalenzen festzustellen: Zwar gelang die Installation von Gestaltungsbeiräten in den Städten Sonthofen, Kaufbeuren, Kempten und Memmingen - zum Ansinnen, ein solch sinnvolles Beratungsinstrument auch auf Landkreisebene für alle Allgäuer Gemeinden einzurichten, herrscht aber bisher eher Zurückhaltung bei den politischen Entscheidungsträgern. Oder hinsichtlich der besonders in Zeiten der Klimakatastrophe gebotenen Sorge um den Bestand: Zwar konnten wir den Abriss der denkmalgeschützten 'Alten Schule' in Immenstadt-Bühl in letzter Minute verhindern, bei Ándor Akos 'Löwen' in Oy und beim Franz Weiss - Atelier 'Bavaria' in Kempten aber: Fehlanzeige. Immer noch viel zu häufig wird in unseren Gefilden nach der Maxime 'weg mit dem alten Glumpp' gehandelt. Zwar kann die Region mit einer Vielzahl prämierter Einzelobjekte auch auf nationaler und internationaler Ebene aufwarten, aber die Kakophonie von Allerwelts-Neubau- und Gewerbegebieten breitet sich weiterhin ungebremst aus. Zwar ist das Thema 'Kultur' seit kurzem auch bei der Wirtschafts- und Tourismus - Fördergesellschaft der Allgäu GmbH angekommen, drastische Veränderungen unserer gewachsenen Kulturlandschaft wie am Riedberger Horn oder am Grünten standen und stehen aber ernsthaft zur Debatte.
Baukultur in die Mitte der Gesellschaft bringen!
Zusammenfassend muss nüchtern festgestellt werden, dass das essentielle Thema der Baukultur gesamtgesellschaftlich in unserer Region noch zu wenig Relevanz besitzt. Anders als z. B. im Bregenzer Wald, wo die Thematik in der Mitte der Bevölkerung angekommen ist und diese sprichwörtlich bewegt, ist die Auseinandersetzung mit der Qualität unseres gebauten Lebensumfeldes momentan eher Ausnahme als gebotene Regel.
Baukultur geht alle an: Zuversichtlicher Ausblick
Selbstverständliches Ziel sollte es werden, daß wir alle gemeinsam an einem identitätsstiftenden Erscheinungsbild unserer Region arbeiten, anstatt autonome und beziehungslos zueinander stehende Komponenten bei einem ungebremsten Flächenverbrauch unserer Umwelt hinzu zu addieren. In diesem Zusammenhang wünschen wir uns sehr eine Stärkung der Regionalplanung und eine Wieder-Aktivierung der regionalen Planungsbeiräte, um das weithin verbreitete Kirchturm-Denken zu verlassen und unser Allgäu als authentisches Ganzes weiter zu entwickeln. Zukünftig wird Bauen bestimmt verstärkt als moderierter Prozess zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfinden müssen, um einem nachhaltigen Anspruch gerecht zu werden. Voraussetzung dazu ist freilich ein entsprechendes Niveau, was die (bau-)kulturelle Bildung anbelangt. Hier setzen wir im Besonderen auf unseren Nachwuchs und wollen mit der schrittweisen Aneignung des leerstehenden Reglerhauses in Kempten als 'Haus der Baukultur' in den nächsten Jahren einen entsprechenen Schwerpunkt setzen.
September 2021
Publikation in Zeitungsform zur Wanderausstellung mit 40 Seiten
Gute Stallbauten dienen im Besonderen dem Tierwohl und damit der Produktion hochwertiger Lebensmittel. Solche vorbildlichen Nutzbauten sind wirkungsvolle Botschafter der Landwirtschaft und können zum positiven Image des Berufsstandes in unserer Gesellschaft beitragen.
Dem architekturforum allgäu ist es daher seit Jahren ein besonderes Anliegen, qualitätvolle Stallbauten einem breiten Publikum bekannt zu machen. Zusammen mit dem Holzforum Allgäu und mittels einer großzügigen Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten konnten wir eine hochwertige Wanderausstellung gestalten.
Insgesamt wurden wurden neun Ställe im Allgäu und in Schwaben, vier in Oberbayern und (Unter-)Franken, vier in Vorarlberg und drei in der Schweiz ausgewählt und auf Plakaten dokumentiert. Holz-Modelle der Tragstrukturen vermitteln den BesucherInnen in anschaulicher Weise die Grundanliegen des Projektes – den sensiblen Umgang mit der vorgefundenen landschaftlichen Situation, die harmonische Gliederung und Strukturierung der Baumasse und die Materialisierung mit natürlichen, nachhaltigen Baustoffen. Angereichert wird die Ausstellung durch sechs Arbeiten von Studierenden der TU München mit ihren ausgezeichneten Beiträgen zum bundesweiten Wettbewerb Stall der Zukunft. In der Ausstellung liegt die kostenfreie Dokumentation in Zeitungs-Form mit allen präsentierten Ställen aus.
Eine vielbesuchte Instagram-Seite macht die zunehmende Versiegelung unserer (Vor-)Gärten unter der Überschrift 'Gärten des Grauens' zum Thema. Trotz abnehmender Bio-Diversität in unseren Siedlungsräumen scheinen auch viele Allgäuerinnen und Allgäuer diesem Trend verfallen, gewährleistet doch eine Bekiesung der privaten Gartenflächen anscheinend dauerhaft die Vermeidung von Pflegeaufwand. Dass aber gerade diese kleinen und unbedeutenden Maßnahmen in Summe dafür sorgen, daß sowohl das Kleinklima mit seiner Tier- und Pflanzenwelt leidet, als auch gestalterisch alle bisherigen Gepflogenheiten außer Kraft gesetzt werden, erscheint geradezu fatal.
Bewusstseins - Verlust
Vor nahezu vier Jahrzehnten versuchte der Dokumentarfilmer Dieter Wieland mit seiner berühmt gewordenen Reihe 'Topografie' im Bayerischen Fernsehen die Zuschauer an Themen heranzuführen, die jeder Einzelne von uns auch in unserer Zeit in der Hand hat: Da ging es um die Sensibilisierung für sinnvoll gestaltete Gärten und Wege, um Zäune, Haustüren, um Dächer und vieles andere mehr. Wieland selbst musste allerdings anlässlich seines 80. Geburtstagtages vor vier Jahren leider einräumen, dass alles viel schlimmer gekommen sei, als er sich damals ausmalen konnte.
Gründe des Niedergangs
Über die Ursachen kann nur spekuliert werden: Ist es das sog. 'Cocooning' in unser immer komplexer werdenen Welt, also das Ein-Igeln in die eigene Privat-Sphäre, die nichts mehr mit ihrer Außenwelt zu tun haben will? Ist es ein Mangel an gestalterischer und kultureller Bildung, die unser Nachwuchs in seiner Schulzeit erfährt? Ist es das überbordene Angebot an fragwürdigenAusstattungsgegenständen, die die Baumärkte landauf, landab zu Billigpreisen anbieten? Unterm Strich jedenfalls leidet auch die in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft des Allgäus unter der wachsenden Ignoranz vieler seiner Bewohner.
Abschottung statt Miteinander
Während früher Gebäude ganz selbstverständlich in die vorhandene Topografie eingepasst wurden, sind mittlerweile anscheinend meterhohe Wälle aus Wasserbau(!)-Steinen erforderlich, um die Anforderungen des Geländes zu meistern. Zäune, die Hochsicherheitstrakte vermuten lassen, umgeben unsere Grundstücke und riegeln sie hermetisch nach außen hin ab, als ob es kein nachbarschaftliches Miteinander und soziales Leben mehr gäbe. Der neueste Hit dabei sind bedruckte Folien, die zwischen Metallgitter-Umfriedungen gespannt, mit Gabionen- oder Geranien-Optik aufwarten. Oft kombiniert werden diese Anlagen mit Thuja-Pflanzungen, die vermeintlich ein Höchstmaß an Blickdichtigkeit gewährleisten, aber alles andere als heimische Gehölze sind. Auch unsere Dachlandschaften wurden vielerorts zusehens durch ungestaltete Solar- und Photovoltaik-Anlagen in arge Mitleidenschaft gezogen. So sinnvoll diese Paneele in Zeiten der Klima-Katastrophe sein mögen, ihre Platzierung und ihr Aussehen sollten doch gewissen ästhetischen Mindestanforderungen genügen.
Musterbeispiel Vorarlberg
Müßig, auch in diesem Zusammenhang auf unser benachbartes Bundesland Vorarlberg zu verweisen, in dem Energie-Paneele in der Regel sorgsam gestaltet auf den dortigen Dächern integriert werden. Die Gemeinde Zwischenwasser vergibt gar einen kommunalen Bauherrenpreis für gelungene Gebäudeeinbettungen ins Gelände - eine Auszeichnung, die laut Alt-Bürgermeister Josef Mathis wenige Euro für eine Plakette kostet, aber bei der gesamten Gemeindebevölkerung die Sensibilität für Sockelausbildungen schärft. Während in Vorarlberg sog. 'Steingärten' so gut wie gar nicht vorkommen, hat sich Baden-Württemberg übrigens aus gegebenem Anlass dafür entscheiden, solche Gartengestaltungen landesweit zu untersagen.
Allgäuer Vorbild
Dass es auch im Allgäu rühmliche Ausnahmen gibt, zeigt die Gemeinde Irsee, die mit dem Baukulturgemeinde-Preis Allgäu 2016 ausgezeichnet wurde. Alle Bebaungspläne untersagen die Pflanzung von Thuja-Gehölzen und schreiben für Zäune natürliche Materialien vor. Beim Flanieren durch den Ort wird deutlich, dass das private Tun in seiner Gesamtheit für Einheimische und Besucher zu einer Wohltat werden kann, denn 'Kleinvieh macht eben doch Mist'.
Mai 2021
Gelungene Ortsmitte in Buchenberg
Die Gemeinde Buchenberg erfreut sich seit geraumer Zeit einer neuen Ortsmitte, die allgäuweit zu einem Vorzeige-Objekt in Sachen Baukultur avanciert ist. Beginnend mit der Aufwertung des 'Adler'-Umfeldes und der Freiflächengestaltung an Rathaus und Kirche im Jahr 2013 wurde mit der klugen Entscheidung, den regionalen Lebensmittelmarkt weiterhin im Herzen der Gemeinde anzusiedeln, 2016 ein Wettbewerbsverfahren initiiert, das zum jetzt gebauten, stimmigen Ergebnis geführt hat. Buchenberg also auf dem besten Wege zur Baukulturgemeinde und heißer Aspirant auf unseren nächsten Baukulturgemeinde-Preis Allgäu? - Leider scheint es, dass der vormals eingeschlagene Weg verlassen wurde, wenn man sich beispielhaft zwei aktuelle Bauvorhaben in Buchenberg ansieht.
In Kürze zerstörte Ortsmitte in Wirlings
Inmitten des Gemeindeteils Wirlings wurde jahrelang das historische Gasthaus mit ehemaliger Krämerei, seit jeher das(!) ortsbildprägende Gebäude neben der Kirche, tatenlos dem Verfall preisgegeben. Nunmehr erteilte der Gemeinderat einem Bauträger per Genehmigung einer entsprechenden Bauvoranfrage die Erlaubnis zu dessen Abriss und hat an gleicher Stelle der Errichtung einer überdimensionierten Wohnanlage zugestimmt. Somit ist abzusehen, dass die 'Seele des Ortes' empfindlich in Mitleidenschaft gezogen wird, obwohl per se nichts gegen eine Mehrfamilienhaus-Nutzung spricht.
Einzelfall Eschacher Straße
Zudem hat die Gemeinde jüngst an der Eschacher Straße die Beseitigung eines intakten und bewohnten historischen Fachwerkhauses abgesegnet - zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses, das gar nichts mit der alten Struktur Buchenbergs und der gewachsenen Typologie seiner Bauten zu tun hat. Auch dieser Einzelfall offenbart den Rückzug der Entscheidungsträger auf die geltenden Rechtsvorschriften, ohne dass der baukulturelle Zusammenhang in irgend einer Form eine Rolle spielt. Und das betrifft hier in gleichem Maße auch die übergeordnete Genehmigungsinstanz, nämlich das Landratsamt Oberallgäu.
Einrichtung eines Gestaltungsbeirates als Lösungsansatz
Wir stellen uns daher die berechtigte Frage, wie solche Verluste von Kulturgut in Zukunft in unserer Region vermieden werden können und regen zum wiederholten Male an, auf Landkreisebene einen mobilen Gestaltungsbeirat zu installieren, der von jeder Gemeinde bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann. Besonders im Oberallgäu scheint dies dringend geboten, da hier - einzigartig im Allgäu - die Stelle des Kreisbaumeisters seit 2007 unbesetzt geblieben ist. Ein solcher Fürsprecher der Baukultur wäre in früheren Tagen bei den vorgenannten Beispielen als Fachinstanz mit Sicherheit zu Rate gezogen worden.
Positive Erfahrung mit Gestaltungsbeiräten in Allgäuer Städten
Nicht von ungefähr haben vor einigen Jahren die kreisfreien Städte Sonthofen, Kaufbeuren, Kempten und jüngst Memmingen bewusst Gestaltungsbeiräte ins Leben gerufen. Und sie alle konnten damit durchweg positive Erfahrungen machen, wenn es um die fachliche Beurteilung komplexer baulicher Entwicklungen ging. Auch in ländlichen Gefilden hätte eine solche Expertise mit Empfehlungscharakter aus unserer Sicht durchaus seine Berechtigung, wie der Blick in den Bregenzer Wald zeigt. Hier werden seit vielen Jahren wichtige bauliche Entwicklungen durch Ratschläge von unabhängigen Fachleuten begleitet - nicht zuletzt deshalb gilt dieser Landstrich als europaweit vorbildliche Baukultur-Region, wovon sowohl der dortige Tourismus als auch die heimische Wirtschaft profitieren.
Wie funktioniert ein mobiler Gestaltungsbeirat auf Landkreisebene?
Ein solches Gremium ist quasi zentral beim jeweiligen Landratsamt beheimatet und kann bei Bedarf von der jeweiligen Gemeinde angefordert werden - weil sich sicherlich nicht jede Kommune eigene Bauberater leisten kann, aber sich dennoch ein solch hilfreiches Instrument ohne weitere Verpflichtungen zu Nutze machen möchte. Als Mitglieder in Gestaltungsbeiräte berufen werden Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner, die nicht im Landkreis tätig sind, um eine unabhängige Beratung zu gewährleisten. Mit ihrem Fachwissen und Ihrer Kenntnis der regionalen Bautradition vermögen sie neue Bauvorhaben hinsichtlich einer sinnvollen Weiterentwicklung unserer wertvollen Kulturlandschaft fundiert zu beurteilen. Die Aufwandsentschädigung für Gestaltungsbeiräte orientiert sich an den Preisrichter-Gebühren der Bayerischen Architektenkammer. Bei mobilen Gestaltungsbeiräten ist die finanzielle Beteiligung des Landkreises und der Regierung von Schwaben auszuloten, sodass für die Gemeinden vermutlich nur eine geringe Selbstbeteiligung verbliebe. Die Satzung von Gestaltungsbeiräten kann ganz individuell gestaltet werden. Festlegbar sind unter anderem Anzahl, Zusammensetzung und Rotation des Gremiums, Art und Weise der Beratung, terminliche Taktung und dergleichen. Vorteile über Vorteile also, die dem zukünftigen baulichen Erscheinungsbild unserer Region zugute kämen. Daher wird sich das architekturforum allgäu weiterhin intensiv für die Einrichtung von mobilen Gestaltungsbeiräten in allen vier Allgäuer Landkreisen einsetzen.
Februar 2021
Die so genannte 'Allgäu-Metropole' tut sich schwer, ihr bauliches Erbe gegen die Begehrlichkeiten so manchen Investors zu bewahren. Deutlich zu Tage tritt dies in jüngster Zeit wieder einmal beim markanten und stadtbildprägenden Eckgebäude Bodmanstraße - Adenauerring, als 'Bavaria' tief im kollektiven Gedächtnis der Stadtbewohner und darüber hinaus verankert.
'Ein Gebäude mit Eigenschaften' (frei nach Robert Musil)
Für das Bodmanstraßen-Viertel existiert seit vielen Jahren zurecht eine Stadtbildsatzung *, weist diese Prachtstraße doch einen ganz besonderen Charakter im Stadtgefüge auf. Hubert Hingerl setzte dem Straßenzug mit seinem Buch 'Gusgasga' ein literarisches Denkmal. Am höchstgelegenen Abschluß nach Westen wurde 1899 die 'Gaststätte zur Bavaria' erbaut. Nach Aufgabe der Wirtschaft 1930 brachte man den 'Bavaria-Kindergarten' in den ehemaligen Schankräumen unter. 1959 kaufte der weithin bekannte Kunstmaler Franz Weiß das Gebäude, nutzte es selbst als Wohn- und Atelierhaus und wirkte von hier aus mit seinem herausragenden künstlerischen und handwerklichen Können. Auch seine sozialen Aktivitäten, zu denen u. a. die Ausrichtung des jährlichen Stadtnikolaus-Umzuges zählte, verdienen große Anerkennung. Ein Bauwerk also mit bewegter Geschichte, deren Spuren sich wunderbar ablesen und nachvollziehen lassen. Eine Tatsache allerdings, die das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege nicht würdigt und das Gebäude wegen Veränderungen am Originalzustand als nicht schützenswert einstuft. Nebenbei bemerkt ist das Spannende an Baugeschichte doch aber der fortwährende Transformations-Prozess, dem auch Einzelgebäude unterliegen.
Haltung und Strategie der Stadt wird vermisst
Die Witwe von Franz Weiß ist als langjährige Eigentümerin des 'Bavaria' - Hauses wenig pfleglich mit dem Kulturerbe umgegangen. Gerät ein wertvolles historisches Gebäude erst einmal in einem bemitleidenswerten Zustand und mangelt es an einer übergeordneten Strategie der Kommune, ist Spekulanten Tür und Tor geöffnet. Genau dies ist geschehen, als das Haus 2018 öffentlich zum Kauf angeboten wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Stadt Kempten ihrer kulturellen Verpflichtung nachkommen und für dessen Zukunft Sorge tragen müssen. Wäre es doch relativ einfach gewesen - aus der eigenen Stadtbildsatzung abgeleitet - auf die weitere Entwicklung Einfluss zu nehmen. Und zwar mit einer Reihe von Steuerungsinstrumenten, die einer Kommune zur Verfügung stehen: Veränderungssperre, vorhabenbezogener B-Plan mit Erhaltungssatzung nach § 172 Abs.1 (1) BauGB oder Sicherung des Gebäudes durch Kauf und Wiederverkauf mit entsprechenden Auflagen, um nur einige zu nennen. Manche Gemeinden gewähren auch einfach kommunale Förderungen für den Erhalt ortsbildprägender Gebäude. Aber die Dinge gingen wie meist ihren Gang: Ein Investor und sein Architekt traten auf den Plan und entwickelten ein Projekt vorrangig nach wirtschaftlichen Kriterien, sprich Abbruch und Neubau. Erste Entwürfe sind der Stadtgesellschaft über die Presse mittlerweile bekannt. Erneut muss festgestellt werden, dass jetzt nicht mehr agiert, sondern nur noch reagiert werden kann. Dankenswerterweise hat in diesem Fall zumindest der Gestaltungsbeirat die Hand gehoben und den Investor eindrücklich ermahnt, doch wenigstens den Erhalt der 'Bavaria' - Fassade zu prüfen.
Weiteres Fallbeispiel 'Ulmer Straße'
Dass auch Gebäude in einem ganz anderen Kontext erhaltenswert gewesen wären, zeigt ein Blick in die Ulmer Straße im Osten der Stadt: Auch hier wurden die bemerkenswerten Bundeswehr-Gebäude am dortigen Stadteingang an einen örtlichen Investor weitergereicht, ohne zu prüfen, ob nicht Teile der soliden und über die Jahrzehnte äußerst gepflegten Bausubstanz für eine Nachnutzung hätten Verwendung finden können. Stattdessen wurde hier der komplette Alt-Bestand zugunsten eines ausgedehnten Sport- und Freizeitzentrums mit vorgelagertem Großparkplatz bereits flächendeckend abgebrochen. Vermutlich dürfte auch in diesem Fall das 'Neue' in vielerlei Hinsicht kaum die Qualität des 'Alten' erreichen.
Beitrag von historischen Gebäuden zur Identität des Allgäus
Noch wird in unserer Region zu wenig erkannt, welches Potential wertvolle alte Bausubstanz birgt. Gebäude aus vergangenen Tagen können zur Identitätsstiftung eines Straßenzuges, eines Gemeindeteiles, ja einer ganzen Kommune oder Region beitragen - und außerdem für eine ressourcenschonende Weiterentwicklung stehen. Bis sich diese Erkenntnis flächendeckend bei uns durchsetzt, werden wohl noch viele Gebäude der Abrissbirne zum Opfer fallen und letztlich zu einem Gesichtsverlust des Allgäu führen.
Oktober 2020
* Stadtbildsatzung Kempten §2 (2) (gültig seit 1997 u. a. für den 'Homogenen Bereich' Bodmanstraßen-Viertel): 'Dabei ist auf Gebäude (...) und freiräumliche Anlagen von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung besonders Rücksicht zu nehmen.'
So lautet das über 100 Jahre alte Motto zum genossenschaftlichen Bauen, das als Gegenbewegung zur kapitalistischen Bodenspekulation während der Hochzeit der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Als ein gedanklicher Vorreiter kann der Engländer Ebenezer Howard bezeichnet werden, der mit seiner Schrift 'Garden Cities of Tomorrow' der GartenstadtBewegung den Boden bereitet hat und mit seinen Vorschlägen den genossenschaftlichen Ansatz ins Zentrum seiner Reformen rückte.
Erfolgsmodell Gartenstadt-Bewegung
Vor allem in Großstädten fielen Howards Gedanken seit Anfang des 20. Jahrhunderts und verstärkt ab den 20er Jahren auf fruchtbaren Boden. Mustergültige Siedlungen in Berlin, Wien oder Zürich entstanden, deren städtebauliche und freiräumliche Qualitäten bis in unsere Zeit hinein Bestand haben und die für bezahlbaren und gut gestalteten Wohnraum sorgen, der ungebrochen wertgeschätzt wird.
Die Genossenschaftsidee in Stadt und Land
Leider hat sich die Idee des genossenschaftlichen Bauens und Wohnens in ländlichen Räumen bis auf wenige Ausnahmen nie sonderlich verbreitet. Als rühmliche Ausnahme in unserer Region ist die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Allgäu (BSG) zu nennen, die 1906 von 20 beherzten Kemptener Bürgern gegründet wurde. Auch sie machte es sich zur Aufgabe, die akute Wohnungsnot zu lindern und entwickelte seitdem Konzepte für sozial verträglichen und bezahlbaren Wohnraum. Über hundert Jahre später hat sich die BSG Allgäu zu einer der größten aller 330 Wohnungsgenossenschaften in Bayern entwickelt.
Das Westallgäu als Vorreiter in der Region
Im Zuge immer höher kletternder Immobilienpreise bei oftmals leider weniger Wohnqualität und nachhaltiger Materialisierung finden sich jedoch mittlerweile auch fernab der Metropolregionen erste zarte Pflänzchen einer Wiederbelebung der Genossenschafts-Idee beim Bauen. Einer der Vorreiter in unserer Region ist der Wangener Architekt Theo Keller, der derzeit auf dem dortigen Erba-Gelände im Zuge der Landesgartenschau 2024 eine ehemalige Arbeitersiedlung mit seinen Genossen in ein charmantes Wohnquartier verwandelt. Für Theo Keller ist dies auch eine Sache der Gerechtigkeit, weil damit Gentrifizierung und Mietwucher überwunden werden können. (vgl. Zeit 16/2013 'Baut, Genossen, baut!') Weitere erfolgreiche Genossenschaftsmodelle der Region finden sich vor allem im Westallgäu: Besonders zu erwähnen sind die Nachnutzung der ehemaligen Leutkircher Bahnstation als 'Bürgerbahnhof' (roterpunkt architekten) und die Ende letzten Jahres eröffnete 'GenussManufaktur' in Urlau (Architekturbüro Gegenbauer und roterpunkt architekten). Beides 'Kinder' des umtriebigen und vielfach ausgezeichneten GenossenschaftsAktivisten Christian Skrodzki, der es versteht, Begeisterung zu wecken und Mitmenschen zum Mitmachen zu motivieren. Er war es auch, der wesentlich dazu beitrug, dass sich ein Freundeskreis im Oberallgäu formierte, um mit einer Bürgergenossenschaft die denkmalgeschützte Alte Schule in Immenstadt-Bühl zu retten. Nach jahrelangen Bemühungen war es endlich im März diesen Jahres gelungen, das identitätsstiftende Gebäude vor dem Abriss zu bewahren. Damit dürfte ein weiteres Musterbeispiel genossenschaftlichen Bauens entstehen, das sicherlich allgäuweit austrahlen wird.
Grundzüge von Genossenschaften
Mitglied in Genossenschaften wird, wer mindestens einen Genossenschaftsanteil erwirbt. Jeder Genosse erhält bei Entscheidungen eine Stimme, unabhängig davon wie viele Anteile er erworben hat. Jeder Genosse kann nach einer gewissen Sperrfrist seine Anteile wieder zurückfordern. Häufig werden Überschüsse in Form von Dividenden ausbezahlt, es handelt sich in Zeiten der Niedrigzins-Politik der Banken auch also auch um eine sinnvolle Art der Geldanlage. Wenn die verfügbare Anzahl von Genossenschaftsanteilen ausgeschöpft ist, werden Interessenten auf eine Warteliste gesetzt und können nachrücken, wenn ein Mitglied seine Anteile zurückgibt. Bleibt zu hoffen, dass die Genossenschafts-Idee auch im Allgäu weiter um sich greift, weil Bürgerinnen und Bürger damit Ihr Lebensumfeld selbstbestimmt gestalten können. Mehr unter www.genossenschaftsverband.de
Juni 2020
Am Morgen wurde er dem Bundeskabinett präsentiert und von dort aus an den Bundestag weitergereicht, am späteren Vormittag erfolgte die offizielle Vorstellung in Potsdam und mit diesem Link ist er herunterladbar > https://www.bundesstiftung-baukultur.de/sites/default/files/medien/8349/downloads/bsbk_bkb_2021_0.pdf:
Der Baukulturbericht 2020/21 der Bundesstiftung Baukultur zum Top-Thema `Öffentliche Räume`
Wir wünschen uns, dass mit dieser Publikation gerade auch in unserer Region die entsprechende Diskussion weiter befördert wird, haben doch in Corona-Zeiten öffentliche Räume mehr denn je Bedeutung für unseren Lebensalltag!
'Gerstruben könnte nicht mehr gebaut werden, wenn man die aktuelle Gestaltungssatzung der Marktgemeinde Oberstdorf zugrunde legt', so die unmissverständliche Aussage des ortsansässigen Architekten Klaus Noichl. Eine erstaunliche Feststellung, trifft doch das über 400 Jahre alte Gerstruben eigentlich genau das Klischeebild der typischen Allgäuer Siedlung und deren traditioneller Behausung - häufig postkartengerecht inszeniert weit über das Regional-Marketing hinaus.
Fragwürdiger Erfolg von Gestaltungssatzungen
Es ist wohl ein eher diffuses Bild wie regionale Hauslandschaften aussehen sollten, das den unzähligen Gestaltungssatzungen zugrunde liegt, die das Bauen in den Allgäuer Gemeinden unter dem heren Ziel reglementieren wollen, dass ortsbildtaugliche und landschaftsverträgliche Gebäude entstehen. Viele Vorschriften scheinen auf fragwürdigen Begründungen zu beruhen und werden von Bauherren zumeist als Zwang und Einschränkung empfunden. Oft wird daher versucht die Vorgaben von Gestaltungssatzungen über Ausnahmen und Befreiungen im Baugenehmigungsverfahren zu umgehen.
In jüngster Vergangenheit schickt sich auch die Stadt Memmingen an, für den Altstadtbereich eine Gestaltungssatzung aufzustellen. Im kürzlich von der Verwaltung vorgestellten Entwurf mit seinen 19 Paragrafen findet sich etwa eine flächendeckende Vorgabe der Verwendung von Fassadenputz mit höchstens 1,5 mm Körnung oder der Fensterausbildung als stehende Rechtecke mit Sprossen. Solche Vorgaben hatte es jahrhundertelang nicht gegeben und trotzdem stellt sich die Memminger Altstadt bei aller Vielfalt als homogenes Ganzes dar.
Kontextuelles Bauen in der Vergangenheit
Bleibt die Frage nach dem Warum?: Weil vergangene Generationen beim Bauen nicht nur Ich-bezogen und scheuklappenartig auf das eigene Bauwerk geschaut haben, sondern weil man sich mit seinem Gebäude als Teil eines größeren Ganzen verstand. Und da war es selbstverständlich, dass man quasi nach links und nach rechts blickte, also Typologie, Struktur, Körnung, Kubatur, Form und Material des Ensembles analysierte. Und diese Kriterien - bewusst oder unbewusst - bei einem neuen Bauwerk im Hinterkopf hatte und damit die schlüssige Transformation beim Weiterbauen schaffte.
Weitgehendes Beratungsdefizit in Gestaltungsfragen
Eigentlich sollte es immer selbstverständliche Pflicht jeden Planers sein, sich am vorhandenen Kontext zu orientieren und ihn seiner Bauherrschaft nahezubringen. Leider ist genau dies in unserer Zeit oftmals gänzlich verloren gegangen. Doch anstatt dieses Manko über die 'Zwangsmaßnahme' Gestaltungssatzung wieder in den Griff zu bekommen, sollten Kommunen eher für Wissensvermittlung und beratende Aufklärung sorgen - denn nur wenn die Dinge von Bauherrenseite verstanden und mitgetragen werden, können nachhaltige Gestaltungen gelingen.
Exemplarisch wurde beispielsweise beim Baugebiet 'Am Kesselberg' am westlichen Stadtrand von Kaufbeuren versucht, den Bauwerbern vor Verkauf der Grundstücke über Info-Veranstaltungen zu erklären, warum und wieso welche Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Erscheinungsbild sinnvoll sind. Und siehe da: Eine der besten neuen Siedlungen im Allgäu ist entstanden. Ein mustergültiges Beispiel stellt auch das druckfrische Baumemorandum der Stadt Sonthofen dar, das - erarbeitet unter Leitung von Prof. Christian Wagner an der Hochschule Chur - eben genau auf das Motto 'Einsicht statt Zwang' setzt und von dem man sich wünscht, dass mehr und mehr solcher Instrumente die überkommenen Gestaltungssatzungen im Allgäu ablösen.
April 2020
Eines der zentralen Themen im Vorfeld der Kommunalwahlen in Bayern war dasjenige der Mobilität. Zu Recht, denn eine Mobilitätswende würde sich für das Erreichen der Europäischen Klimaschutzziele als äußerst förderlich erweisen und unsere Städte und Gemeinden wieder ein Stück lebenswerter machen. Dazu müsste nur statt vorrangig auf den motorisierten Individualverkehr wieder mehr auf Rad und öffentlichen Personen-Nahverkehr Wert gelegt werden.
Hochwertiges grafisches Gesamt-Erscheinungsbild vordringlich
Dafür ist ein über die einzelnen Kommunen hinausgehendes, abgestimmtes Verkehrskonzept auch für das gesamte Allgäu Voraussetzung. Um die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne Zwang für viele Menschen wieder attraktiv zu machen, bedarf es neben der entsprechenden Vernetzung, Vereinfachung und Vergünstigung der regionalen Systeme bei Erhöhung der Taktfrequenz ganz sicherlich auch eines entsprechend hochwertigen gestalterischen Erscheinungsbildes.
Musterbeispiel Vorarlberg
In unserem Nachbarland Vorarlberg wurde dies bereits vor vielen Jahren mustergültig vorgemacht. Nachdem 1991 klar war, dass es ein engmaschiges, flächendeckendes Busangebot nach Vorbild der Schweizer Postbusse geben soll, hat man die gesamtheitliche Gestaltung der ÖPNV-Offensive - zuerst in Dornbirn und dann landesweit - dem renommierten Designer Reinhold Luger in Zusammenarbeit mit Architekt Wolfgang Ritsch übertragen. Das einzigartige CI von Bus und Bahn trägt seitdem wesentlich zur Attraktivität des ÖPNV in unserer Nachbarregion bei. 'Dabei handelt es sich nicht einfach um konfektionierte Mobilitätsware, sondern um Image und Identität', wie es in einer Vorarlberger Stellungnahme heißt. Es macht nicht nur wegen des 365 Euro-Jahrestickets Freude, Busse und andere öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, sondern auch weil es sich um entsprechend chic gestaltete, werbefreie(!) Fahrzeuge handelt - und nicht wie im Allgäu um zumeist fahrende Litfaß-Säulen. Eingeführt wurde die Neuaufstellung des ÖPNV durch eine pfiffige, bundeslandweite Plakataktion, die - wiederum von Reinhold Luger gestaltet - mittlerweile sogar ihren Platz im Vorarlberger Landesmuseum gefunden hat.
Beitrag der Architektur zu einer qualitätvollen verkehrlichen Infrastruktur
Doch es ist nicht nur das graphische Erscheinungsbild, das in Vorarlberg Lust auf Bus und Bahn macht, es sind auch die gut gestalteten baulichen Begleitmaßnahmen. Die standardisierten Bushäuschen unserer Region sind sicherlich eine vielversprechende Grundlage und auch die Zentralen Umsteigemöglichkeiten etwa in Kempten und Kaufbeuen machen Hoffnung auf mehr. Die Mitfahrbänkle im Gemeindegebiet Heimenkirch, von Studierenden der TU München entworfen, versuchen sich zwar am berühmten Vorbild bus:stop Krumbach, erreichen aber bei weitem nicht deren signalhafte Wirkung, die mittlerweile weltweite Resonanz gefunden hat.
Gestaltungswettbewerbe als sinnvolles Instrument
Wichtig wäre also, die Gesamtgestaltung der Mobilitätswende im Allgäu qualitätvoll und - bei allen notwendigen Differenzierungen - einheitlich zu denken, um eine hohe Identifikation und Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten. Ein gutes Instrument in diesem Zusammenhang sind sicherlich professionelle Wettbewerbsverfahren, wie sie auch durch die regionalen Zusammenschlüsse der Kreativ-Schaffenden seit Längerem immer wieder einfordert werden.
März 2020
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Versand unserer Wahlprüfsteine zur Kommunalwahl 2020 an die Kandidatinnen und Kandidaten in der Region.
Wir sind sehr gespannt auf ihre Antworten zu unseren Baukultur-Fragen...
Im Rahmen des Allgäu-Tages auf der diesjährigen Jubiläums-Festwoche in Kempten wurde die Markenstrategie 2030 der Allgäu GmbH vorgestellt. Eine gedruckte Markenfibel nennt dabei die vier Markenkennwerte 'ehrenwert, heilsam, friedlich und originell' und stellt als Quintessenz des Ganzen den Begriff 'frisch' ins Zentrum eines sogenannten Markenlenkrades. Während Marketing ein Kleid darstelle, mit denen man sich anderen gegenüber präsentiert, drücke die Marke die eigentliche Seele einer Region aus, wie Thomas Staning, der Leiter der federführenden Agentur BWS aus Salzburg erklärte.
Auf der Suche nach der eigenen Identität
Richtigerweise setzt sich damit die Erkenntnis durch, nicht alles auf 'unsre Gäscht' hin auszurichten, um Ihnen vermeintlich zu gefallen, sondern sich auf die Suche nach der eigenen DNA zu machen, also herauszufinden, welches 'emotionale Fundament' die eigene Region trägt. Denn Authentizität generiert Attraktivität. So treten in der vorgestellten Begriffs- und Bildwelt zu recht viele Dinge in Erscheinung, die dem Allgäuer Wesen nachspüren, aber gleichzeitig eine ganz wesentliche Komponente nahezu außen vor lassen: nämlich diejenige der Kultur.
Fehlender Aspekt der Kultur
Die Identität einer Region wird immer auch ganz wesentlich geprägt von den kulturellen Beiträgen in Vergangenheit und Gegenwart. In den Bereichen Kunst, Theater, Musik, Literatur, Architektur und Gestaltung - die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen - hat das Allgäu sicherlich wesentlich mehr prägende Beiträge anzubieten als das unablässig vorgezeigte Schloss Neuschwanstein. Das Allgäu wäre arm ohne das Künstlerhaus Marktoberdorf und das Landestheater Schwaben in Memmingen, ohne die Musik von Matthias Schriefl und die Dichter der Gruppe 47 am Bannwaldsee, ohne Gerstruben und die herausragenden Barockbaumeister, ohne den Gestalter Otl Aicher, den Filmemacher Leo Hiemer aus Maierhöfen und die Photografien von Lala Aufsberg, um nur einige ganz wenige Beispiele aus einem reichen Schatz zu nennen. Auch in unserer Zeit entstehen herausragende Leistungen in allen kulturellen Sparten, die dem Allgäu eine unverwechselbare Identität verleihen und damit nicht nur auf hohem Niveau unser Dasein reflektieren, sondern auch essentielle Zukunftsfragen aufwerfen. Wir sind der Überzeugung, dass - neben dem unbestritten Freizeitwert - der regionale Kultursektor nicht nur
für Allgäuerinnen und Allgäuer mit zu einem hohen Maß an Lebensqualität beiträgt, sondern auch für Besucher und die wiederholt bemühten fehlenden Fachkräfte eine nicht zu vernachlässigende Attraktion darstellt. Schließlich gilt es ja mit dem kulturellen Angebot in Metropolregionen zu konkurrieren.
Andere erfolgreiche Regionen machen's vor
Die Marken Graubünden, Südtirol oder Bregenzer Wald haben den Kulturbereich bereits seit längerem erfolgreich in den Mittelpunkt Ihres Selbstverständnisses gerückt. Bleibt sehr zu wünschen, dass sich die Erkenntnis eines regionalen Kulturraums auch bei uns durchsetzt und neben dem Wirtschaftund Toruismusraum Ihren berechtigten Eingang in die Marke Allgäu findet. Aufgerufen sind in diesem Zusammenhang besonders die Kulturschaffenden in der Region, die diesen Betrachtungsschwerpunkt in der Öffentlichkeit gemeinsam nachdrücklich einfordern sollten.
September 2019
Steigende Anzahl an Bürgerbegehren im Allgäu
Gleich mehrere Bürgerbegehren wurden und werden derzeit in unserer Region angestrengt. Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid bei der Europawahl zum Bahnhofsareal in Memmingen, bei dem - bei einer hohen Wahlbeteiligung - das im stillen Kämmerlein verhandelte Projekt eines holländischen Investors mit 2/3 Mehrheit zu Fall gebracht wurde, erreichte die Stadt Füssen in Rekordzeit die erforderliche Unterschriftenanzahl für ein Bürgerbegehren zum geplanten Hotelneubau am Festspielhaus. Wenig später formierte sich massiver Widerstand gegen die Absicht eines heimischen Investors aus dem Grünten ein Erlebniszentrum zu machen. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen - gleich drei Bürgerbegehren stehen in Immenstadt im Raum: Hinsichtlich eines zum wiederholten Male vorgebrachten Hotel-Neubaus am bislang unbebauten Alpsee-Ufer, zum geplanten Abriss des Hofgarten-Saals und zu möglichen neuen Gewerbeansiedlungen im Seifener Becken.
Zunahme der Sensibilität in der Bevölkerung
Dabei sollte sämtlichen Entscheidungsträgern spätestens nach 'Stuttgart 21' und dem Debakel am Riedberger Horn klar geworden sein, dass alle Eingriffe in unsere wertvolle Kulturlandschaft nicht mehr isoliert von den mündigen Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden können - ohne der Bevölkerung das Gefühl zu geben, ausreichend einbezogen worden zu sein. Die gemeinhin besonders von der Politik ins Feld geführten Argumente der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und der Nutzen für den heimischen Tourismus ziehen alleine nicht mehr. Denn die Allgäuerinnen und Allgäuer haben vielmehr Aspekte wie Vernachlässigung des Landschaftsschutzes, unbegrenzte Zunahme des Tourismus auf Kosten der Einheimischen verbunden mit einem drohenden Verkehrskollaps und durchaus auch ästhetische Defizite vor Augen, wenn zumeist Investoren von außerhalb auf den Plan treten, um bei einem minimierten Aufwand ein Maximum an Profit zu erzielen.
'Labor Baukultur Allgäu'
Bei einem ersten 'Runden Tisch Baukultur', der unlängst auf Betreiben von Bayerischer Architektenkammer, Treffpunkt Architektur Schwaben (TAS), Bund Deutscher Architekten (BDA) und architekturforum allgäu mit Vertretern aller relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen des Allgäus zustande kam, stellte Prof. Mark Michaeli vom Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land an der TU München die zentrale Frage 'Wie stellen wir in der Region attraktive Räume her?' und regte dazu konkret die Einrichtung eines 'Labor Baukultur Allgäu' an, in dem die drängenden Entwicklungsfragen gemeinsam und vorausschauend verhandelt werden, denn - so seine Worte - 'Zukunft ist gestaltbar', auch unmittelbar vor Ort im konstruktiven Miteinander der Kommunen - schließlich gilt es ja auch auf baukulturellem Sektor die 'Marke Allgäu' zu stärken.
Agieren statt Reagieren
Beim inzwischen zurückgestellten Projekt am Forggensee kann man zum Beispiel die berechtigte Frage stellen, warum die Stadt Füssen nicht bereits nach Verkauf des Festspielhauses an Investor Manfred Rietzler das Heft in der Hand behalten und für den damals schon im Raum stehenden Hotelbau Rahmenbedingungen zu Lage und Ausdehnung erarbeitet hat, die in einen Architektur - Wettbewerb gemündet wären, um eine verträgliche und qualitätvolle Lösung mit entsprechender Öffentlichkeitseinbindung zu generieren? Jetzt sind - wie immer wenn Bürgerbegehren angestrengt werden - tiefe Gräben aufgerissen und eine Spaltung der Gesellschaft droht. All dies ließe sich vermeiden, wenn mit entsprechendem Weitblick und zeitlichem Vorlauf agiert und nicht wie meist nur kurzfristig auf Investoren-Ansprüche reagiert würde.
August 2019
Mit den drei 'R' - Begriffen aus der Abfallwirtschaft präsentierte sich Deutschland auf der Architektur-Biennale 2012 in Venedig. Reduzieren, Wiederverwenden und - verwerten sind eigentlich spätestens seitdem auch beim Bauen das Gebot der Stunde. Entstehen doch über 60% des globalen Müllaufkommens durch Gebäudeschutt! Dank des anhaltenden Baubooms produziert allein Deutschland inzwischen über 400 Millionen Tonnen Abfälle im Jahr. Bei einer sinkenden Anzahl von Deponien wird mehr und mehr Bauschutt schon jetzt ins Ausland transportiert, wie die Deutsche Handwerkszeitung im vergangenen Jahr verlauten ließ und unter der Überschrift 'Deponien am Limit' von einem Entsorgungsnotstand sprach.
Noch kein Bewusstsein für 'Graue Energie'
Auch bei uns im Allgäu gibt es noch wenig Bewusstsein für den Erhalt der sog. 'Grauen Energie', also derjenigen Ressourcen, die bei der Errichtung von Gebäuden aufgewendet wurden und fortan dort schlummern. Es stellt sich in Zeiten von 'Fridays for Future' die berechtigte Frage, warum sanierungsfähige Gebäude komplett abgerissen werden müssen, anstatt zumindest den Rohbau zu erhalten und ein sog. 'Upcycling' zu betreiben? So haben die Ingenieure von Werner Sobek z. B. unlängst bei einem bestehenden Bürogebäude aus den 80er Jahren in München errechnet, dass durch den Erhalt des Bestandes in Vergleich zu einem Neubau Energie- bzw. CO2-Mengen in einer Größenordnung eingespart werden, die der energetischen Versorgung des gesamten Hauses über 34 Jahre entsprechen!
Fallbeispiel Sparkassen - Gebäude Kempten
Neben bauhistorischen Werten, die wie beim vollzogenen Abriss des Gasthof 'Löwen' in Oy oder beim beschlossenen Abbruch der denkmalgeschützten 'Alten Schule' in Immenstadt - Bühl unwiderbringlich verloren gehen, sind also ganz konkrete wirtschaftliche Vorteile ins Feld zu führen, wenn ein Bestandsgebäude weitergebaut wird. Diese Argumentation vertrat auch die hochkarätig besetzte Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz, die Mitte März diesen Jahres die Stadt Kempten besuchte und sich dabei u. a. dafür aussprach, das ehemalige Sparkassen - Gebäude an der Königstraße in seiner Grundsubstanz zu erhalten - anstelle wie geplant zugunsten eines neuen Büro-Komplexes komplett abzureissen. Davon, dass sich das Gebäude in keinem besorgniserregenden Zustand befindet, können sich alle Besucher der 'Kunstarkaden', einer momentanen Zwischennutzung als erdgeschossige Ausstellungsfläche, zweifelsfrei überzeugen. Überhaupt stellt sich das Haus als eines der ganz wenigen typischen 50er Jahre - Bauten im Allgäu dar, ein Stein gewordener Zeitzeuge des Wirtschaftswunders nach dem Krieg, der eine solide Grundstruktur aufweist und in den 90er Jahren bereits grundlegend saniert wurde.
Fallbeispiel Hofgarten - Stadthalle Immenstadt
Aber es sind halt leider die vermeintlich ungeliebten Nachkriegsdekaden beim Bauen, die zu vorschnellen Abriss-Überlegungen führen, so in jüngster Zeit auch bei der Hofgarten - Stadthalle in Immenstadt, einem Werk mit spröder Beton-Ästehtik von Architekt Emil Janner, das im fünfzigsten Jahr der Kulturgemeinschaft Oberallgäu zugunsten eines Verbrauchermarktes des Oberstdorfer Bauunternehmens Geiger getilgt werden soll. Laut Aussage von Gerd Bischoff, dem früheren Vorsitzenden der Kulturgemeinschaft, sei das 1969 eröffnete Gebäude ohne Zuschüsse und Kredite mit vielen Spenden aus der Bevölkerung errichtet worden, eine Tatsache allein, die alle Abriss-Enthusiasten schon bremsen sollte. Übrigens beinhalten die Geiger-Pläne, die ohne bisherige Bürgerbeteiligung in nicht-öffentlicher Sitzung dem Immenstädter Stadtrat präsentiert wurden, neben dem Verbrauchermarkt einen zweiten Gebäudetrakt im Süden und reduzieren damit den historischen Hofgarten auf eine schmale Promenade - ein städtebaulicher Fauxpas.
Vom Sinn und Unsinn des Bauens
'Neu bauen ist oft mit Verschwendung und Prestigesucht verbunden, immer teuer und oft unwirtschaftlich; es schadet der Umwelt und fördert die soziale Spaltung unserer Städte', so im Klappentext des Buches 'Verbietet das Bauen' von Daniel Fuhrhop zu lesen. Die Streitschrift stellt zwar in überspitzter, aber dennoch im Kern richtiger Weise einen Sachverhalt dar, der da lautet: Kein vorschneller Abriss ohne dezidierte Prüfung eines kreativen Umgangs mit der bestehenden Bausubstanz.
Juni 2019
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren des Memminger Stadtrates,
vor wenigen Tagen haben wir Ihnen ein druckfrisches Exemplar des Baukulturberichts 2018/19 mit dem Titel `Erbe – Bestand – Zukunft` postalisch zugesendet. Zu den Kernbotschaften darin zählt ganz zu Beginn der Broschüre die Handlungsempfehlung `Materielle und immaterielle Werte sichern! : (…) Der Gesellschaft kommt dabei die Rolle des Verwalters (…) für die nächste Generation zu. Diese Verantwortung ist als gemeinschaftliche Aufgabe von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft wahrzunehmen.`
Wenn die Stadt Memmingen diese Handlungsempfehlung ernst nimmt, müsste sie alles daran setzen, den auch in der Bevölkerung liebgewonnenen eisernen Fußgängersteg in Bahnhofsnähe aus dem Jahre 1889 zu erhalten und nicht wie aus der Memminger Zeitung zu vernehmen war, zu beseitigen. Nach Ansicht des architekturforum allgäu handelt es sich bei dieser genieteten Tragwerkskonstruktion um einen besonderen Zeitzeugen, der für kommende Generationen unbedingt bewahrt werden sollte. Auch in Kempten gibt es eine ähnliche Konstruktion aus dem gleichen Jahr über die Iller, die im Zuge des Baus des Iller-Wasserkraftwerks an der Keselstraße im Jahr 2011 saniert wurde und damit weiterhin einen wesentlichen Bestandteil des dortigen hochkarätigen Brückenensembles bildet. Wie Sie aus beiliegendem Artikel der FAZ vom 08.12.18 unter der Überschrift `Mut zur Brücke` entnehmen können, sind `genietete Stahlbrücken sind noch lange kein altes Eisen. Sie lassen sich mit etwas Aufwand erhalten. So werden manche auch zum Besuchermagneten.`
Wir bitten Sie als `Verein zur Förderung der Baukultur in der Region` hiermit, alles in Ihrem Einflussbereich Mögliche zu tun, um einen langfristigen Erhalt der der Memminger Fußgängerbrücke zu gewährleisten. Herzlichen Dank dafür!
Mit freundlichen Grüßen
Vorstand und Geschäftsführung des architekturforum allgäu e. V.
Das im vergangenen Jahr eingeweihte 'Grüne Zentrum' in Immenstadt zählt zu den wegweisenden Holzbauten unserer Region und wurde zu Recht u. a. beim internationalen Wettbewerb `Constructive Alps` kürzlich als eines der dreißig besten Gebäude im Alpenbogen ausgezeichnet. Und nun so etwas: Ein örtlicher Ex-Stadtrat, zugleich Vorsitzender einer potenten Stiftung, sorgte im widerspruchslosen Alleingang für die deplatzierte Aufstellung einer von einem Freund geschaffenen Figurengruppe direkt vor dem Haupteingang - und entwertet damit faktisch das Gebäude und dessen Inhalt. Die bekannte Allgäuer Volkskundlerin Ursula Winkler schreibt dazu: 'Die Darstellung ist nicht geeignet, die schwere, komplexe und gefährliche Arbeit der Holzfällung und Holzbergung zu vermitteln, weil mit den Sapins zwei mickrige Rundlinge bewegt werden, die sich jeder Waldarbeiter locker auf die Schulter gehoben hätte. Die technische und kulturelle Dimension einstiger Waldarbeit wird mit dieser Plastik eher lächerlich gemacht als gewürdigt.'
'Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul'
Wie konnte ein solches Missgeschick geschehen? Augenscheinlich wurde nach dem Kriterium 'Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul' verfahren. Dabei hätte es 'Kunst im öffentlichen Raum' durchaus verdient, nach Qualitätskriterien entschieden zu werden, kann diese doch zu einer wesentlichen Bereicherung für die Allgemeinheit beitragen und sogar identitätsstiftend wirken.
Qualitätsanspruch vordringlich
Um einen solchen Qualitätsanspruch gerecht zu werden ist es unserer Ansicht nach immer hilfreich, sich kompetenter Entscheider und eines transparenten Auswahlverfahrens zu bedienen, so wie es z. B. beim 'Kunst am Bau' - Wettbewerb beim neuen 'Grünen Zentrum' in Kaufbeuren erfolgte. Insgesamt zehn namhafte Künstler waren eingeladen, Ihre Vorschläge einer Fachjury zu unterbreiten. Im Ergebnis findet sich an der Spitze ein feinsinniger Entwurf, der sowohl mit der Architektur des Gebäudes arbeitet als auch dessen Nutzungsinhalt geistreich kommentiert. Ein Quantensprung zur belanglosen Figurengruppe in Immenstadt, die zudem in naher Zukunft in Konkurrenz tritt zur wenige Meter entfernten Gestaltung der Kreiselmitte - leider insgesamt ein unglücklicher Eindruck, der sich dort am nördlichen Stadteingang einstellen wird.
'Kunst im öffentlichen Raum' als kulturelles Aushängeschild
Dabei stellt 'Kunst im öffentlichen Raum' eigentlich eine große Chance dar als ein kulturelles Aushängeschild unserer Region zu wirken. Kunstwerke am Bau, Brunnen, Kreisel-Kunst und dgl. hätten - fachkundig entschieden und auf hohem Niveau inhaltlich und formal gestaltet - das Potential für das 'Salz in der Suppe' beim Erscheinungsbild des Allgäus zu sorgen. In vorbildlicher Weise hat dies z. B. die Gemeinde Irsee erkannt und mit ihrem Kunst- und Kulturpfad sogar ein touristisches Kleinod geschaffen. Hier haben lokale Künstler in gemeinsamer Abstimmung individuell auf spezifische Orte reagiert und mit Ihren zeitgenössischen Werken entscheidend zur innerörtlichen Identität beigetragen. Ermöglicht wurde dies von einem kunstsinnigen Gemeinderat - wobei wir bei einem zentralen 'Knackpunkt' wären, nämlich bei 'einer Fehlentwicklung, deren Ursache in der fehlenden kulturellen Bildung von Entscheidungsträgern zu suchen ist', wie es Gerhard
Menger, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) Schwaben-Süd treffend formuliert.
Beratungsstelle wünschenwert
Genau hier sollten die gemeinsamen Bemühungen der Allgäuer Künstler und Architekten ansetzen: als Anlauf- und Beratungsstelle für all diejenigen zu fungieren, die vor solchen Aufgaben der 'Kunst im öffentlichen Raum'
stehen, das Gespräch im Vorfeld suchen und auch entsprechende Bildungs- und Fortbildungsaufgaben wahrnehmen. Anderenfalls werden in Zukunft wahrscheinlich solche banalen Ausreißer wie vor dem 'Grünen Zentrum' in
Immenstadt zur Normalität werden.
Mai 2018
'Wenn Städte und Gebäude einladend wirken sollen, muss das menschliche Maß wieder mehr berücksichtigt werden. Dies ist die schwierigste und sensibelste städtebauliche Disziplin. Wird dieser Aspekt jedoch vernachlässigt oder falsch gehandhabt, hat das Stadtleben keine Chance. Die weithin praktizierte Planung von `oben und außen` muss neuen Planungsverfahren von `unten und innen` weichen, und zwar nach der Devise: erst das Leben, dann der Raum und zuletzt die Bauten', so der weltweit renommierte Stadtplaner Jan Gehl in seinem wegweisenden Buch 'Städte für Menschen.'
Weg des von 'oben und außen' All diese Kriterien wurden leider bei der Entwicklung des Memminger Bahnhofsviertels weitgehend vernachlässigt. Vor acht Jahren entschied sich der Rat der Stadt mehrheitlich dafür den Weg des von 'oben und außen' zu beschreiten und sich auf die Suche nach mehreren Investoren zu machen, um das städtebaulich bedeutsame Areal am östlichen Innenstadteingang zu entwickeln - ein Pfad, dessen Folgen nunmehr zu Tage treten. Nachdem jahrelang in der Öffentlichkeit nichts zum Sachstand kommuniziert wurde, stimmte der Memminger Stadtrat in seiner Sitzung vom 05.02.2018 für eines der beiden übrig gebliebenen Konzepte und beauftragte den niederländischen Investor Ten Brinke Group mit der weiteren Entwicklung.
Entscheidung zwischen Pest und Cholera Eine Entscheidung ohne wirkliche Wahlmöglichkeit, wenn man sich die beiden Investoren-Vorschläge näher ansieht: Lebendige Städte weisen immer eine ausgewogene Nutzungsmischung auf, während hier fast zu 100% Gewerbe und Büroflächen realisiert werden sollen, die das wichtige und auch für Memmingen vordringliche Thema des Wohnens praktisch gänzlich außen vor lassen. Beide in ihrer gestalterischen Ausprägung fragwürdige Investoren-Entwürfe wollen das Gebiet flächendeckend dem Erdboden gleich machen - und das obwohl der Historische Verein seit Langem auf etliche geschichtsträchtige Einzelobjekte im Quartier hingewiesen hat, die es wert gewesen wären, in ein Gesamtkonzept integriert zu werden, um so ein Fortschreiben der Stadtgeschichte ablesbar zu machen.
Vorbild Innenstadtentwicklung nicht fortgeführt Überhaupt wundert man sich, warum die großartige und (inter-)national gelobte Memminger Innenstadtentwicklung um Schrannen-/Elsbethenplatz und Fußgängerzone nicht als Vorbild dient für die Entwicklung des Bahnhofareals und statt dessen eine Vorgehensweise präferiert wird, die schon beim Maxi-Center in den 70er Jahren zur Realisierung eines bis in unsere Tage schwierigen Stadtbausteines geführt hat. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang, dass die Ten Brinke Group Ende vergangenen Jahres ihr noch im Bau befindliches Fachmarkt-Zentrum auf dem Forettle-Areal in Kaufbeuren bereits wieder an einen internationalen Fonds-Betreuer weiterverkauft hat. Soviel zur Ortsverbundenheit und dem tatsächlichen Interesse auswärtiger Investoren an einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Verzicht auf externe Beratung Sicherlich hätte ein Gestaltungsbeirat, den sich die Stadt Memmingen im Gegensatz zu Kempten, Kaufbeuren und Sonthofen (noch) nicht leistet, rechtzeitig zum Vorgehen in Sachen Bahnhofsareal konstruktive Empfehlungen ausgesprochen. Ein noch während der entscheidenden Stadtratssitzung ins Gespräch gebrachter Antrag, ein projektbezogenes externes Beratungsgremium zu installieren, wurde knapp abgelehnt. Auch zwei öffentliche Vorträge des architekturforum allgäu, die im vergangenen Jahr deutlich auf die Problematik der praktizierten Vorgehensweise hingewiesen haben, verhallten leider ungehört. Schade, denn Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert sollte im Sinne von Jan Gehl anders angegangen werden, nämlich von 'unten und innen' und zukünftig auch in Memmingen wieder Berücksichtigung finden.
Nutzflächen Ten Brinke Group Gesamt 11 506 m2, davon Wohnen 769 m2
März 2018
'Do muas ma halt amol durch', so der Kabarettist Gerhard Polt lakonisch zu den Gewerbegebieten in seiner 'Wegbeschreibung', die es zu passieren gilt, bis man in 'Fast wie im richtigen Leben' seine Reihenhausanlage im Grünen erreicht - eine treffende Charakterisierung der unzähligen Industrieareale, die sich landesweit in den letzten Jahren zumeist an den Siedlungsrändern am Übergang zur freien Landschaft ausgebreitet haben. Wesentlich beschleunigt wurde diese Entwicklung mit dem neuen Landesentwicklungsprogramm Bayern 2013, das zusammen mit seiner 2018 in Kraft tretenden Überarbeitung eine schrittweise Lockerung des sog. Anbindegebotes erlaubt. Dadurch können Gemeinden nahezu uneingeschränkt selbst entscheiden, wo in freier Landschaft sie ihre Gewerbegebiete platzieren wollen.
Notwendiges Übel Normalerweise werden diese gebauten Strukturen als notwendiges Übel erachtet und ohne Gestaltungsanspruch und außenräumliche Qualitäten realisiert - Hauptsache, Grundstückspreise und Erstellungskosten sind niedrig und eine gute verkehrliche Anbindung ist gegeben. Resultat sind Konglomerate, die sich in unsere Landschaften fressen und eigentlich als Unorte empfunden werden. Nicht von ungefähr verlassen Beschäftigte Ihre Arbeitsstätten fluchtartig, um z. B. ihre Mittagspausen zu verbringen, die Verödung von Gewerbegebieten nach Feierabend und an Wochenenden spricht Bände.
Fehlende Aufenthaltsqualitäten Warum ist das so? Die Antwort ist einfach: Weil in Gewerbegebieten jegliche Aufenthaltsqualität fehlt. Monofunktionale Strukturen, meist mit einem Übermaß an Verkehrsflächen, kaum Durchgrünung, die Nicht-Existenz gemeinschaftlicher öffentlicher Räume und eine kunterbunte Vielfalt beim Einzelobjekt, von unmäßigen Werbeanlagen und Nebenbaukörpern ganz abgesehen. Man fragt sich als sensibler Zeitgenosse schon, welche Altlasten wir den nachfolgenden Generationen auf der grünen Wiese hinterlassen und ob denn nicht die für unser Wirtschaften notwendigen Flächen auch etwas nachhaltiger und verträglicher gestaltet werden könnten.
Vorbild Bregenzer Wald Im benachbarten Bregenzer Wald etwa wird genau darauf Wert gelegt - auch sprechen touristische Gründe für eine intakte Kulturlandschaft. Zwei Gedanken spielen hier eine zusätzliche Rolle: Einmal die Überlegung, dem absurden Grundstücks-Preiswettbewerb der Einzelgemeinden durch interkommunale Gewerbegebiete zu begegnen, bei denen die Gewerbesteuereinnahmen nach einem Schlüssel aufgeteilt werden oder zum anderen der schonende Umgang mit Grund und Boden etwa durch eine mehrgeschossige Bauweise.
Studienarbeiten an der Hochschule Augsburg Zum ersten Mal in der deutschen Hochschullandschaft haben sich Architektur-Studierende der Hochschule Augsburg im Sommersemester 2016 Gedanken über eine qualitätvolle Konzeption eines Gewerbegebietes im Allgäu gemacht und sind dabei auf eine Reihe von Aspekten gestoßen, die einfach umzusetzen wären, wenn sich gesellschaftlich die Erkenntnis durchsetzen würde, dass es durchaus Sinn macht, Gewerbegebiete auch schön zu gestalten. Der schwäbische Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl spricht von einem 'in jeder Hinsicht bemerkenswerten Projekt', das 'eine völlig neue Planungsqualität für ein Gewerbegebiet darstellt. (...) Ein Gewinn für Schwaben', wenn in solch einer 'angemessenen, dem Ort geschuldeten Bescheidenheit gearbeitet wird.'
August 2017
'Wir brauchen dringend neue Einfamilienhaus - Siedlungen, vor allem für unsere jungen Familien'. Nahezu jede/r Bürgermeister/in der 164 Allgäuer Städte und Gemeinden lässt mantra-artig diesen Satz verlauten. Noch immer scheint das freistehende Einfamilienhaus der Traum der meisten Deutschen zu sein, was auch die jüngsten Zahlen des neuen Baukulturberichts der Bundesstiftung Baukultur belegen (> siehe Info - Kasten). Dessen Vorsitzender Rainer Nagel postuliert demgegenüber jedoch: 'Neubaugebiete sind Unsinn'.
Das Einfamilienhaus - ein Auslaufmodell Warum aus berufenem Munde diese Aussage? Beim Einfamilienhaus handelt es sich zweifelsohne um die teuerste und unökologischste Wohnform überhaupt. Explodierende Boden- und Baupreise führen zu hohen Verschuldungen, die gerade für junge Bauherren einzig durch die momentan günstigen Bauzinsen kompensierbar erscheinen. Maximale Außenwandflächen mit Einzelheizungen zeugen per se von wenig Energieeffizienz. Zumeist überdimensionierte Grundstücke mit hohem Erschließungsaufwand für Verkehrsanbindung und Infrastruktur tragen das ihre dazu bei. Überhaupt erweist sich der ungebremste Flächenverbrauch, zu dem Neubausiedlungen auch im Allgäu nicht unerheblich beitragen, als das eigentliche Dilemma: Die Speckgürtel um unsere Dörfer und Städte wachsen immer mehr, während die historischen Ortskerne zunehmend vernachlässigt werden und mehr und mehr verarmen. Die Wissenschaft spricht längst vom sog. 'Donut - Effekt', der den früher gut funktionierenden 'Krapfen' verdrängt hat. Daher sollte eigentlich wieder die Maxime gelten: Innenentwicklung statt Außenentwicklung!
Beitrag zur Baukultur? Neben all diesen objektiv feststellbaren Kriterien darf die Frage erlaubt sein, welchen Beitrag die Einfamilienhaus-Siedlungen unserer Generation zur Baukultur überhaupt liefern? Lebensqualität im Sinne eines funktionierenden öffentlichen Raums und damit eines guten sozialen Miteinanders: Fehlanzeige! Werden Neubausiedlungen in unserer Zeit doch meist nicht wie früher von berufenen Fachleuten konzipiert, sondern in Ihrer Gesamtanlage bereits ohne die richtigen Weichenstellungen von Planern abgewickelt, die von Beginn an jeden Anspruch vermissen lassen. Wehmütig kann man an die vorbildlichen Gartenstädte der Jahrhundertwende denken, die nach über hundert Jahren nichts von Ihrer Anziehungskraft verloren haben.
Überzogener Individualismus Bei genauerer Betrachtung könnte man vieles von diesen Siedlungen lernen: Instrumente wie Gebäudeverdichtung, sinnvoll definierte Frei- und Grünräume, gemeinschaftliche Anlagen, Funktionsdurchmischung - alles in allem ein sehr lebendiger Organismus, zu dessen Herstellung wir seit Nachkriegszeiten leider nicht mehr fähig sind. Längst hat sich ein überzogener Individualismus ausgebreitet, Bauherrinnen und Bauherren schauen zumeist noch egozentrisch auf sich und nicht mehr nach links und nach rechts. Das Bewusstsein, Teil eines Gesamtgefüges zu sein scheint verloren gegangen. Wenn die persönliche Einsicht fehlt, vermögen Instrumente wie Gestaltungssatzungen im Übrigen auch keinen Beitrag dazu zu leisten. Die Verantwortung, mit seinem Gebäude Teil einer Hauslandschaft zu sein, die früher individuell jede Region prägte, ist nahezu verschwunden.
Gesamtgesellschaftliche Erkenntnis notwendig Bedenkt man den demographischen Wandel, dann produzieren wir jetzt den Leerstand von morgen mit unseren Neubausiedlungen. Künftiger flächendeckender Abriss nicht ausgeschlossen - Nachhaltigkeit sieht anders aus. In der Schweiz etwa hat sich diese Erkenntnis bereits seit einiger Zeit gesamtgesellschaftlich durchgesetzt: In einem Volksentscheid stimmten im Frühjahr 2013 zwei Drittel der Eidgenossen für ein revidiertes Raumplanungsgesetz, das die Neuausweisung von Siedlungen (und Gewerbegebieten) 'auf der grünen Wiese' nahezu ausschliesst. Siedlungsraum ist nun einmal begrenzt und auch viele Tourismusregionen sind mittlerweile derart zersiedelt, dass eine gewisse Schmerzgrenze erreicht ist. Bleibt sehr zu wünschen, dass sich diese Überzeugung in großen Teilen der Bevölkerung langfristig auch im Allgäu breitmacht.
August 2017
Reaktivierung des historischen Pumpenhauses durch öffentliche Nutzung
Nachdem das Kemptener Gaswerk am Fuße der Burghalde im Jahr 1857 in Betrieb genommen wurde, übernahm die Stadt kurz vor der letzten Jahrhundertwende die Fabrikanlagen, die der Produktion von Holzgas u. a. für die 7000 Brennstellen der städtischen Gasbeleuchtung diente. Im Juli 1914 reichte der bekannte Architekt Ambros Madlener (1869 – 1956) Pläne für ein Gebäude zwischen den beiden großen Hochbehältern zur Genehmigung ein, in denen die Regler für die Gasturbinen Platz finden sollten. Das seither so genannte Pumpenhaus weist in seinem Inneren zwei Nutzungsebenen auf: Zum einen einen Raum im Untergeschoss, das ca. 1,6 m über das angrenzende Terrain hinausragt und zum anderen das ca. 125 m2 große und bis zu 5,8 m hohe Erdgeschoß mit umlaufendem Holztäfer. Hinter einer hölzernen Dachdeckenabhängung verbirgt sich das filigrane eiserne Dachtragwerk des charaktervollen Bauwerks. Bedingt durch die Beseitigung der gesamten Fabrikanlagen in den 1980er Jahren ist das ehemalige Pumpenhaus das letzte noch verbliebene Gebäude, das an die Geschichte dieser bedeutenden Kemptener Industriekultur erinnert.
Seit über 30 Jahren gab es die verschiedensten Nutzungsüberlegungen für das solide Gebäude, die jedoch alle nicht weiterführten und das Pumpenhaus in einen regelrechten Dornröschenschlaf versetzte. Erst im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) wurde bei den vorbereitenden Untersuchungen im Fokusgebiet `Erweiterte Doppelstadt` im Jahr 2015 eine Nachnutzung des ehemaligen Pumpenhauses wieder thematisiert: `Das Pumpenhaus stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen der Burghalde und dem neuen Altstadtpark an der Iller dar (…) Ideen zur Weiternutzung des Pumpenhauses wurden bereits diskutiert, es sollte nun die Umsetzung einer Maßnahme angestrebt werden.` Nachdem sich in der ersten Jahreshälfte 2016 Anfragen von Privatinteressenten für den Erwerb des Gebäudes häuften, wurden auch Stimmen lauter, die eine öffentliche Nutzung des Pumpenhauses forderten.<br/>Ein Initiativ-Kreis bestehend aus den Freunden der Altstadt Kemptens, dem architekturforum allgäu, dem Heimatverein Kempten und aus verschiedenen Quartiersbewohnern unter der Burghalde bat daher im Herbst 2016 den Liegenschaftsausschuss der Stadt Kempten, eine Veräußerung an Privatpersonen auszusetzen. Dies wurde am 18.10.16 unter der Maßgabe beschlossen, dass die Initiativ-Gruppe binnen eines Jahres der Stadt Kempten ein grobes Nutzungs- und Betreiberkonzept vorlegt. <br/>Mit dieser ehrenamtlichen Aufgabe konnte jedoch erst intensiver begonnen werden nachdem die Frage der Schadstoffbelastung geklärt ist. Dazu beauftragte die Stadt Kempten auf Betreiben der Initiativ-Gruppe das Büro Dr. Danzer mit einer `orientierenden Gebäudesubstanz- und Raumluftuntersuchung`. Seit Spätsommer 2017 liegen dessen Ergebnisse vor, die im Kern besagen, dass lediglich mäßige Verunreinigungen festzustellen sind, denen mit Ausbau von bestimmten Wand- und Bodenoberflächen in einer Größenordnung von ca. 12 Tsd. Eur zu begegnen ist. Mit dieser Erkenntnis konnte die Initiativ-Gruppe ihre Arbeit voll aufnehmen und wird die Arbeitsergebnisse am 17. Januar 2018 unserem Oberbürgermeister Thomas Kiechle persönlich vorstellen. In insgesamt acht Arbeitskreistreffen ist dabei ein umfangreicher `Bericht mit Untersuchung möglicher Nutzungsszenarien` entstanden. Die vier ins Auge gefassten Nutzungsszenarien
. Sozial | Raum
. Aktions | Raum
. Kultur | Raum
. Bildungs | Raum
wurden einer Bewertungsmatrix mit einem Dutzend an Kriterien unterzogen, aus denen sich mögliche Betreiberkonzepte herauskristallisieren. Für diese wurden dem Initiativ-Kreis auch bereits einige konkrete Zusagen in Aussicht gestellt. Unabhängig davon konnte die Initiativ-Gruppe für die notwendigen Sanierungsarbeiten eine ungefähre Kostengröße von 350 Tsd. Eur ermitteln, was sich mit den Kostenangaben in der oben erwähnten Voruntersuchung `Erweiterte Doppelstadt` deckt. Bleibt zu wünschen, dass es gelingt, das `Dornröschen` Pumpenhaus wach zu küssen und das große Potential, das dem Gebäude im Stadtgefüge zwischen Burghalde, Altstadtpark und den Illerstufen des Projekts `Iller erleben` innewohnt, zu aktivieren.
fs / 08.12.17
Quelle: Der Altstadtbrief Nr. 44 / 2017 Seite 18, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
Florian Aicher, Architekt:Anspruchsvoll und naheliegend
Mal wieder: der “Löwen” in Oy-Mittelberg. Am vergangenen Samstag fand auf Einladung des ortsansässigen Bildhauers Robert Liebenstein und des architekturforum allgäu ein Stammtisch im dortigen Kurhaus statt und rund 100 Interessierte fanden sich ein - einige Ferngereiste, die Mehrheit aus der Gemeinde.
Das allein ist schon bemerkenswert. Da ringt eine Gemeinde darum, was sie mit diesem außergewöhnlichen Haus im Ortszentrum anfangen soll – und das nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder und seit langem. Bei aller Differenz im Einzelnen wurde an diesem Nachmittag deutlich: Man schätzt in der Gemeinde den besonderen Wert dieses Gebäudes.
Auch das ist – leider immer noch – etwas Besonderes. Noch immer wird das Allgäu, gerade von der Fremdenverkehr-Werbung, in diesen Farben gemalt: grüne Wiesen und blaue Bergen und da ein Barockkirchlein und dort ein altes Bauernhäusle und über allem strahlt die Sonne. Dabei ist die Kulturlandschaft des Allgäu in stetem Wandel begriffen und hat im 20. Jahrhundert wichtige neue Impulse erhalten – Beispiel „Löwen“. Doch die Perlen, die man hierzulande besaß, hat man achtlos verschleudert – das Kinderheim von Welzenbacher, Postbauen Vorhoelzers, Werke von Fischer und Thiersch findet man in der Fachliteratur, vor Ort sind sie dem Erdboden gleichgemacht. Man achtet nicht, was man da hat – die Präsenz von Prominenz beim Stammtisch am Samstag in Oy passt ins Bild.
Dabei ging’s durchaus zur Sache. Robert Lichtenstein führte engagiert durch den Nachmittag, unterstützt durch den jungen Maximilian an der Quetsche. Bürgermeister Theo Haslach referierte zum Stand der Debatte um das Haus, die nun bald ins zehnte Jahr geht. Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl gab einen Überblick über die Allgäuer Baukultur und zeigte die Bedeutung des „Löwen“ für die hiesige Baugeschichte auf. Dr. Dieter Weber machte mit dem Bau, dem Werk des Architekten und der Person Andor Akos vertraut – in den zwanziger Jahren einer der großen Namen im ländlichen Bauen Süddeutschlands. Bemerkenswert, dass Oy einst die wahrscheinlich größte Dichte an Akos-Bauten besaß und mit dem „Löwen“ eine Ikone dieser Baugesinnung; hier kam Akos seinem Ideal vom Bau als Gesamtkunstwerk nahe.
Die Gemeinde hat mit diesem Erbe gerungen. Auf dem Weg lag die Neubesinnung auf die Ortsmitte und die Absicht, das Rathaus dort zu belassen. Auf dem Weg lag die Preisgabe des „Löwen“ und der Versuch, über einen Architekten-Wettbewerb zu einem Rathausneubau an dessen Stelle zu kommen. Auf dem Weg lag die Erkenntnis, dass was da herauskam, keiner in der Gemeinde wirklich mag. Wichtige Einsichten, die die Frage aufwerfen: Was tun?
Naheliegend, den „Löwen“ umzurüsten für ein neues Rathaus. Machbarkeitsstudien wurden angestellt, Kostenschätzungen eingeholt, Baufachleute konsultiert. Der seit 30 Jahren mit Denkmälern befasste Dr. Peter Fassl stellt fest: „Unter all den Bauten, die ich als Denkmäler gerettet habe, gehört der Zustand des Löwen vergleichsweise zum besten.“
Da liegt der Hase im Pfeffer. Die sehr angeregte Diskussion dreht sich um die Frage: Lässt sich dieses Gebäude sanieren? Heftiger Einspruch einer Reihe von Diskutanten, die sich als Bauleute vorstellten. Der Schimmel, die Feuchtigkeit, das kriege man nie weg; Sanierungskosten laufen immer aus dem Ruder; Brandschutz, Behindertengerechtigkeit, moderne Räumlichkeiten seien nicht hinzubekommen; ebenso wenig die Verbreiterung eines Gehweges um 2 Meter. Immerhin: Aus Respekt vor der besonderen Architektur befürwortet man Abbruch und Neubau, gleichartig und geringfügig versetzt.
Dem gegenüber führt Dr. Fassl eine Reihe gelungener Beispiele in Schwaben ins Feld, die besichtigt werden können; Beispiele für chemiefreie Gebäudesanierung werden genannt; ob die Kosten von Neubauten mehr Bestand haben, bleibt offen; ob ein Bauwerk, das ein Menschenalter auf dem Buckel hat, genauso wieder aufgebaut werden könne, wird bestritten (von der Sinnhaftigkeit ganz zu schweigen). Grundlegend aber gilt: unser Ort, unsere Identität, unsere Heimat – das sind Landschaft, Häuser, Geschichte. Geschichte der Häuser, Menschen in und mit den ihnen – das lässt sich nicht austauschen.
Gerade ein so herausragendes Beispiel für die Baukultur einer Epoche, die zur Geschichte des Landes zählt wie jede andere auch, steht nicht einfach zur Disposition. Warum nicht tun, was nahe liegt: Das Haus auf heutigen Standard heben, es sinnvoll nutzen, und so einen lebendigen, geschichts-trächtigen und einmaligen Ort stärken!
Dokumentation der Preise, Anerkennungen und Ausgewählten Arbeiten mit Fotos, Plänen, Erläuterungen, Juryurteilen sowie der weiteren eingereichten Projekte
"Bereits zum vierten Mal nach 2005, 2009 und 2013 verleiht das Architekturforum Allgäu den mittlerweile renommierten Baupreis Allgäu, um damit vorbildliche zeitgenössische Beiträge zur regionalen Baukultur zu würdigen. Ein weiteres Ziel ist dabei, potentielle Bauherrinnen und Bauherren durch gute, alltagstaugliche Beispiele zu animieren, eine möglichst hohe Gestaltqualität bei eigenen Vorhaben zu realisieren - schließlich baut niemand für sich allein und ist immer der gesamten Gesellschaft verpflichtet. Im Idealfall trägt die Summe des Gebauten entscheidend zu einer stimmigen regionalen Identität bei und schenkt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ein unverwechselbares Gefühl von Heimat."
Franz G. Schröck, Geschäftsführer architekturforum allgäu, im Vorwort
Die Broschüre kann beim Herausgeber zum Preis von 4,90 € zuzüglich Versandkosten bestellt werden
Mit dem Führer „P 059 – P 117, Architektur im Allgäu 2006 – 2015“ bringt das Architekturforum Allgäu nun den zweiten Band zum Neuen Bauen in der Region heraus ...
Wieder sind es Wohn- und Geschäftshäuser, Schulen, Industriegebäude, Bauten für Infrastruktur, öffentliche Plätze oder Einrichtungen für Tourismus und Freizeit, die von einer Fachjury ausgewählt wurden. Auch Umnutzungen oder Projekte, die aus bürgerlichen Initiativen entstanden sind, werden zur Besichtigung empfohlen. Das Buch ist wieder so gestaltet, dass es seine Leser an interessante Orte der aktuellen Baukultur führt, aber auch einen guten Eindruck über das Bauen der letzten zehn Jahre bei der Lektüre zu Hause vermittelt. Der erste vor zehn Jahren erschienene Band überraschte mit neuen und frischen Ansätzen, der aktuelle Band erfüllt nun die damals an die Weiterentwicklung der Allgäuer Architektur-Szene geweckten Erwartungen auf überzeugende Weise. Eingeführt wird der Band von Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl mit Anmerkungen zum Bauen im Allgäu. Prof. Christian Wagner fordert örtliche Identität, Gerhard Pahl beschreibt den "Lebenslauf" einer Brücke und Jurymitglied Andreas Flora gibt einen Einblick über die Auswahlkriterien für diesen Architekturführer.
P 059 – P 117 Architektur im Allgäu 2006 – 2015
Format 142/180 mm 208 Seiten zahlreiche Pläne und farbige Fotos 19,80 EUR/22,65 CHF ISBN 978-3-95976-093-5 Kunstverlag Josef Fink
Wir freuen uns über Ihre Bestellung unter info@architekturforum-allgaeu.de und senden Ihnen gerne die gewünschte Anzahl an Exemplaren gegen Rechnung zu!
Blickt man vom Grünten, dem `Wächter des Allgäus` hinunter ins Illertal Richtung Norden und vergleicht die Situation mit dem Weichbild der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, so stellt man eine dramatische Veränderung unserer in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft fest: Die Vereinnahmung von Grund und Boden für bauliche Zwecke hat ungeahnte Ausmaße angenommen und setzt sich ungebremst fort: Nach Angaben des Bund Naturschutz werden nach wie vor im Allgäu täglich 2 ha versiegelt, seit 1970 hat sich die bebaute Fläche schlichtweg verdoppelt! Laut Angaben der Bundesstiftung Baukultur beträgt der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland 69 ha, was ca. 100 Fußballfeldern entspricht. Ein `Bündnis zum Flächensparen`, das in Bayern seit 2003 versucht, den Landschaftsfraß einzudämmen hat sich als reine Makulatur erwiesen und soll mittlerweile aufgekündigt werden.
Ungebremste Zersiedlung Das wichtigste Instrument der Landesplanung in Bayern stellt das sog. Landesentwicklungsprogramm (LEP) dar, mit dessen Hilfe die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in verträglicher Weise ihren Niederschlag in der gebauten Umwelt finden sollten. Es müssten sich also Regeln darin finden, wie unsere Kulturlandschaften für Einheimische und Gäste bewahrt und sinnvoll und nachhaltig für die Zukunft weiterentwickelt werden können. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Bereits erste Lockerungen des sog. Anbindegebotes, also der Anlage neuer Baugebiete im Ortszusammenhang, im gültigen Landesentwicklungsprogramm von 2013 führen die Auswirkungen drastisch vor Augen: Immer mehr Neubausiedlungen und Gewerbegebiete sprießen krebsartig aus dem Boden und besetzen in autistischer Weise unsere Heimat.
Weitere Lockerung des Anbindegebotes Bei der derzeit sich im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Überarbeitung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) wurde eine weitere Lockerung des Anbindegebotes im Frühjahr 2017 bereits vom Bayerischen Kabinett beschlossen und soll nach der Sommerpause auch vom Landtag abgesegnet werden, sodass ab 1. Januar 2018 die Bayerischen Gemeinden - vereinfacht ausgedrückt - weitgehend selbst entscheiden dürfen, wo in freier Landschaft gebaut werden darf. Dieser gesetzliche `Segen` wird der Zersiedlung auch im Allgäu weiter Vorschub leisten, zumal gestalterische Aspekte bei der Anlage von Einfamilienhaus - Siedlungen und Gewerbegebieten sowieso kaum mehr eine Rolle spielen.
Einwände bleiben ungehört Nahezu sämtliche relevanten bayerischen Verbände und Organisationen haben sich seit geraumer Zeit gegen die Neufassung des LEP in der vorliegenden Form ausgesprochen und ihre massive Kritik z. B. bei mehreren Anhörungen im Bayerischen Landtag kundgetan - die Einwände wurden jedoch bis dato ignoriert, vermutlich um den Bürgermeister/innen im Land auf diese Art und Weise weitest gehende Freiräume zu gewähren. Allen voran forciert das Bayerische Heimatministerium die betrübliche Entwicklung - genau die Behörde, die der Schutz unserer Kulturlandschaft doch am meisten am Herzen liegen sollte.
Intaktes Gesamtgefüge des Allgäuer Siedlungsraumes in Gefahr<br/>Gäste von Auswärts, die unsere Heimat besuchen, sogar diejenigen aus den vielgepriesenen Modellregionen Bregenzer Wald, Graubünden oder Südtirol, loben einhellig das noch intakte Gesamtgefüge des Allgäuer Siedlungsraumes, das jedoch beschleunigt durch die Neufassung des LEP zu kippen droht. Langfristig wird darunter auch in entscheidendem Maße der Tourismus - einer der Haupteinnahmequellen im Ober- und Ostallgäu - leiden.
Neue Ansatzpunkte bei der Weiterentwicklung des LEP Eine Projektgruppe der Bayerischen Architektenkammer versucht übrigens seit Kurzem Impulse für ein neu gedachtes LEP zu geben. Das Konzept `LEP neu denken` soll zukünftig insbesondere bei der Raum- und Flächenplanung und bei der Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Akteuren in der Praxis auf kommunaler, regionaler und auf Landesebene als Handlungsleit- faden dienen.
August 2017
Von 24. Juli bis 25. September 2017 können Bauherren und ihre Planer Projekte unter http://www.baupreis-allgaeu.de/ hochladen.
Bereits zum vierten Mal nach 2005, 2009 und 2013 lobt das architekturforum allgäu in diesem Jahr den inzwischen renommierten `baupreis allgäu` aus.
Für die Jury, die am 10. November tagen wird, konnten wir folgenden Personenkreis gewinnen:
Katja Aufermann, Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin, München Bernardo Bader, Architekt, Dornbirn / Österreich Ralf Baur, Baureferent der Stadt Marktoberdorf, Ostallgäu Dr. Peter Fassl, Heimatpfleger des Bezirks Schwaben, Augsburg Eva Maria Herrmann, Architektin und Journalistin, München Konrad Merz, Tragwerkplaner, Dornbirn / Österreich Prof. Florian Nagler, Lehrstuhl für Baukonstruktion, TU München Stellvertreter: Mathias Rothdach, Stadtplanungsamt Memmingen
Die Preisverleihung im Kemptener Kornhaus findet am Freitag, den 23. Februar 2018 statt.
Schirmherr des `baupreis allgäu 18` ist Thomas Kiechle, Oberbürgermeister der Stadt Kempten
Wir freuen uns auf eine rege Beteiligung!
- Anton Klotz, Landrat Oberallgäu
- Armin Schaupp, Bürgermeister Immenstadt
- Bischof Konrad Zdarsa, Diözese Augsburg
- Kirchenverwaltung St. Nikolaus, Immenstadt
- Dr. Peter Fassl, Bezirksheimatpfleger Schwaben
- Heimatbund Allgäu und weitere
Sehr geehrte Damen und Herren,
"Es ist erforderlich, dass die öffentlichen Plätze, das Panorama und die urbanen Bezugspunkte gepflegt werden. Denn sie lassen in uns den Sinn der Zugehörigkeit, das Gefühl der Verwurzelung und den Eindruck wachsen „zuhause zu sein“(…) Aus demselben Grund ist es sowohl für das städtische als auch für das ländliche Umfeld angebracht, einige Orte zu bewahren, in denen menschliche Eingriffe, die sie ständig verändern, vermieden werden."
So die mahnenden Worte von Papst Franziskus in Abschnitt 151 seiner 2015 erschienenen Umwelt-Enzyklika ´Laudato si’.
Was sich seit einigen Monaten auf dem Kirchbichl in Immenstadt-Bühl zuträgt spricht eine andere Sprache. Tragisch ist schon, dass das markanteste Gebäude auf dem Kirchbichl, die alte `Straußen-Wirtschaft` im vergangenen Frühjahr abgerissen wurde, ohne dass Vorschläge zur Nachnutzung Gehör fanden – stattdessen wurde ein großer Parkplatz mitten im historischen Gebäudeensemble angelegt. Aus städtebaulicher Sicht ist zu wünschen, dass über kurz oder lang die entstandene Lücke mit einem angemessenen Baustein neu besetzt wird.
Doch die Zerstörung einer in Jahrhunderten gewachsenen Gebäudefamilie, von denen etliche Teile unter Denkmalschutz stehen, droht sich in naher Zukunft fortzusetzen: Auch die vielen Bühlern ans Herz gewachsene `Alte Schule` soll in den nächsten Monaten dem Erdboden gleich gemacht werden, bevor eine bestehende Abbruchgenehmigung ausläuft, die vor drei Jahren entgegen anderslautenden Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz und der unteren Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt Oberallgäu durch den damaligen Landrat verfügt wurde. Dabei schreibt das Denkmalschutzgesetz vor, dass Baudenkmäler wie die `Alte Schule` nur abgerissen werden dürfen, wenn eine Sanierung nicht machbar oder zumutbar ist und eine adäquate neue Nutzung ausscheidet. Beide Faktoren treffen für die `Alte Schule` nicht zu.
Unabhängig davon erachten wir das grundsätzlich intakte Gebäude als wertvollen Baustein unserer Allgäuer Baukulturlandschaft, als eines der vielen atmosphärischen Häuser, die unserer Region Individualität und Charakter verleihen, was nicht zuletzt zu ihrer Popularität bei Touristen beiträgt. Werden diese Bauwerke ohne Not eines ums andere beseitigt, verliert das Allgäu in einem schleichenden Prozess seine Identität, die gerade erst bei der 1200 Jahr-Feier in Oberstaufen immer wieder beschworen wurde.
Der Schlüssel zum Erhalt der ´Alten Schule` liegt bei der Katholischen Kirchenverwaltung
St. Nikolaus. Sie hat es in der Hand, einen einprägsamen Ort zu bewahren oder dauerhaft entscheidend zu verändern. Es wäre dringend zu empfehlen, zwei Varianten dezidiert zu untersuchen und vor einer endgültigen Entscheidung unvoreingenommen miteinander zu vergleichen: Einerseits nach gründlicher Substanzanalyse die notwendigen Funktionen der Dorfgemeinschaft in die ´Alte Schule` zu integrieren und dieser Möglichkeit andererseits einen Neubau gegenüberzustellen. Im Vorfeld wären Kriterien zu definieren, anhand derer beide Varianten (auch hinsichtlich Kosten und Bezuschussung) geprüft werden. Wir sind überzeugt davon, dass erst dann eine fundierte Entscheidung gefällt werden kann, die für alle Beteiligten nachvollziehbar ist und die momentanen Meinungsunterschiede versöhnt. Wir appellieren daher an alle Beteiligten, sich auf einer sachlichen Ebene zu begegnen und mit der geschilderten Gegenüberstellung beider Alternativen nicht die erstbeste, sondern die beste Lösung für den Kirchbichl, für die Bühler Bürger/innen und auch für ihre Gäste zu suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz G. Schröck Frank Lattke
Geschäftsführer architekturforum allgäu Vorsitzender im Namen des VorstandesBund Deutscher Archi-
. tekten BDA Bayern e. V. Kreisverband Augsburg-Schwaben
Notwendige Gemeinschaftsaufgabe für Kempten: ein Stadtentwicklungskonzept
Nach der öffentlichen Debatte über den Vorschlag eines ortansässigen Investors, auf der Keckwiese einen Hotelturm zu errichten, ist in unserer Heimatstadt leider nur für kurze Zeit eine grundsätzliche Diskussion zu ihrer städtebaulichen Entwicklung aufgeflammt. Dabei scheint eine solch strukturelle Auseinandersetzung mit der baulichen Zukunft längstens überfällig, stellt sie doch eine wesentliche Grundlage für die erstrebenswerte hohe Lebensqualität Ihrer Bewohner dar. Ein schlüssiges Stadtentwicklungskonzept mit Langfrist - Perspektive wäre gültige Richtschnur, die - ähnlich wie das Einzelhandelskonzept - besonders für auf den Plan tretende Investoren von vorne herein einen entsprechenden Rahmen vorgibt. Damit würde statt dem bisherigen Reagieren auf mehr oder weniger zufällige Impulse von außen eher ein vorausschauendes, nachhaltiges Agieren praktiziert.
Als Grundlage stellt das 2013 vom Weimarer Büro UmbauStadt erarbeitete Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) einen guten ersten Schritt dar. Es beinhaltet u. a. die ausführliche Analyse von insgesamt acht Fokusgebieten in der Stadt, weist jedoch nur punktuell auf mögliche Handlungsansätze hin. Außer dem Fokusbereich `Erweiterte Doppelstadt` ist die vom Stadtrat verabschiedete Studie bisher aber kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden. Immerhin definiert z. B. Fokusgebiet II das wichtige Entwicklungsgebiet rund um den Berliner Platz, das nach der Auflösung der Artillerie - Kaserne die Chance eines großflächigen Stadtumbaus bietet und eigentlich eine gesamthafte Betrachtung erfordert. Stattdessen wurden erste Flächen mit dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt vorschnell veräußert und es entzündete sich eine isolierte Diskussion um den projektierten und schließlich vom Investor aufgegebenen Hotel-Turm auf der Keckwiese.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, was aus den daraus resultierenden Absichten der Stadt Kempten geworden ist, mit einem städtebaulichen Wettbewerb unter Einbeziehung des gesamten Fokusgebietes sich einer hochwertigen weiteren Entwicklung anzunähern?
Weit tiefer reichend als das ISEK hat sich übrigens bereits das 1977 unter dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Josef Höß von der Obersten Bayerischen Baubehörde und dem Bundesbauministerium herausgegebene Grundlagenwerk `Stadtbild und Stadtlandschaft` mit Kemptens Stadtentwicklung auseinandergesetzt. Hier finden sich - trotz einiger zwischenzeitlich überholter Punkte - eine Vielzahl von Handlungsüberlegungen, die eine Betrachtung lohnen.
Grundsätzlich sollte der Grundstock jeder fundierten Stadtentwicklung immer ein gültiges Leitbild sein, das zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu erarbeiten ist. Ernstgemeinte Bürgerbeteiligung müsste in diesem Zusammenhang aktiv betrieben werden, so wie dies derzeit bei der Erstellung des Mobilitätskonzeptes gehandhabt wird. Im Idealfall wäre das Leitbild für die städtebauliche Entwicklung Kemptens also gesamtgesellschaftlich getragen und würde dadurch die anstehenden Einzelentscheidungen für alle Beteiligten wesentlich erleichtern.
Eine Kernproblematik der Situation in Kempten besteht sicherlich darin, dass verwaltungsintern der Aufgabenbereich der Stadtentwicklung derzeit beim Amt für Wirtschaft angesiedelt ist, wo dieses eminent wichtige Tätigkeitsfeld im Vergleich zu anderen Städten ähnlicher Größe eher ein Schattendasein führt und mit zu wenig Stellen ausgestattet ist. Damit können die baulichen Weichen für die Allgäu-Metropole eigentlich nicht weitreichend genug gestellt werden. Es ist daher anzuregen, den Bereich der Stadtentwicklung dem dafür prädestinierten Stadtplanungsamt zuzuführen und entsprechend personell auszustatten.
Eine vernachlässigte Stadtentwicklungspolitik haben die Kemptener Bürgerinnen und Bürger vor Augen, wenn sie ihren Blick auf das Brauhausgelände werfen. Hier wurden im Rückblick öffentliche Zielvorstellungen nur unzureichend definiert und die Stadt von den agierenden Investoren regelrecht überrollt. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich eine solch unglückliche Entwicklung an zentraler Stelle zukünftig nicht mehr wiederholen würde, was wir unserer jahrtausendealten Stadt - gerade auch im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen - einfach schuldig sind.
fs / 30.11.16
Quelle:
Der Altstadtbrief Nr. 43 2016, Seite 20, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
Städtebauliche Entwicklung mit Rücksicht auf stadtbild- prägende ParameterChristine Tröger in "Der Kreisbote", Ausgabe Kempten vom 22. 06. 2016:
Kempten - Bei aller Aufregung, die Investor Walter Bodenmüller mit seinen Plänen für einen Hotelturm auf der Keckwiese ausgelöst hatte, geben diese, auch mit Blick auf die Entwicklung der Bundesehrkonversionsflächen am Berliner Platz, nicht nur dem architekturforum allgäu (af) zugleich Anlass, den Fokus auf eine längst überfällige Diskussion zu lenken: in welche Richtung will sich die Stadt entwickeln, wie soll in Folge die städtebauliche Umsetzung aussehen? Als beispielhaft stellt af-Geschäftsführer Franz Schröck im Gespräch mit dem Kreisboten die Stadt Regensburg heraus, die Dank ihres ehemaligen Oberbürgermeisters Hans Schaidinger (CSU, 1996-2014) "schon immer ein baukultureller Vorreiter im süddeutschen Raum gewesen ist". Unter anderem habe Schaidinger bei einem Architektur- und Städtebaubüro 2006 die Studie "Profilbildende Gebäude und Bauwerke" in Regensburg in Auftrag gegeben, die in mehreren Verfahrensschritten und unter Einbeziehung nicht nur der Fachstellen der öffentlichen Verwaltung, sondern auch verschiedener Interessengruppen entstanden sei. Wie darin angegeben "basiert sie auf einer stadtmorphologischen Untersuchung und dient als städtebauliche Gesamtstrategie zum Umgang mit Profil prägenden Gebäuden und Bauwerken in Regensburg. Kultur- und Kristallisationspunkte werden als Orte definiert, in denen hohe Gebäude und Stadtraumverdichtung möglich sind. Die Studie gibt Empfehlungen für verbindliche Verfahrensschritte", die vom Regensburger Stadtrat beschlossen wurden. Die Silhouette dort, so Schröck, bestehe im Wesentlichen aus dem Dom als "dominantes Merkmal" sowie den mittelalterlichen Türmen der Altstadt, die allen ein "Identifikationsmerkmal" seien. Gesunde Durchmischung erwünscht Wie in den meisten Städten, seien auch in Regensburg nach dem Krieg Hochhäuser im Stadtgebiet entstanden, aufgrund ihrer "Monofunktionalität" allerdings "auf keine große Akzeptanz gestoßen", denn es fehle die gesunde "Durchmischung" von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, darüber hinaus seien es "Solitäre", ohne städtebauliche Einbindung und zumeist ohne gestalterische Qualitäten, fasste Schröck aus der Analyse zusammen. Im Ergebnis "zeigte sich die Notwendigkeit nachvollziehbarer und angestimmter planerischer Parameter, um die Beurteilung der Einfügung derartiger Hochhäuser in den städtebaulichen Gesamtzusammenhang qualifiziert zu ermöglichen".Zwar sei, so Schröck, Regensburg als UNESCO-Weltkulturerbe "besonders empfindlich", aber Kempten wolle sich schließlich als älteste Stadt Deutschlands positionieren, wies er des Weiteren auf die Bedeutung von Sichtkorridoren hin, um die historischen Bezügen und Vernetzungen mit stadtbildprägenden Baudenkmälern herstellen zu können. Dennoch, betonte er, stelle sich die Empfehlung nicht gegen eine städtebauliche Entwicklung sondern verfolge ihrm Leitbild getreu eine "Doppelstrategie", in der es einerseits gelte, das Weltkulturerbe Regensburg "zu schützen und zu respektieren", andrerseits der eEntwicklung einer Großstadt Rechnung zu tragen sei. So seien Hochhäuser in der als Altstadt ausgewiesenen Zone "tabu", in den äußeren Zonen müssten zum Beispiel wichtige Sichtkorridore berücksichtigt werden. In Kempten liege die Keckwiese laut Flächennutzungsplan auch im "Kreuz zweier wichtiger Sichtachsen" sowie an einer der wichtigsten Stadteinfahrten. Fehlendes Leitbild Grundsätzlich fehle Kempten sowohl ein gesamtgesellschaftlich getragenes Leitbild für seine bauliche Zukunft, kritisiert Schröck, als auch ein daraus resultierendes Stadtentwicklungskonzept mit einer entsprechenden Langfristperspektive. Eine gültige Richtschnur also, die ähnlich dem Einzelhandelskonzept, immer dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Investor auf den Plan tritt. In Regensburg müsse "jeder Investor" die einmal beschlossenen Verfahrensschritte durchlaufen, wobei es ab einer Gebäudehöhe von 40 Metern, angefangen beim Stadtbildverträglichkeitsgutachten bis zur vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung "für den Investor schon aufwendig wird".Aber Regensburgs "Profilbildende Gebäude und Bauwerke" seien "nur ein Aspekt, nur ein Teil einer baulichen Entwicklungsstrategie" weshalb das im Jahr 2013 für Kempten erstellte "Integrierte Stadtentwicklungskonzept" (ISEK) "ein guter erster Schritt" sei, der allerdings noch keine Handlungsansätze aufzeige. Die in erster Linie Bestandsanalyse der neun Fokusbereiche sei zwar der Öffentlichkeit präsentiert worden, abgesehen vom Fokusbereich "Doppelstadt" seither aber kaum noch in Erscheinung getreten. Komplett in der Versenkung scheint auch das 1977 unter Alt-OB Dr. Josef Höß entstandene Grundlagenwerk "Stadtbild und Stadtlandschaft" zu sein - nach Ansicht Schröcks viel tiefer gehend als ISEK und trotz mancher zwischenzeitlich zwangsläufig überholter Punkte, immer noch eine sehr gute Basis. Konversionsgebiet Berliner Platz ISEK-Fokusbereich II (das ISEK ist im Amt für Stadtentwicklung erhältlich) beschäftige sich mit dem Konversionsgebiet Berliner Platz inklusive Keckwiese. wie Schröck anmerkt, sei es "eigentlich nicht sinnvoll" dass das Eck mit dem Kreiswehrersatzamt an soloplan verkauft worden sei, ohne zu wissen, was in diesem Fokusgebiet sonst noch passieren soll.Unter "Defizite" nennt das ISEK unter anderem "kein attraktives Bild der Stadteinfahrt mit schwieriger Orientierung, problematisch erscheinender Nachnutzung des Immobilienbestands und Lösungsbedarf für die aktuell als Obdachlosenheim genutzt werde. Als "Allgemeine Zielstellung" ist formuliert, "die künftig überwiegend brach liegende Fläche (Anmerk.: der ehemaligen Artillerie-Kaserne) einer sinnvollen Nutzung zuzuführen", was aufgrund der Gegebenheiten im Fokusgebiet II "größtenteils eine gewerbliche Nutzung" sein werde.Das von der Stadt Kempten mit den vorbereitenden Untersuchungen beauftragte Stadtplanungsbüro Dragomir benennt ein städtebauliches Konzept mit Kernpunkten wie: Rückbau des Berliner Platzes soweit möglich, Fokussierung auf hochwertiges Gewerbe in Teilbereichen, Angebote für die Jugend, Kultur und Depot, Nutzung auf heutigem Verpflegungsamt/Bundeswehrdepot, Mischnutzung entlang der Kaufbeurer Straße. Mager sieht die Empfehlung für das ehemalige Lazarett am Haubensteigweg aus, für das ein "Nahmobilitätskonzept und" eine vertiefte Untersuchung des Umbaus zur Stärkung der Anbindung des Gebietes an die Innenstadt" empfohlen wird.
Wem gehört die Stadt? Wer entwickelt die Stadt?
Der Hotelturm am Berliner Platz wäre mit starken, weitreichenden und langfristigen Konsequenzen für Kempten und das Allgäu verbunden. Aus diesem Grund haben sich architekturforum allgäu und BDA bewusst Zeit genommen, um zu dem sehr komplexen Thema möglichst fundiert und vielschichtig Stellung nehmen zu können.
Es ist dabei unerlässlich, Fragen zum Städtebau, aber auch zur Stadtentwicklung und zur Verfahrenskultur auf mehreren Ebenen zu stellen, bevor es überhaupt möglich ist, über das einzelne Projekt dieses Hotelturms am Berliner Platz zu diskutieren, geschweige denn, darüber entscheiden zu können. Bevor diese Fragen nicht sorgfältig untersucht, in Ruhe mit der Bürgerschaft diskutiert und ausgewogen beantwortet sind, bedeutet der Bau eines Hotelturms am Berliner Platz, den vierten vor dem ersten Schritt zu machen, was aus unserer Sicht ein erhebliches Risiko für Kempten darstellen kann. Der Zeitdruck, der offensichtlich hier vom betreffenden Investor aufgebaut wird, ist äußerst kritisch zu sehen und sollte überdacht werden. Aus großen städtebaulichen Maßnahmen der jüngeren Vergangenheit in Kempten, zu denen das architekturforum allgäu kritisch Stellung genommen hat und die inzwischen in der breiten Öffentlichkeit ebenso skeptisch gesehen werden, können hier ebenso Lehren gezogen werden.
Zum Städtebau stellen sich uns folgende Fragen:
. Sind weitere bauliche Hochpunkte wie Hochhäuser in Kempten überhaupt gewollt?
Welche städtebaulichen, funktionalen und wirtschaftlichen Ziele strebt Kempten an, die dann eben am besten mit oder eben ohne Hochhäuser erreicht werden können?
. Mit welchem Stadtbild möchte Kempten hier vor Ort und über die Stadtgrenzen hinaus verbunden werden?
. Wenn weitere bauliche Hochpunkte denkbar und gewünscht sein sollten, wo werden diese dann optimal in Bezug auf die historisch gewachsene Stadt und deren charakteristische Landschaft und markante Topographie angeordnet?
. Soll die bauliche Freihaltung der grünen Hänge entlang des Illertals, wie die an der Keckwiese, auch zukünftig städtebauliche Regel bleiben?
. Basiert eine städtebauliche Entwicklung am Berliner Platz bzw. auf der Keckwiese – ob Hochhaus oder nicht – konzeptionell und inhaltlich auf den Zielen der Vorbereitenden Untersuchung für die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen im Bereich Berliner Platz und Artilleriekaserne, die bereits begonnen wurde, und auf den Zielen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) zum Fokusgebiet II - Konversionsgebiet Berliner Platz?
Bei der Stadtentwicklung von Kempten und bei der Verfahrenskultur in der Stadt sehen wir die anschließenden Fragen und stellen unsere entsprechenden Forderungen zur Diskussion:
. Wie kann die Stadt Kempten eine aktivere und vorausschauendere Stadtentwicklung betreiben statt defensiv und schnell reagieren zu müssen, wenn ein Investor auf den Plan tritt und dann nahezu uneingeschränkt bestimmt, welche funktionalen oder wirtschaftlichen Programme und welcher Städtebau umgesetzt wird?
. Aus unserer Sicht hat dies mit Planungsprozessen und insbesondere mit einer Verfahrenskultur zu tun. Es geht dabei um die Frage: Wer entwickelt die Stadt? Wer entwickelt Kempten? Investoren oder in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger und ihre gewählten Vertreter?
Was sollte zuerst da sein? Die Anforderungen des Investors oder die Ideen aller Akteure Kemptens und die Erfordernisse der Stadtbewohner mit dem entsprechenden Programm für den Ort, der entwickelt und bebaut werden soll? Der bekannte Stadtplaner Prof. Karl Ganser äußert sich dazu in „Wege zur Baukultur – Heimat schützen, Heimat schüren“ eindeutig: Bevor gebaut wird, sollte geprüft werden, „ob es einen besseren Standort, ein verträglicheres Programm und einen Investor mit mehr Baukultur geben könnte. Die Suche nach Alternativen kann mit einem ‚Programm-Wettbewerb‘ organisiert werden.“
. Wenn das Programm und der für den Bauort, die Stadt und das Programm passendste Investor gefunden ist und städtebauliche Fragen wie die weiter oben genannten beantwortet sind, dann ist es sinnvoll, einen geregelten städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen. Die Auslobung eines solchen Wettbewerbs wurde, wie der Presse zu entnehmen war, wohl auch in der nichtöffentlichen Sitzung des Kemptener Gestaltungsbeirats gefordert. Wir unterstreichen an dieser Stelle diese Forderung, betonen aber zugleich die Notwendigkeit der Einhaltung der genannten Prozessschritte und die hohe Bedeutung der Verfahrenskultur für die Stadtentwicklung, um letzte Mittel wie die eines Bürgerentscheids vermeiden zu können. An dieser Stelle sehen architekturforum allgäu und BDA im Interesse eines transparenten und offenen Planungsprozesses auch die Erfordernis, dass der vom Stadtrat eingesetzte Gestaltungsbeirat das Projekt Hotelturm baldmöglichst in öffentlicher Sitzung behandelt.
. Die Frage einer vorausschauenderen und strategischen Stadtentwicklung betrifft unseres Erachtens auch ein strukturelles Manko innerhalb der Stadtverwaltung, wo derzeit Stadtentwicklung und Stadtplanung zwei unterschiedlichen Referaten zugeordnet sind und außerdem das eminent wichtige Tätigkeitsfeld der Stadtentwicklung im Vergleich zu anderen Städten in der Größe Kemptens mit zu wenig Stellen ausgestattet ist. Damit können unserer Ansicht nach die Weichen für die Allgäu - Metropole alleine kapazitätsmäßig und inhaltlich nicht weitblickend genug gestellt werden. Wir regen daher an, Stadtwicklung und Stadtplanung zusammenzuführen und entsprechend personell auszustatten.
. Zu einer zeitgemäßen Verfahrenskultur und zur Frage, wer Kempten entwickelt, also eigentlich, wem die Stadt „gehört“, zählt schließlich auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Mitwirkung aller Akteure in der Stadt an einem solchen städtebaulichen Projekt. Hier widersprechen wir dem Investor mit Nachdruck, der laut Presse ein öffentliches Mitspracherecht wie seinerzeit am Hildegardplatz keinesfalls möchte. Da ein Hotel in einer solchen Größenordnung über die Stadtgrenzen ausstrahlen würde, ist unserer Meinung auch eine regionale Perspektive bei der Planung einzunehmen, damit das „Allgäu“ nicht nur eine Marke ist, sondern auch gelebte Zusammenarbeit bedeutet. Wirkliche und ernstgemeinte Bürgerbeteiligung ist heute nicht mehr wegzudenken und aktiv zu betreiben, wenn Projekte nachhaltigen Nutzen für alle bringen sollen – auch für die Investoren. Aus diesem Grund können einzelne Projekte, wie der Hotelturm, nicht von einer Bürgerbeteiligung ausgenommen werden. Eine aktive Bürgerbeteiligung oder besser Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe sollte kontinuierlich und nicht nur punktuell bei einzelnen Projekten gemacht werden und am Ende auch sichtbare Wirkung zeigen, wenn sie und das damit verbundene Projekt erfolgreich sein sollen. Diese innovative Art der Stadtentwicklung und Verfahrenskultur kann für Kempten zum Standortvorteil werden und entscheidend zur Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger und Gäste beitragen.
Dr. Jörg Heiler, Franz G. Schröck,
Vorstandsmitglied Geschäftsführer
BDA Landesverband Bayern architekturforum allgäu
Mit Bedauern nimmt das architekturforum allgäu den Abriss eines der markantesten Gebäude in Bühl, der ehemaligen `Straußenwirtschaft`, zur Kenntnis ...
Vordergründig werden Schadstoffbelastungen ins Feld geführt, die jedoch alleine noch keine komplette Beseitigung eines ortsbildprägenden Bauwerkes rechtfertigen. Somit müssen wir uns leider die Frage stellen, welches baukulturelle und gesellschaftliche Verständnis bei den für diesen Schritt verantwortlichen Gremien besteht?
Da gibt es neben der Kirchenverwaltung St. Nikolaus und dem Heimatverein Immenstadt vor allem eine rührige Bürgerinitiative, die sich seit Längerem fundiert Gedanken über eine Aktivierung des Bühler Kirchbichls unter Einbeziehung der vorhandenen Baustruktur macht und wiederholt alle Beteiligten zu einem konstruktiven Dialog eingeladen hat. Leider stieß sie bislang sowohl beim Eigentümer, der diözesanen Katholischen Jugendfürsorge (KJF), auf verschlossene Türen und fand auch beim Immenstädter Bürgermeister keinerlei Gehör. Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, durch das Aufgreifen von Anregungen und Wünschen aus der Bürgerschaft und eine offene Gesprächskultur zu nachhaltigen Lösungen zu kommen, die zu einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung führen. Sollte doch das tägliche Lebensumfeld der Einheimischen bereichert und ein attraktives Umfeld für die Bühler Gäste geschaffen werden.
Aber ausgerechnet im Vorfeld der 350-Jahr - Feier der Loreto-Wallfahrt passiert etwas ziemlich Schlimmes: Ein wichtiges Glied eines wertvollen Ensembles wird unwiederbringlich zerstört, ohne überhaupt einen Gesamtplan für die zukünftige Gestaltung des Areals zu haben. Jüngste Berichte besagen nämlich, dass hier für die Dauer von 10 Jahren ein Großparkplatz entstehen
soll – praktisch in gleicher Form wie sich momentan die Ortsmitte von Blaichach präsentiert, was wahrlich nicht nachahmenswert ist. Und es sind weitere destruktive Schritte geplant: für die unmittelbar an die denkmalgeschützten Kirchen angrenzende Alte Schule liegt ebenfalls eine Abbruchgenehmigung vor!
So schaffen die Verantwortlichen in kurzer Zeit die flächendeckende Eliminierung essentieller Bestandteile unserer in Jahrhunderten gewachsenen Allgäuer Baukultur-Landschaft. Traurig, aber wahr…
Franz G. Schröck
Geschäftsführer
Mit großer Sorge haben der BDA Bayern und das architekturforum allgäu ...
die jüngsten Pressemitteilungen zum Beruflichen Schulzentrum in Kempten zur Kenntnis genommen, in denen auch ein Abriss infolge des vernachlässigten Bauunterhalts in den Raum gestellt wird. Ein solcher Gedanke lässt nach unserer Auffassung den ohne Frage vorhandenen baukulturellen und gesellschaftlichen Wert dieses Gebäudeensembles komplett außer Acht.
Der von den Münchener Architekten Bauer, Kurz, Rauch, Stockburger entworfene Schulcampus gilt als besonders gelungener Lernort für junge Menschen. Generationen von SchülerInnen und LehrerInnen haben einen emotionalen Bezug zu Ihrer Ausbildungs- und Unterrichtsstätte aufgebaut, die auf dem Gelände des ehemaligen Kopfbahnhofs als pavillonartige Struktur konzipiert wurde. Die Baukörper der einzelnen Schuleinheiten gruppieren sich entlang einer Platzabfolge mit differenzierten Aufenthaltsbereichen, ein öffentliches Fußwegesystem stellt die Verknüpfung mit der angrenzenden Stadtstruktur her. Vom stadtseitigen Hauptzugang über eine Freitreppe auf das Sockelgeschoss staffeln sich die Volumen von den hohen Unterrichtsgebäuden nach Süden zu den niedrigeren Sportanlagen.
Die einzelnen Unterrichtseinheiten sind um großzügige, mit offenen Treppen versehene Hallen auf versetzten Ebenen angeordnet. Die Pausenflächen bieten dadurch vielfältige Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen LehrerInnen und SchülerInnen in offener, ungezwungener Atmosphäre. Die horizontale Fassadengliederung mit geschlossenen Backsteinflächen und mit ihren teils durch Balkone und Fallarmmarkisen versehenen großen Glasflächen und Metallpaneel – Brüstungen ist entsprechend dem Gebäuderaster in einer einheitlichen Grundstruktur durchgebildet. Die Anordnung der Elemente folgt der inneren Organisation der Gebäude und vermittelt ein lebendiges Erscheinungsbild sowohl von Solidität als auch von Transparenz und Offenheit. Zu Recht wurde das Gebäudeensemble daher im Jahr 1982 mit dem hoch angesehenen BDA – Preis Bayern ausgezeichnet und damit seine architektonischen und städtebaulichen Qualitäten gewürdigt, die nicht einfach mir nichts dir nichts der Abrissbirne geopfert werden sollten. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang zudem die Tatsache, dass in bestehender Bausubstanz ein hohes Potential an sogenannter `grauer Energie` gespeichert ist, die bei einer Beseitigung vollständig vernichtet würde.
Für eine weitere Entscheidungsfindung empfehlen wir dringend eine sorgfältige Untersuchung, in der auf Basis eines vorausschauenden schulischen Anforderungsprofils die Vor- und Nachteile einer nachhaltigen Sanierung geprüft werden. Falls dies auch im Vergleich zu einem möglichen Neubau geschehen soll, müssen hierbei sämtliche Bewertungskriterien objektiv einbezogen werden. Dazu zählen quantitative Kriterien wie Kosten für Investition und Unterhalt, die bereits erwähnten ökologischen Prüfsteine und ebenso das Raumangebot, das eine Schule ihren SchülerInnen und LehrerInnen bietet. Gerade hier scheint uns ein wesentlicher Vorteil des mit großzügigen Räumen ausgestatteten bestehenden Schulzentrums gegenüber einem Neubau zu liegen, bei dem heute die Gefahr besteht, nicht mehr mit den gleichen Flächen gebaut zu werden oder am Ende sogar als sogenannter `Bestellbau` mit einseitigen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und geringer Halbwertzeit abgewickelt zu werden. Zu befürchten steht auch, dass ein Neubau an einen anderen, weniger zentralen Ort ausgelagert und das frei werdende Gelände in bester Lage einer nicht öffentlichen Nutzung zugeführt wird. Zu den Bewertungskriterien gehören jedoch gerade auch gesellschaftliche und kulturelle Qualitäten, die für die Identität eines Ortes und für eine lebenswerte Stadt – besonders für eine Hochschulstadt wie Kempten – von unschätzbarer Bedeutung sind. Wenn eine Stadt nach nur wenigen Generationen – und in diesem Fall nach nur einer oder maximal zwei – ihre den Alltag prägenden und hierin verwurzelten Gebäude und damit Lebensräume einfach so immer wieder austauscht gegen neue Gebäude, dann ist es schwer, die ältere und jüngere Geschichte einer Stadt zu verstehen und sich damit zu identifizieren. Aber ohne dieses Verstehen und ohne eine Identifikation wird es keine Verbundenheit mit einer Stadt und ihrem Leben geben. Hier steht Kempten – einmal wieder – vor der Entscheidung, im Alltag der Menschen vertraute Stadtbausteine aus der `mentalen Landkarte` zu löschen – siehe Zündholzfabrik, Sudhaus und Brauhausgelände etc. – oder einen bedeutenden Stadtbaustein wie das bestehende Schulzentrum innovativ weiterzuentwickeln.
Somit eine Vielzahl von guten Gründen, die unserer Ansicht nach dafür sprechen, eine Sanierung und deren große Potentiale fachlich fundiert zu untersuchen und den leichtfertig geäußerten Abrissgedanken äußerst kritisch mit höchster Vorsicht zu hinterfragen, und zwar unter Berücksichtigung aller finanziellen, schulischen, ökologischen, gesellschaftlichen und kulturellen Argumente.
Jörg Heiler, Franz G. Schröck,
Vorstandsmitglied Geschäftsführer
BDA Landesverband Bayern architekturforum allgäu
Der LandLuft Baukulturgemeinde-Preis 2016 - erstmalig auch im Allgäu vergeben ...
Aus dem Inhalt:
Nach den Büchern über die Preisträger des Baukulturgemeinde-Preis 2009 und 2012 erzählt der mittlerweile dritte Band die baukulturellen Erfolgsgeschichten aus jenen Gemeinden, die an der Ausschreibung des Baukulturgemeinde-Preis 2016 teilgenommen haben und am 28. Januar in Wien für Österreich und am 12. Februar 2016 in Wildpoldsried für das Allgäu ausgezeichnet wurden. Dass 2016 ‘Baukultur gewinnt!‘ erfährt man in den Darstellungen der baukulturellen Entwicklungswege und Beschreibungen ausgewählter Projekte in acht österreichischen und vier Allgäuer Gemeinden, darunter Holzgünz, Irsee, Wolfertschwenden und Memmingen.
Die Publikation besteht aus einem Theorieteil und einem reich bebilderten Teil über die Erfolgsgeschichten der Siegergemeinden. Sie dient als Handbuch für all jene, die in ihrem Umfeld aktiv werden wollen. Sie soll Mut machen, sich auf Baukultur einzulassen, denn: Baukultur machen Menschen wie du und ich!
. Baukultur geht alle an: Sie ist keine Expertenspielwiese
. Die in Baukultur gebündelte Kompetenz rechnet sich durch höhere Lebenszyklen und regionale Wertschöpfung
. Baukultur schafft Werte und verbessert die Lebensqualität
. Und: Baukultur stärkt die Kommunikation in der Gemeinde und erhöht die Identifikation mit dem eigenen Lebensort
Mit Beiträgen von Florian Aicher, Sonja Bettel, Roland Gruber, Helmut Mödlhammer, Franz Schröck und den LandLuft Organisatoren. 200 Seiten, Format 23,5 x 16,6 cm.
Der Katalog ‘Baukultur gewinnt!‘ kann zum Preis von 20,00 Eur (zzgl. Versand 2,80 Eur) über das architekturforum allgäu bezogen werden. Der Versand erfolgt nach Bestelleingang mit beiliegender Rechnung für Ihre Überweisung. Bestellungen bitte per e-mail an info@architekturforum-allgaeu.de
Gestaltungsbeirat: für ein Mehr an Baukultur
Im ersten deutschen Baukultur - Bericht, den die Bundesstiftung Baukultur mit Sitz in Potsdam zum letzten Jahreswechsel veröffentlicht hat, werden gleich zu Beginn die wichtigsten Gründe für Baukultur aufgezählt. Ganz oben steht dort zu lesen:
`Baukultur ist Lebensqualität – Je besser und nachhaltiger unsere gebaute Umwelt gestaltet ist, desto wohler fühlen wir uns in ihr. Je gemischter und vielfältiger das Angebot an Nutzungen und Einrichtungen ist, desto höher ist unsere Zufriedenheit mit dem Alltagsleben in der Stadt.`
Damit ist eigentlich kurz und knapp alles gesagt, warum es sich lohnt, sich des Themas auch in unserer Region anzunehmen und immer wieder auf dessen essentielle Bedeutung für unser Zusammenleben hinzuweisen. Ein wesentliches Instrument stellt dabei dasjenige eines Gestaltungsbeirates dar, der die politisch Verantwortlichen unabhängig bei wesentlichen Entscheidungen berät, die die gebaute Umwelt betreffen. Nachdem in der Vergangenheit bereits in Sonthofen und Kaufbeuren ein Gestaltungsbeirat von den dortigen Stadträten installiert wurde, hat sich nunmehr auch das Kemptener Kommunalparlament in seiner letzten Sitzung vor der diesjährigen Sommerpause aus gutem Grund dazu durchgerungen – ein Schritt, den alle Kemptener Kulturverbände, der BDA und das architekturforum allgäu jahrelang gefordert haben. Ein entscheidender Impuls dazu erfolgte für die städtischen Entscheidungsträger im Januar diesen Jahres, als der Biberacher Baubürgermeister Christian Kuhlmann von den vielen Vor- und den wenigen Nachteilen eines solchen Gremiums in seiner Stadt berichtete. Nach einer zweijährigen `Probezeit` war die Stadt Biberach so sehr von dem Gremium überzeugt, dass dieses seither nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt wurde. Dem häufig genannten Argument in der Diskussion im Vorfeld, dass ein Beratungsgremium Zeit beansprucht und zusätzliches Geld kostet, ist zu entgegnen, dass Bauvorhaben, die dem Gremium präsentiert werden, normalerweise – vor allem von Investorenseite – viel fundierter aufbereitet sind und bei entsprechender Qualität damit schneller die Genehmigungshürde nehmen. Zudem spart sich die Stadt dadurch hauptamtliche Personalstunden bei der Bearbeitung der Bauanfragen.
Der einstimmig erfolgte Satzungsbeschluss des Kemptener Stadtrates beinhaltet die individuell auf unsere Stadt zugeschnittenen Modalitäten: So erfolgen Vorschläge durch die Verwaltung, welche wichtigen städtebaulich prägenden Vorhaben behandelt werden sollen – wobei der Oberbürgermeister schlussendlich auswählt, welche Bauvorhaben dem Gestaltungsbeirat vorgelegt werden. In einem nichtöffentlichen Sitzungsteil macht sich das Gremium zusammen mit OB, Baureferent, Leiterin des Stadtplanungsamtes und je einem Vertreter der Fraktionen ein Bild vor Ort, ehe im Anschluss das Bauvorhaben öffentlich fundiert beraten wird. Die qualifizierte Empfehlung des Gestaltungsbeirats fließt dann in die Meinungsbildung des Stadtrates ein, dem natürlich nach wie vor die endgültige Entscheidung obliegt. Derzeit wird die Besetzung des 5-köpfigen Gremiums, bestehend aus einer ausgewogenen Mischung aus auswärtigen Städteplaner|innen, Architekt|inn|en und Landschaftsarchitekt|inn|en, festgelegt. Der Gestaltungsbeirat soll zum Jahreswechsel die Tätigkeit aufnehmen, seine erste Sitzung ist für den 15. Februar vorgesehen.
Wir wünschen uns über das Gremium des Gestaltungsbeirates eine inspirierende Sach-Diskussion, die bestimmt nicht immer ohne Reibungsverluste verlaufen wird, aber mit Sicherheit die Qualität unserer gebauten Umgebung und damit unserer Lebensqualität befördern wird. Wünschenswert wäre aus unserer Sicht in diesem Zusammenhang eine mehr und mehr über das Einzelobjekt hinausgehende Betrachtungsweise, die ein strukturelles Gesamtkonzept für die Stadtentwicklung zugrunde legt und dabei verstärkt auf Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung setzt.
Wir gratulieren neben Kempten auch Sonthofen und Kaufbeuren ganz herzlich zu Ihren Gestaltungsbeiräten und erhoffen uns dadurch wesentliche Beiträge für eine kontinuierliche Steigerung der Gestaltungsqualität im jeweiligen Stadtgebiet. Die einzige kreisfreie Allgäuer Stadt, die sich bisher noch kein solches Gremium leistet, ist Memmingen, zeigt aber bereits starkes Interesse daran.
Wichtig wäre dem architekturforum allgäu aber nicht nur eine Präsenz von Gestaltungsgremien in den Städten unserer Region, sondern ebenso auf gemeindlicher Ebene; hier sollte in den einzelnen Landkreisen ein Gestaltungsbeirat beim Landratsamt abrufbar sein, um bei Bedarf in die jeweilige Landgemeinde geholt werden zu können. Im Sinne des Mottos `Baukultur ist Lebensqualität` halten wir dies für ein weiteres notwendiges Instrumentarium, um unsere Allgäuer Heimat zukunftsfähig und nachhaltig weiterzubauen.
fs / 06.12.15 architekturforum allgäu e. V.
Quelle:
Der Altstadtbrief Nr. 42 2015, Seite 16, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
Die Baukultur als Schnittstelle – zur regionalen Entwicklung im Allgäu
Aus dem Inhalt:
Architektur ist weder die bloße Erfüllung von Funktionen noch reiner Luxus. Architektur bedeutet Lebensqualität, die unauflöslich mit unserem Alltag verwoben ist. Sie prägt Wohnen und Arbeiten, Drinnen und Draußen, Gebautes und Landschaft. Sie umgibt uns auf Schritt und Tritt. Deswegen berührt uns diese Alltagswelt direkt und unmittelbar – sie wirkt entscheidend ein auf unsere Sinne, Gefühle, Erinnerungen und letztendlich auf unser Wohlempfinden. So grundlegend wie das, was wir essen und trinken. Die direkte Erfahrung von sinnvollem Gebrauch, von greifbarer Materialität, von Atmosphären, Klängen und Gerüchen prägt uns alle – hautnah und täglich.
Aus- und Einblicke bringen uns voran, Bergendes gibt uns ein Zuhause, Offenes bietet Weite und Freiheit. Achtsame Baukultur umfasst die Pflege, Gestaltung und Weiterentwicklung unserer gesamten Alltagsräume, unserer Alltagswelt. Mehrwert und Aufgabe für uns alle.
Das architekturforum allgäu versteht zeitgenössisches Weiterbauen als entscheidende gesellschaftliche Aufgabe mit hoher Verantwortung. Wir haben das architekturforum im Jahr 2001 gegründet, weil uns der Dialog über unsere gebaute Alltagswelt im Allgäu und deren Gestaltung für die Zukunft unserer Region am Herzen liegt.
Wir, das sind Architekten und Architektinnen, Stadtplaner, Ingenieure, Handwerker, Bauherren, Lehrer, Praktiker und Architekturinteressierte aus den verschiedensten Berufsständen, denen das Allgäu lebenswerte Heimat ist. Als unabhängige Schnittstelle vermitteln wir zwischen Entscheidungsträgern aus Unternehmen, Politik und Verwaltung, Fachleuten und der Öffentlichkeit. Als engagierte, kompetente und auch streitbare Plattform für Baukultur versuchen wir den Weg für die qualitätvolle Gestaltung unserer Alltagswelt in Kooperation mit Entscheidungsträgern aus Unternehmen, Politik und Verwaltung, Fachleuten und der Öffentlichkeit zu bereiten.
Die Image-Broschüre `Einblicke Aussichten` kann zum Preis von 4,90 Eur über das architekturforum_allgäu bezogen werden. Bestellungen bitte per e-mail an info@architekturforum-allgaeu.de.
Die Drucksache – bestehend aus einem beidseitig bedruckten Faltplakat mit Projekt-Rückschau und 24 Postkarten in einer Schachtel aus Graupappe – kann kostenfrei über das architekturforum_allgäu bezogen werden.
Aus dem Inhalt:
Architekten verstehen in der Regel nicht viel vom Tourismus. Andererseits beschäftigen sich Architekten und Landschaftsarchitekten in ihrer Arbeit intensiv mit Themen und Begriffen, die offensichtlich eine wichtige Rolle für den Tourismus im Allgäu spielen, wie zum Beispiel:
ATMOSPHÄRE
WOHLFÜHLEN
LANDSCHAFT UND NATUR
QUALITÄT
GEMÜTLICHKEIT
HEIMAT
NACHHALTIGKEIT
Daher hat sich das architekturforum allgäu im Jahr 2014 damit auseinander gesetzt, wo gemeinsame Interessen von Tourismus und Architektur liegen und welche Rolle die Architektur für den künftigen Tourismus im Allgäu spielen könnte.
Aus diesem Anlass veranstaltete das architekturforum allgäu über das Jahr verteilt drei Abende mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten, wobei jeweils das Zusammenkommen und das gemeinsame Gespräch im Vordergrund standen. Auf die Präsentation von neuen spektakulären Tourismusbauten wurde dagegen bewusst verzichtet - eine emotional geführte Diskussion über Geschmacksfragen sollte vermieden und stattdessen eine möglichst vorurteilsfreie Annäherung von Tourismus und Architektur gefördert werden.
Bestellungen bitte per mail an info@architekturforum-allgaeu.de.
Leider vergriffen
Im Rahmen des Projekts BAUSTELLE HEIMAT des architekturforum allgäu e.V. hat Veronika Dünßer-Yagci (Videokünstlerin) vier Kurzfilme entwickelt, die jeweils innerhalb der Veranstaltungen BAUSTELLE HEIMAT 03 bis 05 präsentiert wurden. Ausserdem hat sie in 3 Kurzfilmen die einzelnen Veranstaltungen dokumentiert. Filmmusik: Komposition und Ausführung: Rupert Volz. In ihrem Kurzfilm "BAUSTELLE HEIMAT" hat sie Zitate und Gedanken aus dem Projekt-Arbeitskreis des architekturforums gesammelt und mit einer teils metapherreichen Bildsprache verarbeitet. Für die Veranstaltung BAUSTELLE HEIMAT 03 hat sie den Kurzfilm "moorsequenzen" mit Bewegungsskizzen von fünf Schwimmerinnen zur Architektur des Bades gefertigt. Für BAUSTELLE HEIMAT 04 entstand der Kurzfilm "grünnotizen", der mit einer Reduzierung auf grüne Landschaftsausschnitte ästhetische und andere Fragen zum Thema Landschaft anregt. Zur Veranstaltung BAUSTELLE HEIMAT 05 erarbeitete sie zusammen mit den MitarbeiterInnen eines Hotels eine Videoperformance "RaumSpurHotel" aus kurzen, gestischen Bewegungen zur Architektur des Hotels. Die Videokurzfilme "BaustelleHeimat 03 04 05" dokumentieren drei verschiedene Veranstaltungen aus dem Projekt BAUSTELLE HEIMAT. Filmmusik: Komposition und Ausführung: Rupert Volz. "BaustelleHeimat 03" ist eine Kurzdoku zur Veranstaltung "Baukunst und Fremdenverkehr" am Moorbad Oberstdorf mit Themenschwerpunkten wie Badekultur- und Architektur (vor Ort). Mit Referenten: Ursula Winkler, Bauernhofmuseum Illerbeuren; Eugen Thoma, Heimatmuseum Oberstdorf; Dipl.-Ing. Architekt BDA, Klaus Noichl, Oberstdorf; Moderation: Bettina Ahne Bayerischer Rundfunk BR "BaustelleHeimat 04" dokumentiert und zitiert die Veranstaltung "LandSchafftWandel" im Kurhaus Hindelang zu einem erweiterten Landschaftsbegriff und unterschiedlichen Wahrnehmungsfeldern (insbesondere auch im Bezug auf das Ostrachtal). Mit geladenen Gästen: zB: Eric Enders, Bergbahnen Bad Hindelang; Bernhard Joachim, Geschäftsführer Allgäu GmbH, Kempten; Luise Beßler, Alpbäuerin Mitterhaus Retterschwang; Dr.Markus Pingold Geograph, Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg; Roman Haug, Altbürgermeister, Bad Hindelang; Prof.Dr. Alfred Bauer, Fakultät für Tourismus FH, Kempten. Moderation: Bettina Ahne Bayerischer Rundfunk BR. "BaustelleHeimat 05" zeigt Einblicke in die Veranstaltung "GastRaumGeber", die im Hotel Chesa Valisa / A-Hirschegg stattfindet und sich im Themenkreis Tourismus, Hotelbau und Raum-Wahrnehmung bewegt. Mit Referenten: Prof. Felicitas Romeiß-Stracke, Tourismus Architektur, München; Dr.Klaus Kessler, Bauherr und Hotelier, Hirschegg; Florian Aicher, Architekt und Publizist, Rotis; Prof.Dr.Stephan Günzel, Raumphilosoph BTK Hochschule für Gestaltung, Berlin; als Gast: Hermann Kaufmann, Architekt, Schwarzach/ Univ.-Prof.DI, Entwerfen und Holzbau, TU München - er entwarf auch den Neu-Anbau des Hotel Chesa Valisa; Moderation: Bettina Ahne Bayerischer Rundfunk BR. Hier nochmals alle Filme im Überblick: „BaustelleHeimat“ zu allen Veranstaltungen „moorsequenzen“ zu BaustelleHeimat 03 „grünnotizen“ zu BaustelleHeimat 04 „RaumSpurHotel“ zu BaustelleHeimat 05 „BaustelleHeimat 03“ Kurzdoku zur Veranstaltung Baukunst & Fremdenverkehr „BaustelleHeimat 04“ Kurzdoku zur Veranstaltung LandSchafftWandel „BaustelleHeimat 05“ Kurzdoku zur Veranstaltung GastRaumGeber
Traditionelle Dorfstrukturen sind in der Auflösung begriffen
»Wir haben verlernt, Städte und Dörfer zu bauen«, so kürzlich das vernichtende Urteil des Dokumentarfilmers Dieter Wieland, der vor Jahren mit seiner Reihe »Topographie« im Bayerischen Rundfunk Fernsehgeschichte schrieb. Gerade mit Blick auf die heutige Ausbildung unserer Dorfränder und unserer Ortsmitten bestätigt sich dieser Vorwurf leider häufig auch im Allgäu. Dorfränder Während der vergangenen Jahrhunderte waren Dorfränder geprägt vom sensiblen Übergang zwischen Bebautem und Unbebautem. Über eine geschickte Einbettung in die Topographie, das Bauen »mit dem Wetter«, sprich mit den örtlichen klimatischen Bedingungen und einer oftmals geschickt gestaffelten Vegetation erfolgte eine harmonische Verzahnung, ein fließender Übergang zum freien Landschaftsraum.Leider ist diese Sensibilität heutzutage nahezu gänzlich verloren gegangen. Großmaßstäbliche Verbrauchermärkte mit ausgedehnten Asphaltflächen wuchern am Ortsrand, belanglose, austauschbare Gewerbegebiete ohne Aufenthaltsqualität werden hier genauso lieblos angesiedelt wie diverse Sondernutzungen (u.a. Gebäude für Feuerwehr, Blaskapelle, Schützen), für deren Erreichbarkeit immer ein Auto vonnöten ist. Ganz zu schweigen von Neubaugebieten mit ihren Grüntensteinmauern, Thuja-Stauden und Wendehammern, die eine allzu deutliche Zäsur zur Landschaft markieren. Dorfmitten Ähnlich verhält es sich bei vielen Allgäuer Dorfmitten. Historisch betrachtet verdichteten sich hier die öffentlichen Funktionen in Gebäuden wie Kirche, Pfarrhaus, Schule, Rathaus und Wirtshaus – zudem gab es in fußläufiger Entfernung die wichtigsten Läden für den täglichen Bedarf. Ein Platz bildete die soziale Mitte, hier fand das Dorfleben unter bewusst gesetzten Großbäumen – Stichwort: Dorflinde – statt. Und heute: die meisten der vorgenannten Funktionen existieren nicht mehr oder sind an den Dorfrand gewandert, die Mitte blutet aus, was in Zeiten des demographischen Wandels geradezu fatal ist. Nebenbei betrachtet werden an den Rändern immer aufwändige Versorgungs- und Erschließungsmaßnahmen erforderlich, während in der Dorfmitte die entsprechenden Systeme veralten. Fallbeispiel Sulzberg Exemplarisch stellt sich diese Problematik derzeit in Sulzberg dar: der Baubestand der gesamten Ortsmitte steht mangels geeigneter Nutzungen zur Disposition. Der Gemeinderat hat dabei bereits beschlossen, das Rathaus aus den 80er Jahren abzureißen. Drei weiteren ortsbildprägenden Bauwerken am Dorfplatz droht das gleiche Schicksal. Darunter das bedeutende ehemalige Benefiziatenhaus von 1820, dem das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege »wegen seiner Lage im historischen Ortskern und seiner Nutzungsgeschichte eine ortgeschichtliche Wertigkeit« bescheinigt. Nicht nur aus Sicht des architekturforum allgäu wird ein schlüssiges Gesamtkonzept besonders hinsichtlich der künftigen Nutzungen am Dorfplatz vermisst, das zusammen mit der Bevölkerung erarbeitet werden sollte. Stattdessen fallen isolierte Einzelentscheidungen ohne gebührende Information der in Sulzberg durchaus sehr interessierten Öffentlichkeit. Eigentlich eine Jahrhundert-Weichenstellung, bei der die ernsthafte Gefahr besteht, dass diese vertan wird.Wir empfehlen daher dringend zunächst die Erarbeitung der gewünschten Anforderungen über eine entsprechende Bürgerbeteiligung und die Klärung der städtebaulichen Situation über ein Wettbewerbsverfahren, ehe Aufträge zur Umsetzung einzelner Gebäude vergeben werden. Nur durch eine wohlüberlegte langfristige Betrachtung ist sicherzustellen, dass die Identität Sulzbergs Bestand hat und mit einer unverwechselbaren Atmosphäre für zukünftige Generationen erlebbar gemacht wird. April 2015
Allgäuweit rumort es derzeit in vielen Städten und Gemeinden, was bestimmte Bauprojekte anbelangt. Und das aus gutem Grund: vermisst wird eine transparente Informationspolitik der Verantwortlichen und eine frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger von Beginn einer wichtigen Projektentwicklung an. Viel zu häufig werden Planungen über Monate und Jahre hinweg unter Verschluss gehalten, einsame Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen und erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, der Schritt in die Öffentlichkeit gewagt. Dabei sollte eine Taktik des »vollendete-Tatsachen-Schaffens« und des »jetzt-nicht-mehr-Zurückkönnens« spätestens seit den Ereignissen um Stuttgart 21 in einer lebendigen Demokratie keinen Platz mehr haben. In unserer Region scheint diese Botschaft noch nicht überall angekommen zu sein, wie die folgenden vier Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit exemplarisch zeigen: Alpsee-Hotel Immenstadt (Bühl) In Immenstadt formierte sich eine »Bürgerinitiative zum Schutz des Alpseeufers«, als öffentlich wurde, dass ein ortsansässiger Investor ein mehr als 200-Betten-Haus an sensibler Stelle mit einem fragwürdigen Betreiberkonzept plant. Lange waren den Bürgern Planunterlagen dazu unbekannt, alternative Standorte wurden erst gar nicht in Betracht gezogen, die eine langfristige Ortsentwicklungsstrategie zur Grundlage gehabt hätten. Das vorläufige Ende des Liedes: Ein seitens der Stadt Immenstadt recht allgemein formuliertes Ratsbegehren sollte für die nötige Klarheit sorgen. Mit knapp 2/3 der abgegebenen Stimmen lehnten die Immenstädter das Gebäude am vorgesehenen Ort schließlich ab.Bahnhof Füssen Vier Tage bevor der Füssener Stadtrat über den Bauantrag einer Marktoberdorfer Baufirma zum Neubau des Bahnhofs in Füssen zu entscheiden hatte, erfuhren die Stadtratsfraktionen zum ersten Mal etwas über Kubatur und Gestaltung des ortsbildprägenden Gebäudes. Die konsternierte Öffentlichkeit reagierte mit der zwangsläufig verspäteten Gründung einer Bürgerinitiative zum Erhalt des ehemaligen »Prinzregenten-Bahnhofs«, zudem wurden gleich drei Bürgerbegehren zum außer Acht gelassenen Bahnhofsumfeld eingereicht. Der Stadtrat vertagte daraufhin seine Entscheidung und berief eilends eine Kommission ein, die sich zwar um eine Überarbeitung der Fassaden bemühte, doch keinen strukturellen Einfluss mehr auf das Baugeschehen nehmen konnte. Bebauung Oberallgäuer Platz SonthofenMittlerweile vom Tisch ist das Vorhaben der neu formierten Raiffeisenbank Kempten-Oberallgäu, an prominenter innerstädtischer Lage in Sonthofen eine neue Hauptverwaltung ohne das gebotene öffentliche Wettbewerbsverfahren zu errichten. Dankenswerterweise hat nicht nur der Sonthofer Gestaltungsbeirat auf ein solches Verfahren gedrängt, das in anderen Regionen außerhalb des Allgäus zu recht längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Auch eine aufgebrachte Bürgerschaft hat eine entsprechende Mitwirkungsmöglichkeit eingefordert, verbunden mit der Erarbeitung eines übergeordneten Innenstadtkonzeptes, das jetzt erst aufgrund des entstandenen öffentlichen Drucks in Angriff genommen werden soll. Das Bankhaus gab in der Folge seine Absichten auf und konzentriert sich auf nunmehr eine Weiterentwicklung des bisherigen Standorts an der Marktstraße. Neubau Hauptverwaltung Sparkasse Allgäu in Kempten Für den Neubau Ihrer Hauptverwaltung hat die Sparkasse Allgäu an der Kemptener Königstraße – das bisherige Gebäude wird nach nur 40 Jahren komplett entsorgt – zwar vor fast vier Jahren ein Planungsgutachten in Auftrag gegeben, das Ergebnis aber bis zum Herbst des letzten Jahres unter Verschluss gehalten. Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr die Öffentlichkeit über eine kostspielige PR-Aktion von den fertigen Planungen für das Großprojekt an dieser exponierten, städtebaulich ziemlich bedeutsamen Stelle in Sichtweite von Basilika und Residenz. Von einem Geldinstitut, das aufgrund der Vielzahl seiner Kunden aus der Region schon fast als ein öffentlicher Bauherr bezeichnet werden kann, hätte man sich eigentlich eine andere Vorgehensweise erwarten dürfen. <br/>Baukultur ist auch und vor allem Kommunikationskultur, weshalb das architekturforum allgäu an alle in orts- und landschaftsbildprägende Bauprojekte involvierten Gremien dringend appelliert, die Karten frühzeitig auf den Tisch zu legen. Nur Projekte, die in breiten Teilen der Bevölkerung einen Rückhalt finden und dort entsprechend verankert sind, nehmen Ihren Weg durch die Instanzen ohne Proteste, Bürgerinitiativen und -begehren, viele persönliche Narben der Akteure eingeschlossen. Und: die Akzeptanz der somit entstandenen neu gebauten Umwelt wird mit Sicherheit eine größere und nachhaltigere sein. April 2015
Das architekturforum allgäu nimmt Stellung zur Kemptener Baukultur
Baukultur – Fehlanzeige?
Wenn Sie die Internetseite der Stadt Kempten (www.kempten.de) öffnen und den Button „Planen und Bauen“ anklicken, landen Sie bei der Kemptener Bauverwaltung. Gehen Sie dann am rechten Rand ganz weit nach unten, dann können Sie sich darüber informieren, was Kempten in Sachen „Baukultur“ zu bieten hat: es öffnet sich einzig ein Foto der fürstäbtlichen Residenz, darüber hinaus erscheint nichts.
Sicherlich gäbe es noch etliche weitere erwähnenswerte Beispiele aus Kemptens Vergangenheit, aber wie ist es um die hiesige Baukultur in der Gegenwart bestellt? Ist Bauen heute nur noch ein Thema für die Wirtschafts- und Immobilienseiten in der Zeitung und nur in Ausnahmefällen für die Rubrik „Kulturelles“ von Belang?
Baukultur – was ist das?
Bauen heißt erlebbaren Raum schaffen im weitesten Sinn, es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Alltags-Kultur, egal ob es um eine Straße, eine Brücke, einen Platz, eine Grünanlage, ein öffentliches Gebäude, ein ganzes Gewerbe- oder Wohngebiet, oder nur um eine Gaube oder einen Gartenzaun geht – und es ist dabei unerheblich, ob es sich dabei um einen Neu-, Umbau oder einen Abbruch mitten in der Stadt, im Dorf oder in der Natur handelt.
Ob das „Bauen“ einen positiven Beitrag zur Kultur eines Ortes leistet oder ihr eher abträglich ist, war nie eine Geschmacks- sondern immer eine Qualitätsfrage. Wesentlich ist, inwieweit in diesem Prozess bei Bedarfsermittlung, Zielsetzung, Planung und Ausführung und nicht zuletzt während der Nutzung die gemeinsamen Wertvorstellungen und die verbindlichen Normen der Gesellschaft gefördert und beachtet oder ignoriert werden und ob die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Betroffenen und Beteiligten angemessen und wertschätzend ausgeglichen werden. Es geht uns also auch darum, inwieweit dabei das Gemeinwohl oder die Interessen von Gruppen oder Einzelnen dominieren, wenn wir von Baukultur reden.
Baukultur – konkret in Kempten
Die letzten Jahre konnte man sich in unserer Heimatstadt nicht des Eindrucks erwehren, dass das Denken in größeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhängen vernachlässigt wurde. Stattdessen wurde häufig und viel zu schnell den vornehmlich monetären Kurzfrist - Interessen von Investoren stattgegeben; bloßes Reagieren stand im Vordergrund anstatt kreatives Agieren. Am Brauhaus - Gelände lässt sich dieses Dilemma exemplarisch ablesen, XXXL Lutz, das Klosterumfeld in Lenzfried, das Baugebiet Saarlandstraße oder das Weberei-Gelände an der Iller mit der historischen Shed-Halle sind einige weitere Beispiele.
Baukultur sollte sich unserer Ansicht nach auch auf die Verfahren selbst erstrecken, Transparenz und Einbeziehung der Bürger müssten unserer Ansicht nach essentielle Bestandteile darstellen. Als Negativ - Beispiel in dieser Hinsicht ist der Neubau der Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Allgäu an der Königstraße zu nennen, wo nach über drei Jahren geheimer Planungsüberlegungen die Öffentlichkeit erst vor wenigen Wochen quasi vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Von einem zutiefst `öffentlichen` Bauherrn wie der Sparkasse Allgäu hätte man sich an dieser städtebaulich prominenten Stelle eigentlich ein ganz anderes Verhalten erwarten dürfen.
Ein Ansatz in die richtige Richtung stellt unserer Ansicht nach das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) dar, das immerhin ein größeres und zusammenhängendes Untersuchungsgebiet zum Ausgangspunkt nimmt, auch wenn die Abgrenzung der `erweiterten Doppelstadt` bzw. deren Ränder willkürlich erscheinen. Auch das Vorhaben `Iller erleben` berücksichtigt einen - in diesem Fall naturräumlichen - Gesamtzusammenhang und hat damit Vorbildcharakter. Liegt ein schlüssiges Gesamtkonzept erst einmal im Konsens vor, fallen die Einzelentscheidungen umso einfacher, weil diese eben dem `großen Ganzen` dienen. Als probate Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Einschaltung von qualifizierten Fachleuten, ein unsererseits seit Jahren geforderter Gestaltungsbeirat als externes Beratungsgremium für Bauausschuss und Stadtrat sowie nach den gesetzlichen Statuten geregelte Wettbewerbsverfahren erwiesen.
Baukultur – Baukunst?
Bauen verändert unser Umfeld und beeinflusst unvermeidlich unsere Lebensbedingungen und uns selbst umfassend und nachhaltig. Baukultur schafft einen nachweisbaren Mehrwert, der sich für den Bauherrn und die Gesellschaft rechnet und deshalb auch einen mitunter größeren Aufwand an Zeit, Geld, fachlicher Kompetenz und Engagement rechtfertigt.
„Baukultur“ ist auch heute unverzichtbar und bereitet im Idealfall den Boden für Baukunst, die über konkreten Anlass, Bedingungen und Einflüsse eines Bauwerks hinausweist, indem sie unserer Identität Gestalt und Ausdruck verleiht und somit bedeutend mehr als nur eine kleine Fußnote auf der offiziellen Internetseite der Stadt Kempten / Allgäu darstellen sollte.
Quelle:
Der Altstadtbrief Nr. 41 2014, Seite 17, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.
Platz für Alle
Der Abbruch der umlaufenden Kirchenmauer entlang der Kreisstrasse OA 20, der insgesamt sehr marode Zustand der Belagsflächen in diesem Bereich der Gemeinde sowie die zergliedernde Wirkung der Kreisstrasse OA 20, nahm die Gemeinde Buchenberg bereits 2010 zum Anlass, einen kleinen landschaftsarchitektonischen Wettbewerb auszuloben, um die Kirchenumfeldsituation zu verbessern. Die als erster Preis aus dem Wettbewerb hervorgegangene Arbeit wurde in Zusammenarbeit mit dem Bauausschuss bzw. dem Gemeinderat Buchenberg weiterentwickelt. Der schliesslich zum Bau freigegebene Stand beinhaltet folgende Maßnahmen: Um der Kirche wieder einen würdigen Rahmen zu geben, um den Kirchhof wieder spürbar werden zu lassen, wurde die bestehende Kirchenmauer aufgenommen und nach Westen fortgeführt. Im Bereich des Zugangs zur Sakristei wurde eine Öffnung der Mauer vorgesehen – hier erfolgt die behindertengerechte Erschliessung der Kirche und zugleich dient diese Öffnung der Andienung des Friedhofs. Weiter nach Westen wird durch die neue Mauer wieder eine klare Trennung von Strassenraum und Friedhof erreicht. Im Westen vor dem Hauptzugang zur Kirche wird die Mauer von einer grosszügigen Treppenanlage abgelöst-hier öffnet sich der Kirchenvorplatz zum Dorf und in Richtung Rathaus. Es entstand ein zweiteiliger Kirchplatz; ein Teil auf dem oberen Niveau, direkt an der Kirche und ausreichend für den Alltag. Ein zweiter Teil für Festtage, der den Kirchplatz nach Norden auf einem tieferen Niveau bis zum Rathaus erweitert. Hier wird die Kreisstrasse durch den Belagswechsel in die Platzfläche integriert. Es werden verschiedene räumliche Situationen im Kirchenumfeld generiert. Neben dem repräsentativen, sich zum Dorf öffnenden Kirchplatz entsteht der ruhige, durch eine Mauer mit vorgelagerter Bepflanzung geschützte Kirchhof. Hier findet eine Umnutzung des Friedhofs zum Kirchhof mit hoher Aufenthaltsqualität statt. Dem Kirchturm wird eine Gruppe mittelhoher Blütenbäume vorgelagert. Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Ein ruhiger, friedlicher Ort ist entstanden. Geschützt durch Mauer und Bepflanzung bietet er dennoch Ausblicke Richtung Dorf und ist somit nicht abgeschnitten vom dörflichen Leben. Neben dem Schwerpunkt des Kirchenplatzes bildet der Rathausplatz das entsprechende Gegenüber. Durch den Wegfall der Parkplätze südlich des Rathauses konnte hier eine Sonnenterrasse entstehen - in unmittelbarer Nähe zur Touristeninfo. Somit wird das Rathaus in die neue Gestaltung integriert. Dies wird noch unterstützt durch die neue fussläufige Verbindung östlich des Rathauses. Durch eine kräftige Staudenpflanzung und eine begleitende Baumreihe sowie eine niedrige Geländestützmauer wird der im Osten angrenzende Parkplatz als untergeordneter Bereich klar abgegrenzt. Durch die Verschmälerung und die neue Trassenführung der Wirlinger Strasse kann auch die Verkehrssicherheit erhöht werden: Der bisher sehr schmale Gehweg entlang der Geländestützmauer am Pfarrhof wurde verbreitert. Im Bereich der im Osten gelegenen Parkplätze wurde ein neuer Gehweg angelegt, so dass eine gesicherte fussläufige Verbindung auf beiden Strassenseiten gegeben ist. <br/>Weiter wurden zwei behindertengerechte Stellplätze ausgewiesen, der behindertengerechte Zugang zur Kirche wird über den Weg (gesägtes Natursteinpflaster) innerhalb der neuen Kirchenmauer mit kleiner Rampe zum Haupteingang sichergestellt. 22. Oktober 2014 Marita Zinth Bauherr: Markt Buchenberg Planung: Gesamtkonzeption: marita zinth landschaftsarchitektur, Freibrechts 1, 87509 Immenstadt, mz@maritazinth.de Kreisstrasse: Ingenieurbüro Gerald Blumrich, Kempten Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Lämmle, Wiggensbach Gesamtfläche: 3.100m2 Bauzeit: Juli 2013 – Juni 2014 Projektkosten: 740.000€ Zuschüsse: Städtebauförderung: 222.000€ Landratsamt: 58.000€ Kirche: 40.000€
Die Bebauung am Süd- und Westhang des Buchenbergs in den 60er und 70er Jahren hat einen der markanten Höhenpunkte des Allgäus an einer sensiblen Stelle besiedelt und das Landschaftsbild unwiderruflich beeinträchtigt. Seit Herbst 2013 denkt die Gemeinde Buchenberg über eine weitere Bebauung am Südwesthang des Buchenbergs oberhalb der vorhandenen Bebauung der Walter-von-Hoheneggstraße nach. Flächennutzungsplan sieht keine Bebauung vor Bereits vor der offiziellen Einleitung des Verfahrens wurde der Widerstand der Anwohner mit einer umfangreichen Unterschriftenliste dokumentiert. Bürgermeister Barth spricht von sechs bis acht Bauplätzen, Anwohner befürchteten bis zu 20 neue Häuser. Nach dem jetzt vorliegenden Beschluss zur ersten Änderung des Bebauungsplanes „Hohenegg-Brühl“ sollen voraussichtlich zehn Einfamilienhausgrundstücke ausgewiesen werden. Das Baugebiet befindet sich an einer exponierten Hanglage, welche im rechtsgültigen Flächennutzungs- und Landschaftsplan ausdrücklich nicht für eine weitere Bebauung vorgesehen ist. Grund für die Bebauung, gerade hier oben, ist nach Aussage der Gemeinde neben einem entsprechenden Bedarf für Einheimische, das Fehlen von Flächen innerhalb des Gemeindegebiets. Offenbar gelang es der Gemeinde in der Vergangenheit nicht, eine entsprechend langfristig orientierte Grundstückspolitik auf der Grundlage des Flächennutzungsplans für weitere Bebauungen umzusetzen und die zuletzt guten Entwicklungen der Innerortsentwicklung mit der Reaktivierung des Adlers und dem neuen Seniorenzentrum fortzuführen. Bürger beklagen mangelnde Information Die jetzt vorgesehenen Grundstücke bieten für Interessenten die wohl privilegiertesten Filetgrundstücke, welche es derzeit im weiteren Umland gibt. Unverbaubarer Bergblick auf das Allgäuer Alpenpanorama am Süd-und Westhang des Buchenbergs, gleichzeitig ruhige Ortsrandlage und unmittelbare Nähe zum Ortskern. Die Gegner beklagen vehement die Zerstörung von einem der landschaftlich schönsten Ortsbereiche um das Primizkreuz und erhebliche Eingriffe in den Blick auf den Buchenberg, dessen natürliche Topographie von vielen Blickpunkten aus dem Gemeindegebiet hinter den Hausdächern der Neubauten zu verschwinden droht. Gleichzeitig werfen die Anwohner dem Bürgermeister mangelnde Informationspolitik vor, der seinerseits der Presse erklärt, erst über deren Nachfrage von dem derzeit laufenden Bürgerbegehren erfahren zu haben. Eine sachliche Diskussion spielt in der emotional aufgeladenen Situation zu einer objektiven Entscheidungsfindung offensichtlich derzeit kaum eine Rolle. Wie bewerten beispielsweise Fachleute der Raumordnung, des Tourismus oder die Träger öffentlicher Belange die Eingriffe in das Landschaftsbild? Wie sehen die Verkehrsplaner die Erschließung über die sehr steilen Anwohnerstraßen im Winter? Ist die Erschließung der westlichen Grundstücke wirtschaftlich angemessen oder nur die Grundlage für eine weitere, derzeit offiziell nicht vorgesehene Bebauung auf der Hangnordseite? Gemeinwohl versus Individualinteressen Widerstände und Privatbefindlichkeiten direkt betroffener Anwohner dürfen genausowenig die Entscheidungen verantwortungsvoller Gemeindepolitik bestimmen wie die Begehrlichkeiten von Bauinteressenten. Unabhängig davon scheint ein öffentliches Interesse im Zuge der vorgesehenen Bebauung gegeben zu sein. Wie hoch ist der Wert des Gemeinwohls für den Erhalt der Grünfläche und der Fußwege am Buchenberg gegenüber dem Erlös für die Gemeinde beim Verkauf der Grundstücke, dem nötigen Substanzerhalt der Infrastruktur oder dem möglichen Abwandern von Bauwilligen? Die Gemeinde will das Verfahren der Bauleitplanung nach den Mindestanforderungen der gesetzlichen Regelungen durchführen. Beschlussfassung und danach öffentliche Auslegung der Planung, um laut Barth in der AZ vom 26.02.14, „der Demokratie nichtsdestotrotz natürlich Genüge tun“. Die Gefahr, dass dieses Verfahren im Schnelldurchlauf mit dem Widerstand der Gegner zu einem langwierigen Streit im Dorf führen wird, ist nicht zu unterschätzen. Die Auseinandersetzungen im Zuge von Planungen in direkter Nachbarschaft, z.B. Bebauung Am Seegader in Dietmannsried oder der Ortsinnenentwicklung in Altusried sind deutliche Zeugnisse für gewachsene Sensibilität und Aktivität betroffener Bürgerinnen und Bürger in Bauplanungsfragen. Die Gemeinde könnte die offene Beteiligung der Bürger suchen und die Pro- und Contra-Argumente offen diskutieren. Strittige Themen könnten transparent für alle Beteiligten mit den zu erwartenden Konsequenzen erörtert werden, um richtige Entscheidungen für die zukünftige Entwicklung der Gemeinde zu treffen. <br/>Soviel Bürgernähe bei Bauleitverfahren mit breiterem Interesse der Öffentlichkeit wäre vorbildlich, vielleicht sogar notwendig. Die Gemeinde Buchenberg könnte auch von ihrer Seite ein Ratsbegehren initiieren, um das Heft des Handelns nicht aus der Hand zu geben. Mehr Demokratie könnte hier mehr Identifikation der Bürgerinnen und Bürger vor Ort schaffen, um auch in anderen Bereichen die Identität vor Ort zu steigern. März 2014
Zum regelrechten Vorbild in Sachen Baukultur im Allgäu mausert sich in jüngster Zeit der Altusrieder Ortsteil Kimratshofen. Der vorbildliche Umgang mit zwei dorfbildprägenden Gebäuden, der Alten Schule und der Alten Post, ist beispielgebend und kann in seiner Vorbildwirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Besonderes Bürgerengagement gepaart mit einem behutsamen, aber auch beharrlich zielgerichteten Agieren führt hier Schritt für Schritt zu einer identitätsstiftenden Authentizität, die unserer Region in verstärktem Maße zu wünschen ist. Altes Schulhaus aus dem 18. Jahrhundert Seit seiner Errichtung diente das Gebäude als Schul- und Mesnerhaus bis zum Jahr 1923, ehe es danach als Wohnhaus genutzt wurde, zuletzt nur noch in Teilbereichen. Mit Beginn des neuen Jahrtausends hatten Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung das Ziel, ein Pfarrheim an selber Stelle zu verwirklichen und dafür die Alte Schule abzureißen, doch die Diözese leistete keine finanzielle Unterstützung für einen Neubau. Im Zuge des folgenden Umdenkprozesses fiel vor allem durch den großen Einsatz von Kreisheimat- und Kirchenpflegerin schlussendlich die Entscheidung, die alte Schule zu erhalten. Eine Vielzahl von gemeindlichen Veranstaltungen, die zum Spendensammeln genutzt wurden, schuf den finanziellen Grundstock dafür. Sonderpreis des Bezirks Schwaben und ein Staatspreis Das Gebäude wurde sehr sorgsam mit viel Eigenleistung und Gemeinschaftsarbeit saniert. Der behutsame Erhalt möglichst aller historischen Bauteile ist bereits mit dem Sonderpreis des Bezirks Schwaben für die denkmalpflegerische Sanierung wertvoller Bausubstanz und dem Staatspreis „Dorferneuerung und Baukultur“ des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewürdigt worden. Darüber hinaus überzeugt aber auch die Umgestaltung des rückwärtigen ehemaligen Wirtschaftsteils in einen großen Versammlungsraum. In Anlehnung an die leichte Holzkonstruktion des Stalles liegen vor großflächigen Verglasungen vertikale Holzlisenen, die sich in der äußeren Erscheinung ganz selbstverständlich mit dem vertikal verschalten Westgiebel verbinden. Trotz der vielfältigen Nutzungen im Inneren ist mit dem ruhigen Material- und Farbkanon aus hellem Putz, Biberschwanzdachdeckung und naturbelassenem Holz sowie in der Wiederherstellung der schlichten Bauform ein starkes innerörtliches Zeichen gesetzt worden. Die Baukosten der Sanierung einschließlich Haustechnik,Ausstattung und Nebenkosten konnten im Übrigen unter den ursprünglich veranschlagten Neubaukosten gehalten werden. Seit 2011 fungiert das Gebäude als öffentlich dörflicher und kirchlicher Begegnungsraum – als ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt im Ort. Die Alte Post in Kimratshofen aus dem Jahr 1433 Gelegen am Scheitelpunkt der Hauptstraßenkrümmung ist das markante Gebäude als Kontrapunkt zum Kirchberg in seiner heutigen Form 1730 entstanden. Die Poststation diente dabei auch zum Pferdewechsel der oberösterreichischen Postlinie des Hauses Thurn und Taxis, die von Innsbruck über den Fernpass nach Freiburg führte. Nach den napoleonischen Kriegen wurde die alte Post als Station der königlich-bayerischen Postverbindung Kempten – Leutkirch von 1806 – 1886 genutzt. Mit Aufgabe der Pferdehaltung durch die einsetzende Motorisierung im Jahr 1914 bestand die alte Post weiter als Wirtshaus, einer Funktion, die sie in den Jahrhunderten zuvor auch schon immer innehatte. Nach einer grundlegenden Renovierung in den späten 80er Jahren stand das Gebäude zuletzt über ein Jahr leer, ehe sich die Marktgemeinde Altusried auf Druck des Ortsteiles Kimratshofen entschloss, es zu erwerben, anstatt das Feld auswärtigen Investoren zu überlassen. Dies sei als äußerst weitblickend herausgestellt, wurden in vielen anderen Fällen in unserer Region doch durch vornehmlich profitorientierte und baukulturell unsensible Geldgeber unserer Kulturlandschaft irreparable Schäden zugefügt.Bürger sind sich einig über die Bedeutung des Bauwerks Vorgabe des Altusrieder Rathauses an die Kimratshofer Bürger ist der Unterhalt der Alten Post durch die Gründung eines gemeinnützigen Kultur- und Heimatvereins, der mit seinen Mitgliedsbeiträgen die jährlichen Betriebskosten deckt und zugleich vor allem für die Vermietung des großen Saals im Obergeschoss Sorge trägt. Bei der Gründungsver- sammlung des Vereins im Dezember 2013 fanden sich im Gebäude über 200 interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger ein – einig war man sich über die historische und städtebauliche Bedeutung des Bauwerks, eine kontinuierliche Weiternutzung soll daher für dessen Fortbestand sorgen. Vom behutsamen Umgang war die Rede, von einer modular aufgebauten baulichen Prioritätenliste, die langfristig umgesetzt werden kann. Und was besonders wichtig erscheint, ist der Blick über das eigentliche Gebäude hinaus: die zukünftige Gestaltung der Dorfmitte auf der westlich angrenzenden gemeindeeigenen Grundstücksfläche ist ebenso im Bewusstsein wie die Erarbeitung eines strukturellen Gesamtentwicklungskonzeptes für Kimratshofen, der die beiden Schwerpunkte Kirchberg, Alte Schule und Alte Post als Ankerpunkte definiert. <br/>Bleibt resümierend zu hoffen, dass die Kimratshofer Vorgehensweise in bestem Sinne Schule macht und viele Nachahmer auch in den anderen Allgäuer Gemeinden finden wird. Januar 2014
Das ist der Name einer Ausstellung, die jüngst im Oberallgäu zu sehen war. Das ist aber auch die Geschichte eines Bauernhofs. Der liegt in Weiler bei Fischen. Seit November ist der Hof weg. Nicht mehr gebraucht – vielleicht. Jedenfalls abgerissen. Eine altbekannte Geschichte, die immer wieder gleich abläuft Es geht dabei um einen historischen Hof, der gebaut wurde lange bevor es die Bundesstraße gab, auf der viele von uns heute zu den nicht weit davon entfernten Skisprungschanzen und Bergbahnen streben. Auch die gab es damals noch nicht und wer weiß, ob diese je so lange in Gebrauch sein werden wie dieses Bauernhaus. Also ist die Rede von einem historischen Hof, der die Zeiten - nicht alle glücklich und wirtschaftlich sicher - ganz passabel überstanden hat. Bis auf die unsere eben. Ein Haus, typisch für die Lebensform dieses Landstrichs Der lang gestreckte, geerdete Einfirsthof mit Wohnhaus und Stall prägte den Ort. Unverwechselbar. Genauso wie die Kapelle in direkter Nachbarschaft. Die ist aber denkmalgeschützt, im Gegensatz zu diesem Fischinger Hof. Wie bei anderen Höfen war auch hier die Landwirtschaft aufgegeben. Zumindest die, mit der die hauptsächliche Existenz bestritten wird. Diesen Teil der Geschichte kennt man auch, wenn man aufmerksam die Entwicklung der Milchwirtschaft verfolgt und weiß, wie viel ein Liter Milch heute kostet, beispielsweise in den Supermärkten entlang der B19. Nachdem viele Generationen über die Jahrhunderte in dem Anwesen, in das drei oder vier Einfamilienhäuser hinein passen, Platz gefunden hatten, wurde ein sogenanntes Austragshaus nebendran errichtet, mit Doppelgarage. Ob es den Platz des Hofes übernehmen kann, typisch für den Ort und mit diesem verwoben ist, muss jeder selbst beurteilen. Auch keine neue Szene in der bekannten Geschichte. Das Ende schließlich ist bekannt. Das alte Bauernhaus wurde nicht mehr gebraucht. Wer trägt die Verantwortung für kulturell Wertvolles? Man könnte es sich jetzt einfach machen und sagen: Die Eigentümer hätten das nicht tun dürfen, hätten einen anderen Weg finden können, hätten Ihrer Verantwortung gerecht werden müssen, hätten …, hätten …, hätten … Denn ein Weiterverwenden des Gebrauchten ist machbar wie gute Beispiele in unserer Region zeigen und man kommt nicht daran vorbei, dass die, denen so ein kulturell wertvolles Gebäude gehört, Verantwortung tragen. Vergessen werden darf hierbei jedoch ebenso nicht unser aller Verantwortung. Denn wie viel ist uns unsere historische Bausubstanz und unsere Kulturlandschaft wirklich wert? Wirtschaftliche Rahmenbedingung schaffen für einen Erhalt Viele Dinge müssen heute einfach funktionieren. Das für Verkehr, Tourismus und Gewerbe Gebaute ist existentiell notwendig, zumindest für die meisten. Das gilt aber nicht nur für das Allgäu, letztendlich ist dies ein globales und austauschbares Phänomen. Die Erfüllung dieser Aufgaben wird nicht zu einer starken Identität unserer Region Allgäu oder der Weiterentwicklung unserer noch charakteristi- schen Kulturlandschaft beitragen – ganz zu schweigen zu so etwas wie Heimat. Daher muss es uns aus existentiellem Interesse etwas wert sein – ideell und unausweichlich auch finanziell – ortsprägende Gebäude und typische Landschaften zu pflegen und neu für unseren Gebrauch zu interpretieren. Diese Wertschätzung schlägt sich auch darin nieder, dass ein Rahmen geschaffen wird, der dafür sorgt, dass sich der Erhalt eines alten Hofes auch wirtschaftlich rechnet. Sicher eine lohnende Aufgabe für das neu geschaffene bayerische Heimatministerium. Wiedergebrauch des Alten – keine nostalgische Sentimentalität Zur Pflege und Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft und Identität gehört das Neue und das Alte. Für das Neue liegt die Messlatte sehr hoch. Es muss das Potential in sich tragen, viele Generationen nach seinem Bau nicht mehr von einem Ort und aus dem alltäglichen Gebrauch wegdenkbar zu sein. Das vermeintlich nicht mehr Brauchbare liegt hier im Vorteil. Hier ist das Unverwechselbare selbstverständlich zu finden, da es zu einer Zeit entstanden ist, wo die Gefahr globaler Austauschbarkeit noch nicht gegeben war. Deswegen ist der Wiedergebrauch des Alten nicht nostalgische Sentimentalität, sondern lebensnotwendige Aufgabe und eine Chance, die wir hier im Allgäu nicht verpassen dürfen. <br/>(Auszug aus unserem Beitrag im „Fischinger Gmuind’s Brief“) Dezember 2013
Sonthofen hat als erste Stadt im Allgäu einen Gestaltungsbeirat eingerichtet! Dies muss als besonderes Ereignis für die Baukultur der gesamten Region gewertet werden.
Viele Entscheidungen wirken willkürlich
Gestaltungsfragen sind in den letzten Jahren wichtiger geworden für die Gemeinden im südlichen Oberallgäu, besonders auch im Hinblick auf die Bedeutung des Tourismus. Trotzdem gab es hier bisher kaum gesteigerte Bemühungen, aktiv eine Baukultur zu entwickeln – viele Entscheidungen wirken auch bei näherem Hinsehen willkürlich und aus fachlicher Sicht schwer nachvollziehbar. Einige Gemeinden versuchen sich mit Orts- bzw. Gestaltungssatzungen zu behelfen und kämpfen mit einer Flut an Ausnahmegesuchen – die Frage nach einem einheitlichen Allgäuer Baustil bleibt kompliziert und konfliktbeladen.
Gestaltung ist nicht Geschmacksache
So ist es als äußerst positives Zeichen zu sehen, dass Sonthofen hier einen anderen, innovativen Weg gehen möchte: Das Wirken eines Gestaltungsbeirates ist dabei als beratende Kulturarbeit zu verstehen. Es werden beispielsweise Zusammenhänge von Gestaltung mit lokaler (Kultur-)Geschichte und gesellschaftlichen Entwicklungen dargestellt, die im besten Fall neue Blickwinkel auf ein bauliches Problem eröffnen und so zu einer verbesserten Entscheidungsgrundlage führen. Damit wird der Gestaltung eines Ortes eine ganz neue Wertigkeit zugestanden und die Diskussion darüber entkommt endlich der Banalität der reinen Geschmackssache.
Großer Schritt in die richtige Richtung
Sonthofen hat mit diesem Beschluss einen großen Schritt in der lokalen, aber auch in der allgäuweiten Baukultur getan. So bleibt zu hoffen, dass möglichst viele andere Gemeinden der Region, denen die künftige Ortsgestaltung ein tatsächliches Anliegen ist, dem guten Sonthofener Beispiel folgen.Für den Einstieg in das Thema in einer Gemeinde könnte dabei auch ein Angebot der Bayerischen Architektenkammer helfen: In naher Zukunft wird es für interessierte Gebietskörperschaften bzw. Institutionen möglich sein, einen temporären Gestaltungsbeirat über die Kammer zu buchen. Dies wäre besonders für die Vielzahl der kleinen Landgemeinden im Oberallgäu ein guter Ansatz, da gerade auch dort, in den stark landschaftlich geprägten Bereichen unserer Landschaft, eine gesteigerte Sensibilität im Baugeschehen begrüßenswert wäre.
Die sachliche Entscheidungsfindung verbessern
Jahr für Jahr gibt es in allen Oberallgäuer Gemeinden diverse Belege dafür, wie komplex eine Diskussion darüber sein kann, ob und wie ein Bauwerk in unsere Landschaft passt. In solchen Fällen könnte sich jeder Ort glücklich schätzen, fachlich geschulte und objektive Meinungen über die jeweilige spezifische Situation zu erhalten, die die sachliche Entscheidungsfindung verbessern. Die Erfahrung mit funktionierenden Gestaltungsbeiräten – die es mittlerweile überall im Land gibt – zeigt, dass eine gute, lebendige lokale Baukultur auch eine gute, lebendige Diskussion über das Bauen benötigt, wobei eine verbesserte Fachkenntnis auf Seiten der Entscheider die zentrale Rolle spielt. <br/>Das architekturforum allgäu gratuliert der Stadt Sonthofen ausdrücklich zur Einrichtung eines Gestaltungsbeirates und wünscht für die Zukunft eine spannende, vielseitige und muntere Diskussion über das Baugeschehen, ganz im Sinne einer lebendigen Baukultur.
November 2013
Der Gestaltungsbeirat der Stadt Sonthofen: Dorothée Hock Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektin, Kassel Frank Lattke Dipl.-Ing. Architekt BDA lattkearchitekten, Augsburg Prof. Christian Wagner Dipl. Architekt ETH/SIA HTW Chur, Schweiz
Dokumentation der Preise, Anerkennungen und Ausgewählten Arbeiten mit Fotos, Plänen, Erläuterungen, Juryurteilen sowie der weiteren eingereichten Projekte
"Die Qualität der gebauten Umwelt für unseren täglichen Gebrauch zu steigern, ist das Hauptziel des jüngst aus den architekturforen kempten-oberallgäu und memmingen-unterallgäu hervorgegangenen architekturforums allgäu. Eine der Hauptkomponenten stellt dabei alle vier Jahre die Vergabe des baupreises allgäu dar. Vorbildliche Bauwerke und deren Bauherren werden dabei ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, begleitet von der feierlichen Preisverleihung am 8. November im Kemptener Kornhaus, einer hochwertigen Publikation aller prämierten und eingereichten Arbeiten und einer umfangreichen Wanderausstellung, die auch über das Allgäu hinaus Station machen wird. 102 Arbeiten sind aufgrund der erstmals erfolgten Online-Einreichung eingegangen, das Preisgericht unter Vorsitz von Prof. Tobias Wulf tagte am 2. August und verlieh fünf Preise und fünf Anerkennungen."
Franz Georg Schröck, Erster Vorsitzender architekturforum allgäu, im Vorwort
Die Broschüre mit einem Notizbuch im Format DIN A6 kann beim Herausgeber zum Preis von 4,90 € zuzüglich Versandkosten bestellt werden
Der von der Straße kompakt wirkende Neubau der Kindertagesstätte Oberlinhaus gliedert sich selbverständlich in die städtebauliche Struktur ein, dennoch geben die Gebäudeform und die Fassadengestaltung dem nach Passivhaus-Standard errichteten Bau eine außergewöhnliche Dynamik. Der winkelförmige Bau streckt sich weit nach hinten in das Grundstück hinein und schafft so einen großzügigen und geschützten Außenraum, der eng mit der inneren Struktur verbunden ist. Die Kindertagesstätte ist dem Alter entsprechend von unten nach oben gegliedert und bietet insgesamt Raum für 117 Kinder. Treffpunkte für gemeinsame Nutzungen bieten der Mehrzweckraum und der Speisesaal.
Bauherr: Stadt Kempten (Allgäu)
Standort: Freudental 3, Kempten
Architekt: Hermann Hagspiel, Kempten
Fachingenieure: Tragwerkplanung: Diepolder Seger Himmel<br/>HLS Planung: Knecht Ingenieure<br/>Elektrotechnik: Abt-Elektroplanung<br/>Landschaftsarchitekten: Geiger & Waltner
Fertigstellung: 2013
Fotos: Hermann Rupp
B4B SCHWABEN Expertentipps I 22.05.2013Interview mit Franz Schröck Veränderung braucht ihre Zeit
.Die Architektur im Allgäu befindet sich im Wandel zu mehr Qualität und eigenständiger Baukultur. Das Ergebnis zeigt sich indes nicht von heute auf morgen – und bedarf einer Betrachtung und eines Herangehens, das über einzelne Objekte hinausgeht, wie Franz Schröck, 1. Vorsitzender des architekturforum_allgäu, im Interview betont.
Das Allgäu hat sich in den vergangenen 20 Jahren architektonisch stark verändert. Es ist jünger und moderner geworden. Worauf ist dieser Wandel zurückzuführen?
Franz Schröck: Die Baukultur ist immer ein direktes Abbild der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Offenbar gibt es in unserem Landstrich nach Jahren der weitgehenden Ignoranz wieder ein wenig Sensibiliät für qualitätvoll Gebautes und Gestaltetes, auch um mit einer regionalen Identität in der heutigen globalisierten Welt einen Platz zu finden.
Bei Wettbewerben wie dem Thomas-Wechs-Preis räumen inzwischen die Allgäuer deutlich stärker ab als andere Regionen: Auch dies ein Zeichen des Wandels?
Logische Konsequenz eines behutsameren Umgangs mit der eigenen Kulturlandschaft sind natürlich auch Veröffentlichungen und Prämierungen. Sicher sind solche Auszeichnungen wertvoll, wirklich bedeutsam ist aber die jeweilige konkrete Verbesserung der Alltagskultur vor Ort.
Bisher galten ja Vorarlberg und der Bregenzer Wald als Mekka für die Freunde moderner Architektur. Zwei Fragen: Welche Chancen hat das Allgäu hier allmählich gleichzuziehen? Und: Liefern die alpine Tradition und Mentalität guten Nährboden für spannende Architektur?
Regionen wie Vorarlberg, Südtirol oder Graubünden spielen in einer anderen Liga, was das Thema Baukultur anbelangt. Die Tendenz ist bei uns im Allgäu unserer Wahrnehmung nach jedoch steigend. Die Naturverbundenheit und der wohlüberlegte Pragmatismus früherer Jahrhunderte im Alpenraum sind nicht per se eine Grundvoraussetzung für hochwertige Architektur, sicherlich aber ein ganz guter Grundstock, auf den man sich wieder besinnen sollte. Eigentlich müsste das Hauptaugenmerk aber auf die Gesamt-Siedlungsentwicklung geworfen werden und nicht allein auf das zeitschriftentaugliche Einzelobjekt.
Das architekturforum_allgäu genießt in der Branche inzwischen einen sehr guten Ruf. Worin sehen Sie Funktion und Stärken einer solchen regional aufgestellten Organisation?
Das architekturforum_allgäu kümmert sich anders als z. B. unsere Berufsverbände praktisch ausschließlich um hiesige Belange. In einem Satz zusammengefasst, haben wir uns die Senibilisierung einer breiten Öffentlichkeit für das Thema Baukultur auf die Fahne geschrieben und können auf eine sehr enge Verknüpfung der Protagonisten vor Ort zählen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die gebaute Umwelt nicht als gegeben hingenommen werden muss, sondern deren Aussehen vielmehr von jedem Einzelnen mitbestimmt wird.
Sie vergeben alle vier Jahre selbst einen „Baupreis Allgäu“: In welche Richtung wollen und können Sie hier Einfluss nehmen auf ein verändertes Verständnis für Architektur in der Region?
Der baupreis_allgäu, der heuer zum dritten Mal von einer unabhängigen Jury vergeben wird, zeichnet vorbildliche Projekte aus, die geschickt auf ihr jeweils spezifisches Umfeld reagieren und dieses zu einem hochwertigen Ganzen aufwerten. Bei der Auszeichnung handelt es sich um einen Bauherrenpreis, denn gute Ergebnisse entstehen nur im vertrauensvollen Dialog von Bauherr und Architekt/Fachplaner sowie im Zusammenspiel mit den ausführenden Handwerkern. Diese regionale Wertschöpfungskette zu stärken, ist erklärtes Ziel des architekturforum_allgäu.
Wo ist Ihnen das schon geglückt – und wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Die Veränderung des Bewusstseins passiert leider nur in sehr kleinen Schritten und tritt punktuell in noch wenigen ,zarten Pflänzchen‘ in Erscheinung. Da ist schon ein langer Atem vonnöten, wenn sich z. B. an den überall grassierenden, gleichförmigen Baugebieten und Gewerbeansiedlungen etwas zum Positiven ändern soll. Bedauerlich auch, dass Projekte wie das sogenannte ,Allgäuer Dorf‘ bei Füssen, das als Retorte ein äußerst fragwürdiges Klischee ohne Substanz bedient, überhaupt angedacht werden. Deshalb versuchen wir in jüngster Zeit schon in Kindergarten und Schule Aufklärungsarbeit zu leisten, denn hier werden die Fundamente gelegt für eine spätere solide Gestaltungskompetenz.
Bei Bauwerken wie der Kanzelwand-Bergstation oder dem Alpseehaus in Immenstadt spielen Natur und Ökologie eine tragende Rolle. Wird dies zu einer bestimmenden Funktion beim Bauen im 21. Jahrhundert - und liefert es eher Chancen oder eher Einschränkungen?
Ökologie und sparsamer Ressourcenumgang sind sicher die bestimmenden Themen der Zukunft und müssen offensiv angegangen werden. Entscheidend ist jedoch nicht eine isolierte, einseitige sondern immer eine integrative, gesamtheitliche Betrachtungsweise mit einem gestalterischen Anspruch.
Unternehmen gehen zunehmend dazu über, mit ihren Firmengebäuden auch Statements zu setzen. Ist das prinzipiell ein guter Ansatz? Und: Wo sehen Sie im Allgäu besonders geglückte Beispiele dafür?
CI-prägende Architektur als Folge eines bewussten Firmenleitbildes im Sinne etwa eines Otl Aicher verdient immer Anerkennung - gute Beispiele dafür sind im Allgäu jedoch noch eher die Ausnahme denn die Regel. Oftmals wird über den Faktor ,möglichst niedrige Investitionskosten‘ der entsprechende Nachhaltigkeitsaspekt außer Acht gelassen, anstatt durch den gebauten Firmenauftritt neben dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil auch eine langfristige Bereicherung für Nutzer und Betrachter zu erzielen.
Es ist ein herber Verlust für die Allgäuer Kulturlandschaft, wenn ein derartig bedeutendes Bauwerk eines der angesehensten Architekten seiner Zeit in unserer Region dem Erdboden gleich gemacht werden soll. Gilt das altehrwürdige Gebäude, in seiner heutigen Form nach den Plänen von Andor Àkos (gemäß Werkverzeichnis Nr. 26) 1930 erbaut, doch nach unabhängiger Expertenmeinung als „einer der schönsten im Allgäuer Landhausstil ausgeführten Gasthöfe, bei dem auch die komplette Inneneinrichtung vom Architekten entworfen wurde. Die Gestaltung der Fassaden verbindet die regionale Bautradition mit Elementen des Neuen Bauens der 20er Jahre. Das Gebäude stellt wegen seines Erscheinungsbildes und des Standortes einen dominanten Baukörper im Ortskern dar und ist deshalb als ortsbildprägend eingestuft.“ Nahezu ein Gesamtkunstwerk also vom Städtebau bis zum Interieur, ein wertvoller Zeitzeuge mit Charakter und Atmosphäre. Eine insofern nicht erfolgte sorgfältige Untersuchung der Sanierungsmöglichkeiten vor einer endgültigen Entscheidung des Gemeinderates zur Zukunft des Gebäudes lässt unserer Ansicht nach nicht nur kulturelle und geschichtliche Sensibilität vermissen, sondern grenzt ebenso an wirtschaftliche Verantwortungslosigkeit. Leider ist es in unserer Region noch immer Gang und Gäbe bedeutende historische Bauwerke „mit einer Seele“ der Abrissbirne zu opfern – nach dem Motto ’weg mit dem alten Glump’. Ein Blick über die Landesgrenzen nach Tirol oder in den Bregenzer Wald lässt erkennen, dass hier sehr viel respektvoller mit solchen Dingen umgegangen wird, ja über das behutsame Bewahren und zeitgemäße Weiterbauen in den alten Ortskernen eine individuelle Identität geschaffen wird, die sich – neben der unmittelbaren Lebensqualität für Einheimische – auch finanziell in touristischer Hinsicht rechnet. Unverständlich ist zudem, dass diejenigen Entscheidungsträger, die bei allen anderen Gelegenheiten immer auf Tradition pochen, in Fällen wie dem Hotelgasthof „Löwen“ – aus welchen Gründen auch immer – überstürzt Abbruchentscheidungen fällen, die schmerzhafte Leerstellen hinterlassen. Exemplarisch sei an dieser Stelle der Abriss der Ortsmitte in Blaichach mit „Reichsadler“ und Bahnhof genannt, der bis heute nicht nur bauliche, sondern vor allem soziale Lücken im gesellschaftlichen Leben des Ortes hinterlassen hat. Auch das Entfernen von bedeutenden historischen Bodenrelikten – so geschehen am Kemptener Hildegardplatz -, die in anderen Städten als wertvolles Potential für eine kulturelle Identitätsstiftung und zugleich für eine touristische Entwicklung in Wirkung gesetzt werden, ist eine von vielen Situationen in einer langen Reihe, wo allzu sorglos mit dem baulichen Erbe in unserer Region umgegangen wurde. Auffallend ist, dass der Verlust von Geschichte und Authentizität bei uns gleichzeitig mit dem Bau von Scheinwelten, wie dem geplanten, sogenannten „Allgäuer Dorf“ bei Füssen einhergeht, die oberflächliche, einseitig auf wirtschaftlichen Profit ausgerichtete Pseudokopien einer nie da gewesenen Alltagskultur sind. Eine Sehnsucht nach Heimat muss es also geben. Am besten sucht und pflegt man diese aber in der Wirklichkeit. Positive Beispiele, wie wir geschichtlich Wertvolles behandeln sollten, gibt es zu Glück auch. Erwähnt seien hier die Öffnung und Sanierung der unterirdischen Erasmuskapelle am St. Mang-Platz in Kempten oder die seinerzeit ebenso vom Abbruch bedrohte Villa Jauss in Oberstdorf – beide heute mit ihrer überregionalen Ausstrahlung nicht mehr wegzudenken aus dem Kulturgut im Allgäu. Die Oyer Bürger und Verantwortlichen, die den Wert des „Löwen“ schätzen und in seinem Erhalt eine Chance für ihren Ort sehen, können wir nur ermutigen, weiter für eine vernünftige und qualitätvolle Sanierung zu arbeiten. Es muss ja nicht immer alles auf einen Schlag gehen. Im Gegenteil, viele schon totgesagte, heute beliebte, erfolgreiche und zudem preisgewürdigte Revitalisierungen, sind in kleinen, sorgsamen Schritten zu neuem Leben erweckt worden. Wir wünschen uns jedenfalls, dass diesbezüglich hoffentlich ein Umdenken stattfindet und so unsere gemeinsame Allgäuer Heimat nicht noch mehr Gesichtsverlust erleidet.
März 2013
Mit dem Baupreis Allgäu 2013 werden nach 2005 und 2009 bereits zum dritten Mal vorbildliche Bauwerke in der Region und ihre Bauherren ausgezeichnet
... Informationen zur Auslobung und Online-Portal zur Einreichung ab 17.06.2013, 12:00 Uhr unter www.baupreis-allgaeu.de
Kulturlandschaft Oberallgäu Das Oberallgäu ist eine Kulturlandschaft mit langer Tradition und daher ist hier Landschaft Identifikationsfaktor der Einheimischen sowie wichtigstes Argument für die Bedeutung der Region als Reiseziel. Der Tourismus profitiert im Oberallgäu gegenwärtig noch von einer Landschaft, die unter völlig anderen wirtschaftlichen Bedingungen als den heutigen entstanden ist und die es in der bisher vertrauten Form schon in wenigen Generationen nicht mehr geben wird. Inwieweit der Tourismus die ökonomische, ökologische und emotionale Bedeutung der Kulturlandschaft erkennt und bereit ist, dafür Verantwortung zu übernehmen, ist eine der spannendsten Fragen der nahen Zukunft.
Tourismus: Perspektiven „Mit gut fünf Millionen Ferienbetten, 120 Millionen Feriengästen und 500 Millionen Übernachtungen pro Jahr sind die Alpen eine der größten Tourismusregionen der Welt.“ (Werner Bätzing, Kleines Alpen-Lexikon). Die Tourismusindustrie prägt jedoch nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unsere Kultur – sie fordert und fördert großräumliche Entwicklungen, die sich durchaus auch als Fehlentwicklungen erweisen können. Die einheitliche Sterne-Kategorisierung der Hotellerie mit ihren seitenlangen Listen der zu erfüllenden Ausstattungskriterien sagt viel über die zu erwartende Ausstattungsquantität – aber leider nichts über die architektonische Qualität und noch weniger über die Einbindung in das gesamte Ortsbild aus. Für immer mehr Touristen bedeutet eine zeitgemäße Gestaltung erhöhtes Wohlbefinden, denn nachweislich steigen mit zunehmender Bildung die ästhetischen Ansprüche. Dies trifft insbesondere auf die Angehörigen der höheren Einkommensgruppen zu, die für jede Tourismus-Destination zu den begehrten Gästen gehören.
Dörfer, die ihre Seele verlieren In Gemeinderäten werden planerische und bauliche Entscheidungen oft ohne langfristige touristische und städtebauliche Konzepte gefällt, selbst wenn sie von größter landschaftsprägender Relevanz sind. Wenn spürbar wird, dass die Übernachtungszahlen in der Gemeinde zurückgehen, ist man alarmiert. Dann aber wird mit „Schnellschüssen“ reagiert: ein Vier-Sterne-Hotel muss her. Das geforderte Gesamtkonzept der Orts- und Tourismusentwicklung wird meist nicht oder nur mit kurzfristig beauftragten Konzepten als notwendiges Übel abgehandelt. Die Marktgemeinde Bad Hindelang wollte einen potentiellen Investor nicht verlieren und genehmigte im März 2010 trotz erheblicher Bedenken und Einwände der Einheimischen ein ca. 12.000 m2 großes, kasernenartig geplantes Hotelprojekt im kleinen Ortsteil Oberjoch. Die kritische Beurteilung durch Fachleute, Einheimische und Touristen, dass „Siedlungen, wie der Ort Oberjoch, ihren dörflichen Charakter durch den Bau großer Hotels und touristischer Infrastrukturen stark veränderten“ (Andreas Güthler „Allgäu im Wandel“, 2006) wurde ignoriert. Im Jahr 2006 erschien eine ausführliche Untersuchung von Markus Pingold „Wahrnehmung und Bewertung des Landschaftswandels in Bad Hindelang im Allgäu“, in der ein Einheimischer feststellt, dass das Ortsbild von Oberjoch am schlimmsten betroffen sei, weil massive, große Gebäude auf einen kleinen Ort träfen. Ein anderer Befragter wurde in seiner Äußerung sehr konkret und nannte die Oberjocher Großbauten einen landschaftlichen Stein des Anstoßes. „Solche Klötze müssen nicht sein! Das ist nicht landschaftsverträglich. Das kann natürlich sein, dass ein Kaufmann sagt, ‚Es muss so in dieser Größenordnung sein, sonst kann man kein Geld verdienen.‘ Aber schön ist es nicht. Also die Ästhetik leidet.“ Max Hillmeier, der Kurdirektor von Bad Hindelang, stellt in der Studie fest: „Wir haben sicherlich mit dem Ökomodell eine unheimliche Philosophie (...) gehabt. Wir haben sie jetzt natürlich immer noch, aber sie ist (...) verwässert worden (...) mit den Bergbahn-Investitionen. Aber hinter denen stehe ich voll – das ist nur in der Öffentlichkeit schwierig. (…) Ich glaube, Tourismus ganz ohne Technisierung geht nicht, man muss dann ganz einfach auch bestimmte Teile der Landschaft wie das Oberjoch dafür bereit stellen.“
Fazit Das architekturforum kritisiert den städtebaulichen wie architektonischen Eingriff in das Bergdorf Oberjoch durch den Hotelneubau. Um weitere derart landschaftlich unverträgliche Eingriffe zu vermeiden, ist eine offene und kritische Debatte um die weitere Entwicklung der touristisch baukulturellen Infrastruktur im Oberallgäu wünschenswert. Das ästhetische Erscheinungsbild der Ortschaften wird in Zukunft immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses rücken – und rücken müssen. Wir brauchen mehr Diskussionen mit Einheimischen und auch Gästen. Es gibt kulturelle und anthropologische Grundregeln der Wahrnehmung, der Bewegung und des Erspürens von Raum, die berücksichtigt werden sollten. Immer mehr Touristen werden durch öffentliche Architektur-Diskussionen und eigene Anschauung sensibler hinsichtlich Architektur und Ambiente. Hier sind innovative, wohl durchdachte Konzepte gefordert, um die Tourismusregion Allgäu nicht langfristig zu gefährden.
Hinweis:
Alle bisher veröffentlichten Randnotizen incl. Sammelmappe werden auf Anforderung kostenfrei abgegeben.
Zwei ungleiche Häuser basierend auf einem Modul-Haustyp in hybrider Bauweise
Leitidee und Gebäudekonzept Das Gesamtgrundstück mit 2.265m² war im bestehenden Bebauungsplan für vier Reihenhäuser konzipiert. Heutzutage war vom Bauträger als langjährigem Eigentümer der Grundstückes eine Vermarktung als Reihenhausgrundstücke mit Gemeinschaftsgarage nicht möglich, weil ein durchschnittlicher Grundstücksanteil pro Reihenhaus von ca. 556m² nicht mehr vermittelbar war. Es war daher eine Neukonzeption und Verkauf an zwei Einzelbauherrn und Abweichungen vom Bebauungsplan notwendig. Die beiden neuen Eigentümer machten sich zusammen auf die Suche nach einem Architekten, der sie auf diesem Weg leiten sollte. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Firstrichtung längs der Straße wäre wegen den Abstandsflächen auf den Giebelseiten nur eine Bebauung der beiden nur ca.22m breiten Grundstücke mit zwei Häusern von maximal je 15m möglich gewesen.
Die neue Konzeption sieht dagegen eine Bildung einer Hausgruppe vor. Das südliche Haus wurde um 90 Grad gedreht, die Räume sind alle nach Süden orientiert. Das nördliche wurde parallel zur Straße situiert. Die Ost-West Ausrichtung der Räume des Gebäudes verhindert Verschattungen durch die höher gelegene südliche Nachbarbebauung. Beide Häuser der Hausgruppe wurden aus einem Modul-Haustyp entwickelt. Die beiden Häuser haben jeweils drei hochwärmegedämmte geschlossene Seiten und eine vollverglaste Seite mit großzügiger überdachter Terrassen- und Balkonzone. Die weit auskragende Überdachung an der Glasfassade liefert sowohl Wetterschutz im wechselhaften Allgäuer Sommer als auch konstruktiven Wärmeschutz an den Sommertagen und bestmögliche solare Gewinne bei tiefstehender Sonne an den Wintertagen. Der First liegt mittig über dem Gebäude, dadurch ergibt sich eine asymetrische Ausbildung des Daches.
Konstruktion und Materialität Die beiden Baukörper sind als Hybrid-Konstruktion konzipiert: 1. Massivbau mit hangseitigen Wänden als Sichtbetonkonstruktion aus Halbfertigteilen und Massivdecken aus Stahlbeton und 2. hochwärmegedämmter Holzbau für Hülle, Außenwände und Dach
Die beiden Häuser wurden sehr unterschiedlich materialisiert. Das Haus H15 wurde nach Außen mit vorpatinierten Lärchenholzschindeln sehr natürlich und nach Innen in reduzierten Weiß-Schwarztönen farblich sehr zurückhaltend gestaltet. Umgekehrt ist das Haus H17 Außen mit in einem kühlen Blechkleid und nach Innen mit sägerauhen Weißtannenverkleidungen versehen worden. Das Wechselspiel und der Dialog der beiden ungleichen Modul-Häuser werden durch diese kontrastreiche Materialwahl akzentuiert.
Energie- und Haustechnikkonzept Die beiden Gebäude erfüllen in der Gebäudehülle den Passivhausstandard. Eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle sowie eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ergänzen das Energiekonzept. Die Anforderungen zum KfW-Effizienzhaus 40 werden deutlich unterschritten. Das Haus H15 wird mit einer Sole-Wasserwärmepumpe mit Erdsonden 2x80m mit Energie versorgt. Die Wärmeübergabe erfolgt in angenehmer Strahlungswärme durch die Fußbodenheizungen. Im Sommer kann dieses System auch zur Kühlung herangezogen werden. Das Haus H17 wird lediglich mit zwei Pelletseinzelraumöfen beheizt. In Verbindung mit der voll in die Dachfläche integrierte Photovoltaikanlage auf Haus H17 wurde ein Plusenergiehaus realisiert, d.h. das Gebäude produziert mehr Energie als es verbraucht.
Bauherr: privat
Projektbeteiligte: Architektenleistungen: f64 Architekten, Kempten Tragwerksplanung: Manfred Merdian, Durach HLS-Planung: Güttinger Ingenieure, Kempten Elektro-Planung: Kettner & Baur GmbH, Memmingen Freianlagenplanung: Marita Zinth, Immenstadt Bauzeit H15: 10/2010 - 08/2011, H17: 04/2011 - 12/2011
Fotografie: Rainer Retzlaff, Niedersonthofen
Der Kemptener Bauausschuss hat am 12.07.2012 die erneute Änderung des Bebauungsplans „Ehemaliges Gelände des Allgäuer Brauhauses“ beschlossen. Hierzu möchte das architekturforum kempten oberallgäu nochmals fachlich Stellung nehmen, wie dies zuvor schon am 31.05.2011 bzw. in unserer Randnotiz .07 geschehen ist. Offensichtlich haben sich die Planungen seitdem nicht zum Positiven weiterentwickelt.
Ausgangspunkt Dass „die städtebaulichen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund des Entwicklungskonzepts eines Investors entwickelt und beschlossen“ wurden (Begründung Bebauungsplan Seite 16) – und dies in aller kürzester Zeit (Ende 2005 Entwicklungskonzept / 12.01.2006 Beschluss Bauausschuss) – ist der eigentliche Geburtsfehler, auf den an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden soll. Bis heute ist jedenfalls ein unbefriedigendes Verfahren mit einem ebensolchen Zwischen(?)-Planungsstand zu konstatieren.
Sudhaus Symptomatisch hierfür ist der Umgang mit dem Sudhaus. Das Konzept, auf dem der jetzige Bebauungsplan basiert, hatte vorgesehen, das Sudhaus abzubrechen, wie sich das der Investor auch wünschte. Das Sudhaus wird bekanntlich inzwischen als „ortsbildprägend“ (Begründung Bebauungsplan Seite 18) eingeschätzt, dem wir grundsätzlich zustimmen. Aber: „Durch das Sudhaus in sehr zentraler Lage auf dem Areal ist es städtebaulich nicht mehr möglich, einen zentralen Platzbereich im Quartier, wie im Wettbewerbsergebnis vorgesehen, zu schaffen“ (Begründung Bebauungsplan Seite 18). Damit ist jedoch ein wesentliches Qualitätsmerkmal des Konzepts nicht mehr gegeben, wodurch der vorliegende Bebauungsplan konsequenterweise in Frage gestellt werden muss.
Öffentlicher Raum und Durchwegung Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Behandlung des öffentlichen Raums, so vor allem die Durchwegung durch das Quartier. Die unattraktive Wegeführung über den Anliefer- und Tiefgarageneinfahrtshof des Zentralhauses zur Beethovenstraße, die nichtöffentliche Verbindung durch das Zentralhaus zur Bahnhofstraße und das Versperren von Be-reichen oder gar des ganzen Areals bergen die Gefahr, dass das Quartier aus dem städtischen Gefüge ausgeschlossen wird und eine „Gated Community“ entsteht.<br/>Prinzipiell wird innerstädtisches, verdichtetes Wohnen befürwortet, jedoch kann man in Frage stellen, ob der angestrebte„Ressortcharakter“ (Begründung Bebauungsplan Seite 37) für die Stadt Kempten und ihr soziales Gefüge sinnvoll ist.
Städtebauliche Struktur Weitere Indizien für die Schwächen des vorliegenden städtebaulichen Entwurfs sind Notbehelfe, die erst durch die Baukörperanordnung entstehen, besonders die mehrgeschossige, verglaste Schallschutzwand<br/>gegenüber des Zentralhauses.
Kellerstraße Widersprüche zeigen sich auch beim Thema ehemalige Kellerstraße. Einerseits soll u.a. das Sudhaus diesen historischen Straßenraum nachzeichnen (Begründung Bebauungsplan Seite 18), andererseits mündet diese in besagtem Anlieferhof in einer Sackgasse auf der Rückseite des Zentralhauses. Zudem wird an anderer Stelle der Begründung des Bebauungsplanes die ermöglichte Verschiebung des Sudhauses damit begründet, dass „diese Straße stadträumlich kaum mehr nachvollziehbar ist“ (Begründung Bebauungsplan Seite 20).
Die angeführten Punkte möchten wir bewusst als positive, für das Projekt förderliche Kritik verstanden wissen. Das architekturforum kempten oberallgäu ist, wie viele andere Bürger und die Entscheidungsträger auch, sehr an einer qualitätvollen Entwicklung dieses für Kempten so wichtigen Gebiets interessiert.
Juli 2012
Alt und Neu in Kempten
Ab Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde „Im Oberösch“ in der damals noch selbstständigen, aus vielen kleinen Ortsteilen bestehenden, Gemeinde Sankt Mang nach einem städtebaulichen Wettbewerbserfolg durch Dr. Friedhelm Amslinger, München, das neue Zentrum der Gemeinde im Stil des klassisch-modernen Städtebaus geplant und in weiten Teilen umgesetzt.
In einem strengen orthogonalen Raster stehen 6 Punktwohnhäuser zusammen mit dreigeschossigen Zeilenbauten in einem großzügig parkartig durchgrünten Gelände, an der nördlichen Erschließungsstraße ist das Einkaufen in einer eingeschossigen Ladenpassage und die Verwaltung der als Bauherr fungierenden Wohnungsgenossenschaft BSG-Allgäu eG in einem Solitär angeordnet.
Das vorgesehene Kernstück des Quartiers, ein neues Rathaus, wurde nach der Eingemeindung Sankt Mangs in die Stadt Kempten1972 nicht realisiert, an seiner Stelle wurde in den Achtzigern ebenfalls durch Dr. Amslinger eine große Seniorenwohnanlage realisiert.
Ab 2008 wurde das 1993 auf drei Geschosse aufgestockte Bürogebäude und die etwas in die Jahre gekommene Ladenpassage unter Beibehaltung der Architektursprache der Sechziger Jahre behutsam modernisiert und aktuellen technischen Standards angepasst.
Im Rahmen des Projekts der Sozialen Stadt Sankt Mang wurde das gesamte Quartier mit Umfeld 2009 landschaftsplanerisch untersucht. Als Ergebnis konnte die Neugestaltung der Aussenanlagen „Im Oberösch“ und der vorgelagerten Erschließungsfläche mit Mitteln der Städtebauförderung realisiert werden. Der 2010/2011 neugestaltete Quartiersplatz präsentiert sich als Funktionsband zwischen den Gebäuden mit einer baumbestandenen Angerzone entlang der Ladenpassage. Klar definierte Freibereiche, vielfältige Nutzungs- und Aufenthaltszonen und eine differenzierte Massstäblichkeit prägen die Neugestaltung unter Berücksichtigung der Struktur des Gebäudebestands.
Als vorerst letzter Baustein konnte im Frühjahr 2012 an der platzabgewandten Ostseite der Ladenpassage der “ Treffpunkt Im Oberösch“ eingerichtet werden. Durch die Anordnung eines Atriums werden die Räume im Untergeschoß mit einem eigenem Zugang versorgt und einem geschütztem Freiraum versehen. Differenzierte Raumangebote für soziale, kulturelle und gemeinschaftsfördernde Projekte stehen Anbietern und Nutzern zur Verfügung und werden das Stadtteilzentrum „Im Oberösch“ weiter beleben.
Das architekturforum übt deutliche Kritik an der städtebaulichen Entwicklung des Brauhausgeländes und vor allem an der Diskussion über die Zukunft des Sudhauses. Den von den Investoren ins Spiel gebrachten Vorschlag, das Sudhaus abzubrechen, um es vier Meter versetztwieder aufzubauen, hält das forum für unangemessen. Vorgehensweise hinterfragt Das Verfahren, das zum jetzigen Stand der Diskussion führte, wird als vermeintlich richtiger Weg zu einer zukunftsfähigen, identitätsstiftenden Lösung für das Brauhaus-Gelände in Frage gestellt. Anstatt selbst als Auslober und federführender Auftraggeber des Wettbewerbs einen klar umrissenen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben – auch mit der Option in kleineren Einheiten zu denken – überließ die Stadt dies Investoren, deren Interessen sich an der bestmöglichen kommerziellen Verwertbarkeit orientierten. Preisrichter und Vorprüfer aus dem Wettbewerb sind jetzt als Planer für die neuen Investoren tätig, was in Fachkreisenals eindeutiges Tabu gilt. Der seinerzeit siegreiche Entwurf von Münchener Kollegen ist mittlerweile hinsichtlich der Bedürfnisse des Investors wiederholt umgestaltet worden, die bewerteten Qualitäten kaum mehr erkennbar.
Geschichtsvergessenheit vermeiden Die Stadt bzw. der auslobende Investor hatte im fortgeschrittenen Wettbewerbsverfahren den Abriss des Sudhauses zur Auflage gemacht. Der Ansatz einiger Wettbewerbsteilnehmer, die den Erhalt als Bereicherung für das Stadtbild und emotionales Kapital befürworteten, wurde nicht aufgegriffen. Erst nach öffentlichem Protest wurde das Sudhaus wieder in die Planungen einbezogen. Andere Städte füllen mit großem Aufwand historisch gewachsene und unverwechselbare Areale sensibel mit neuem Leben, das ehemalige Warteck–Brauerei-Areal in Basel ist als Beispiel anzuführen. Die Stadt Kempten dagegen vergibt nach dem derzeitigen Stand der Dinge die Chance, ein städtebaulich und historisch bedeutendes Kernstück durch hochwertige bauliche Ergänzung zu einer Bereicherung für die ganze Stadt weiterzuentwickeln.
Sudhaus als Gebäude mit Erinnerungswert bewahren Nach vielen Abrissen und geschichtsvergessenen Bebauungsfehlern der letzten Jahrzehnte ist die Bevölkerung sensibler geworden, was die Uniformierung ihrer Innenstadt angeht. Die Auslöschung nahezu aller Gründerzeitbauten an der Ecke Bahnhof-/Beethovenstraße und deren Ersatz durch Zentralhaus, Illerkauf, ehemalige Quelle (jetzt neu bezogen durch Drogeriemarkt Müller) und Oberpaur (heute Reischmann), funktioniert schon nach wenigen Jahrzehnten sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch nicht mehr. Leerstand und die mühsame Aufhübschung der Fassaden können nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass die Akzeptanz der Kemptnerinnen und Kemptner nicht gegeben ist und hier keine Orte entstanden sind, die einer lebendigen, unverwechselbaren Innenstadt ihr Gesicht geben. Was das Sudhaus betrifft, drängt sich momentan der Verdacht auf, dass mit Führungen durch das Gebäude und dem Versuch einer einseitig gesteuerten öffentlichen Meinung die angebliche Wertlosigkeit des Sudhauses demonstriert und so einem ersatzlosen Abriss das Wort geredet werden soll. Vorausschauende, auf den historischen Bestand bezogene städtebauliche Überlegungen werden hier wirtschaftlichen Interessen mit fragwürdiger Halbwertszeit geopfert.
Bürgerschaft soll Stadt mitgestalten können Das architekturforum schlägt für die Zukunft eine Vorgehensweise vor, an deren erster Stelle ein von der Stadt selbst auszulobender städtebaulicher Ideenwettbewerb steht, in engem Diskurs mit der Bürgerschaft. Daraus sollten politische Entscheidungen über die gewünschten Rahmenbedingungen hervorgehen. Dann erst sollten Bebauungsplan, Suche nach Investoren, gegebenenfalls ein Realisierungswettbewerb oder die Begleitung durch einen Gestaltungsbeirat (randnotiz 06) folgen.
Mai 2011
(in Auszügen veröffentlicht in der Allgäuer Zeitung, 31. Mai 2011)
Sie nennen sich Gestaltungsbeirat, Planungsbeirat, Beratungsgremium oder Baukunstbeirat:
Meist namhafte Architektinnen, Architekten und Gestalter werden zu Rate gezogen, wenn es um wichtige städtebaulich prägende Vorhaben in der eigenen Stadt oder Region geht. Legitimiert wird das Gremium üblicherweise durch eigens formulierte städtische Satzungen, die sämtliche Modalitäten individuell festschreiben. Deutschlandweit gibt es, so war der Dezemberausgabe des Deutschen Architektenblattes zu entnehmen, bereits in über 70 Städten und Gemeinden solche Gestaltungsbeiräte, im direkten Umfeld des Allgäus z. B. in Augsburg, Landsberg und Ravensburg.
Handfeste Vorteile durch Fachwissen Ein oft geäußerter Vorbehalt gegen diese Einrichtung lautet, dass ein Gestaltungsbeirat die politischen Mandatsträger in Ihrer Entscheidungsfreiheit einschränke. Wenn man sich aber unvoreingenommen mit Vertretern aus Städten unterhält, die entsprechende Beiräte installiert haben, wird man rasch feststellen, dass genau das Gegenteil der Fall ist: ein solches Gremium liefert fundierte Beratung, die in der Regel als qualifizierte Entscheidungshilfe zu wesentlich besseren Endergebnissen führt. Ein weiteres, häufig genanntes Argument ist, dass ein Beratungsgremium Zeit beansprucht und zusätzliches Geld kostet. Zum einen werden Bauvorhaben, die dem Gremium präsentiert werden, normalerweise – vor allem von Investorenseite – wesentlich fundierter aufbereitet und nehmen bei entsprechender Qualität damit schneller die Genehmigungshürden, wodurch sich die Gemeinden und Städte zum anderen hauptamtliche Personalstunden bei der Bearbeitung der Bauanfragen sparen.
Aufwertung von Bauprojekten Das architekturforum befürwortet deswegen nicht nur die Einrichtung von Gestaltungsgremien in den Städten unserer Region, sondern ebenso auf gemeindlicher Ebene; hier sollte ein Gestaltungsbeirat beim jeweiligen Landratsamt abrufbar sein, um bei Bedarf in die jeweilige Landgemeinde geholt werden zu können. Als Fernziel wäre es wünschenswert, wie dies seit vielen Jahren beispielhaft in Regensburg praktiziert wird, dass eine bestandene Prüfung durch den Baukunstbeirat ein Qualitätssiegel darstellt, welches wiederum Investoren oder Bauträger auch marketingmäßig einsetzen können. Das architekturforum kempten oberallgäu bietet interessierten Städten und Gemeinden an, Kontakte zu Kommunen herzustellen, die bereits Erfahrungen mit der Einrichtung solch eines Gremiums sammeln konnten, um sich praxisnah die Vorteile eines Gestaltungsbeirates schildern zu lassen.
Januar 2012
Seit dem Jahr 2010 ist die Neugestaltung des St. Mang-Platzes südlich der St. Mangkirche abgeschlossen. Das Ziel dabei war von Beginn des Planungsprozesses an, den Platz wieder enger an seine direkte Umgebung anzubinden, die ihn umgebenden Stützmauern abzutragen, ihn mit neuem Bodenbelag für vielfältige Nutzungen auszustatten und damit neuem Leben in der Altstadt Vorschub zu leisten. Die ehemalige Friedhofskapelle St. Michael sollte dabei im Grundriss sichtbar gemacht werden.
Der Geschichte der Stadt Rechnung getragen Dass bei den archäologischen Grabungen im Zuge der Neufassung im Jahr 2008 die Erasmus-Kapelle unter der Michaelskapelle so gut erhalten zum Vorschein kommen würde, veränderte das Potential. Die seltene Form der Doppelkapelle aus dem 13. Jahrhundert war als Kombination aus Friedhofskapelle oben und Beinhaus darunter angelegt. Bald nach der Einführung der Reformation in der Reichsstadt Kempten wurde das Ensemble als Leinwandschauhaus und später als Schmalz-Waage oben, als Trinkstube unten umgewidmet. Konfessions-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ein greifbares Stück Doppelstadt Kempten standen zur Diskussion. Nach heftigen Auseinandersetzungen im Stadtrat, bei denen bis zuletzt auch das Wiederverfüllen der Grube drohte, wurde im März 2009 ein öffentlich zugänglicher Schauraum beschlossen. Ein Regensburger Architekturbüro und Stuttgarter Mediendesigner gestalteten den Schauraum samt Zugang und die Inszenierung der geschichtlichen Informationen. Die Stadt Kempten nutzte damit die Chance auf die Neuinterpretation eines Teiles ihrer Geschichte. Als authentischer Ort wird die Erasmuskapelle bereits regelmäßig in Stadtführungen zur Geschichte der Doppelstadt einbezogen. Mit dem nur unweit gelegenen Beginenhaus an der Burgstraße und der Burghalde in der Nähe wird das historische Gedächtnis anschaulich und lebendig. Unabhängig davon reißt die Kritik am neuen Aussehen des Platzes nicht ab.
Mangelnde Akzeptanz trotz gelungener Stadtplanung Warum gibt es so viele Stimmen, die sich gegen diese Platzgestaltung aussprechen? In mehreren Veranstaltungen und in der Presse wurde zuvor die Gestaltung vorgestellt und diskutiert – damals weitgehend ohne Ablehnung, sieht man von der Verkehrsführung einmal ab. Und jetzt der Ruf nach einem Stadtgarten oder einem Spielplatz, obwohl nebenan derBurghaldepark und die Illeraue einladen?
Zentraler Ort im (reichs-)städtischen Leben Kurzer geschichtlicher Abriss: Hier war seit dem frühen Mittelalter der „Friedhof im Obstgarten“ bei der St. Mangkirche, mit der Friedhofskapelle St. Michael und St. Erasmus, eingesäumt von der Friedhofsmauer. Vor dem Kircheneingang die Gerichtslinde, wohl auch der Galgen. An der Friedhofsmauer das St. Anna – Kloster, der Briefturm, die Kirchenverwaltung, Kloster, Kanzlei. Angrenzend Patrizierhäuser und Gasthäuser mit Brauereien. Also städtisches Leben, keine dörfliche Idylle mit Bauerngärten und keine Parkanlage. Nachdem der Friedhof zu klein war, wurde er im 16. Jahrhundert zur Burghalde verlegt und der Platz war der Ort für Märkte aller Art – bis zum Ende des 20. Jahrhunderts! Man kennt noch die Jahrmärkte dort, den Weihnachtsmarkt, den Bauernmarkt, die Autoausstellung, den Kinderflohmarkt, Altstadtfeste ... es war immer rappelvoll. Wo ist das geblieben? Eine Nutzung nach der anderen wurde verlagert, der Platz war leer und ungepflegt. Auch die Bevölkerung ist abgezogen in die Neubauviertel und auf die Dörfer. Der Kindergarten wurde geschlossen. Nur die Boule-Spieler blieben. Die Touristen schüttelten die Köpfe. Der Handlungsbedarf war groß. Durch die überraschenden historischen Funde verzögerte sich die Neugestaltung noch einmal.
Neues Leben statt leerer Bühne Diese Neugestaltung freilich ist sehr gut gelungen. Ein großzügiger Stadtplatz wie in Italien ist entstanden - von der Bauverwaltung bis ins Detail gestaltet – der die schönen Häuser ringsum veredelt. Aber es fehlt etwas: Leben. Und das spüren die Menschen. Mit Pflanztrögen wird man es allerdings nicht zurückholen. Man muss die Menschen zurück in die Stadt holen, zum Wohnen und Arbeiten, und wieder Veranstaltungen anbieten. Die Eröffnung des Platzes im September 2010 mit den „Carmina burana“ zeigte das kulturelle Potential und die Bespielbarkeit dieses Ortes auf. Die Verbindung von Kircheninnerem und Außenraum; städtisches Leben, das sich auf dem Platz ausbreitet; wer möchte, bringt bei Bedarf seinen eigenen Stuhl mit. So könnte es funktionieren, eine offene Bühne, die lebt. Fangt klein an und lasst es sich entwickeln, dann ist der Platz nicht mehr leer.
Juni 2011
Die Frage, ob die Nordspange verkehrsfunktional und für die Stadtentwicklung sinnfällig ist oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden. Darüber wird an anderen Stellen ausführlich gestritten. Gefragt wird, welche Wirkungen der nördliche Brückenschlag über die Iller für die räumliche und kulturelle Qualität im gelebten Alltag unserer Stadt haben könnte? Mit der Nordspange wird in Kempten ein neues Stück Stadt oder besser gesagt ein neues Stück „Stadt-Landschaft“ entstehen. Mit Stadt-Landschaft sind Bereiche gemeint, die städtische und zugleich ländliche bzw. naturräumliche Elemente aufweisen. Beispielsweise werden dort weiterhin Landwirte die Wiesen bewirtschaften währenddessen in unmittelbarer Nähe High-Tech-Betriebe Produkte für den globalen Markt herstellen und nur einen Steinwurf davon entfernt ein Biber die Nebenbäche in den Illerauen aufstaut. Gebiete wie diese sind charakteristisch für unsere heutige Siedlungsentwicklung. Ihre räumliche Gestalt entsteht in der Regel zufällig im Zuge von technischen und funktionalen Notwendigkeiten, die wiederum ökologischen Ausgleich erfordern. So geschieht es auch in diesem Bereich von Kempten. Die neue Brücke, die auf dem Land in erster Linie als großes, blockierendes Dammbauwerk und über dem Fluss als Betonplatte erlebt werden wird, ist als reine Verkehrsinfrastruktur geplant. Da die Gewerbeflächen im Stadtgebiet knapp sind, werden hier die neu entstehenden Bereiche für gewerbliche Nutzung vorgesehen. Verbunden damit müssen die nicht unerheblichen technisch-baulichen Eingriffe mit der „Natur“ durch den Umbau der Iller in eine Auenlandschaft ökologisch versöhnt werden.
Nachhaltige Entwicklung von Lebensraum statt einseitiger Funktionalisierung Die große Frage ist – nicht nur aus städtebaulich-architektonischem Blickwinkel, sondern vor allem wenn es um alltägliche Lebensqualitäten geht: Kann eine der größten baulichen Veränderungen in Kempten in den letzten Jahrzehnten einen Mehrwert über den momentan angestrebten Zweck hinaus haben, um wirklich nachhaltig wertvoll für die Bevölkerung zu sein? Kann diese Stadt-Landschaft an der Nordspange räumlich gestaltet werden? Möglicherweise als ein Stadt-Landschafts- Park, in dem vielfältige, städtische Nutzungen wie Wohnen und Arbeiten mit Landwirtschaft, Natur und Naherholung als unterschiedliche Lebensbereiche in einem großen Garten Gestalt finden? Das könnte konkret heißen: … Gebrauchsräume für vielfältige Situationen der Arbeit und der Frei zeit. Gerade für eine Gesellschaft wo sich Familie, Beruf und Erholung immer komplexer verweben und überlagern … Öffentliche Räume für Kommunikation und Austausch zwischen den Gebäuden, entlang der Iller und bei der Brücke … Lebensräume auch auf und unter der neuen Brücke, in den Straßen und auf den Wiesen statt Nicht-Orte, Schleusenräume und Abstandsflächen … Sinnliche Räume, die – über eine funktional-technische Umsetzung hinausgehend – durch eine bewusst ästhetische Gestaltung der Landschaftsformation entstehen. Wie sind Dämme, Ebenen, Ränder, Brücken und Unterführungen in ihrer räumlichen Wirkung erlebbar? Welche baulichen Elemente können zu Landmarken werden? Ist in der Bewegung beim Überbrücken der Iller, beim Verweilen an den Ufern oder auf den Wegen und Straßen Weite, Enge, Höhe oder Tiefe spannungsvoll zu spüren?
Neues Verständnis von städtischem Raum als Gewebe aus Arbeit, Wohnen und Erholung Die Gestaltung der Nordspange wäre zuallererst eine kulturelle Aufgabe, die als „Nebeneffekt“ die gewünschte Verkehrsfunktion mit sich bringt. Baukultur und Kulturlandschaft könnten dann gerade hier einen „weichen Standortfaktor“ und ein „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber konkurrierenden „Gewerbe“-Gebieten schaffen. Anknüpfungspunkte sind vorhanden. Die neu entstehenden Illerauen, das Projekt „Iller erleben“ flussaufwärts, der bei der Bevölkerung beliebte Illerwanderweg, der alte Stiftsbleichehof, der gerade zu neuem Leben erweckt wird oder ein mit dem Baupreis prämierter Park eines Kemptener Unternehmens.Die beschriebenen Raumqualitäten könnten von der öffentlichen Hand beeinflusst werden. Ein „Plan“ allein wird diese allerdings nicht erzeugen können. Solche Qualitäten sollten als grundsätzliche Vorstellung entwickelt werden, flexibel genug um die Zeit zum Verbündeten zu erhalten, bereichernd, um die Bevölkerung als Akteure zu gewinnen und kräftig genug, um wirklich zu werden. Vielleicht kann eine die Stadtgrenzen überschreitende Kemptener-Oberallgäuer Landesgartenschau hierfür einen Impuls setzen?
Februar 2012
Der Hofgarten hinter der Residenz und seine Randbereiche erfahren seit fünf Jahren umfassende Maßnahmen der Neugestaltung. Bauherr ist die Stadt Kempten (Allgäu), die bereits in den 1960er Jahren mit der Neuanlage des Hofgartens befasst war. Der innerstädtische Park liegt im Zentrum der Stadt nur wenige Meter vom Eingang in die Fußgängerzone entfernt. Diese Anlage ist – neben dem Kemptener Stadtpark – seit Jahrzehnten eine attraktive und rege angenommene Grüninsel inmitten der Stadt. Der Hofgarten war jedoch nach Norden und Osten abgeriegelt, da die angrenzenden Flächen durch die ehemalige Prinz-Franz-Kaserne belegt und nicht verfügbar waren. Erst nach der Auflassung der Kaserne und dem Erwerb eines Großteils der Flächen durch die Stadt eröffnete sich die Möglichkeit für eine Erweiterung und Neugestaltung des engeren Randbereichs.
Kinder und Jugendliche haben Vorrang
Gestaltungsziel der Maßnahmen ist die Aufwertung wesentlicher Flächen durch deren behutsame Umgestaltung basierend auf der bisherigen Grundkonzeption des Hofgartens. Ungenutzte, brachliegende Flächen im Randbereich sollen aktiviert und für neue, sinnvolle Nutzungen ausgestattet werden. Der innerstädtische Grün- und Erholungsraum soll dadurch gestärkt und ein reichhaltiges Freizeitangebot vor allem für Kinder und Jugendliche geschaffen werden. So wurden im Jahr 2009 ein Spielplatz neben der Orangerie und eine Anlage für Jugendliche mit Fußball- und Basketballplatz und einer Skateranlage realisiert. 2011 erhielt die untere Hofgartenfläche vor der Orangerie eine neue Baumallee. Im weiteren sollen die Flächen unmittelbar nördlich der Residenz umgestaltet werden. Die untere Hofgartenfläche im Westen an der Herrenstraße wird zu einer Multifunktionsfläche. Im Osten soll ein Partnerschaftsplatz entstehen. In diesem Zusammenhang werden auch der Orangerieweg und die Flächen vor der Kleinkunstbühne ´Klecks´ ein neues Aussehen erhalten.
Direkte Verbindung in die Innenstadt neu gestaltet
Der Eingang an der Südostseite des Hofgartens vom Pfeilergraben aus gegenüber der Galeria Kaufhof bildet seinen Hauptzugang. Gleichzeitig dient er als Zufahrt zu den Parkierungsflächen an der Residenz. Da er nur wenige Meter von der Fußgängerzone entfernt liegt, wird dieser Weg in den Park von Passanten bevorzugt angenommen. Unangemessene Belagsausbildung, ungünstige Absperrmaßnahmen und Bepflanzung wurden bislang dieser wichtigen Funktion jedoch nicht gerecht. Zur Aufwertung und Verbesserung der Situation wurde die gesamte Eingangsfläche mit Granitkleinsteinpflaster neu befestigt, die Schrankenanlage wurde versetzt. Der östliche Teil des Hofgartens wurde zum Eingang hin geöffnet, indem eine trennende Hainbuchenhecke entfernt und eine breite, großzügige Stufenanlage eingebaut wurde. So ist nun der Eingangsbereich optisch und räumlich stärker mit dem Park selbst verbunden, es gibt direkte Blickbeziehungen zwischen Grünanlage und Stadt. Zwei kastenförmig geschnittene Hainbuchen rahmen die Treppe ein und sollen ein Baumtor bilden.
Der Hofgarten – selbstverständlich genutzter öffentlicher Raum für jedes Alter
Der Hofgarten der Stadt Kempten erfährt durch die bereits durchgeführten und in den nächsten Jahren vorgesehenen Maßnahmen eine große Aufwertung. Nach und nach erhält er eine neue Identität und soll für alle Altersgruppen zu einer hochwertigen, gern angenommenen Grünoase inmitten der Stadt werden. Die Spiel- und Freizeitanlagen werden seit ihrer Fertigstellung häufig und selbstverständlich genutzt. Diese große Akzeptanz seitens der Jugendlichen bestätigt im Nachhinein den Weg, die Interessengruppen im Vorfeld rechtzeitig einzubinden und ihre Anregungen schon im Planungsprozess zu berücksichtigen. Die Stadt Kempten (Allgäu) hat sich als zwei von fünf strategischen Entwicklungszielen die Bewältigung des demographischen Wandels zur Aufgabe gemacht und formuliert den Anspruch, eine Stadt sein zu wollen, in der möglichst alle jungen Menschen ihren Platz in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft finden. Die umfassende Um- und Neugestaltung des Hofgartens ist ein wichtiger Beitrag zur Realisierung generationsübergreifender Nutzungsansprüche. Sie wertet den öffentlichen Raum auf und kann als sichtbares Zeichen der Umsetzung der Entwicklungsziele der Stadt gelten.
Unter Verwendung von Auszügen aus dem Artikel „Eine Grüne Oase im Zentrum der Stadt – Umgestaltung des Hofgartens in Kempten (Allgäu)“, erschienen in „Stadt und Grün“. Birgit Kata, Uwe Gail, Thomas Geiger
Februar 2011
Mit Sorge betrachtet das architekturforum die Gestaltung von Neubaugebieten im Stadtgebiet. Leider werden gerade in jüngster Zeit bei der Ausweisung von neuen Baugebieten die jeweils vorgefundenen Besonderheiten der Grundstücke – vor allem in historischer und topografischer Hinsicht – nicht gewürdigt. Statt dessen wird die übliche Abfolge Haus – Garage, Haus – Garage in den Bebauungsplänen festgeschrieben mit dem Argument, damit die sehr starke Nachfrage nach Grundstücken für Einfamilienhäuser zu bedienen. Besonders schmerzt die Anwendung dieses Schemas bei den Baugebieten Saarlandstraße und Kloster Lenzfried. Das Baugebiet Saarlandstraße liegt auf einem markanten und von vielen Stellen einsehbaren Geländesporn. Gerade bei diesen außergewöhnlichen topografischen Gegebenheiten wäre es angebracht gewesen, über alternative Bebauungsformen nachzudenken. Besondere Orte verlangen nach besonderen städtebaulichen Antworten mit entsprechenden außenräumlichen Qualitäten – oder sie verlieren ihre Identität. Noch mehr ins Auge sticht dieses Vorgehen beim Neubaugebiet auf dem Klostergelände in Lenzfried. Hier wird auf die Geschichte dieses kontemplativen Ortes mit seinem historischen Ensemble einschließlich Gesamtgartenanlage und Umfassungsmauer, das über Jahrhunderte gewachsen ist und bis 2009 entsprechend genutzt wurde, nicht eingegangen. Stattdessen wird dieser spezifische und damit schützenswerte Ort in seiner Besonderheit durch die profane Einfamilienhaus-Bebauung mit der zu erwartenden Heterogenität sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden.
Durchdachter Städtebau wichtiger als Einzelobjekt
Sind die Rahmenvorgaben für ein Neubaugebiet über einen Bebauungsplan erst einmal zementiert, vermag auch die beste Einzelarchitektur das Gesamtgefüge des Viertels nicht zu verändern. Umgekehrt kann eine sehr gute städtebauliche Grundstruktur mühelos auch einmal ein schlechteres Einzelobjekt vertragen. Deshalb ist der Festlegung städtebaulicher Grundzüge in der höchstmöglichen Qualität zu aller erst Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser entscheidenden Weichenstellung zugrunde zu legen ist eine ausführliche Analyse des jeweiligen Ortes und seiner Einbettung in die ihn umgebende Struktur. Erst daraus resultierend kann dann ein durchdachtes Siedlungskonzept entwickelt werden, das im Weiteren für die einzelnen Bauprojekte die Rahmenbedingungen vorgibt.
Authentische Orte statt Siedlungsbrei
Wir hoffen, dass sich eine derartige Herangehensweise bei der Ausweisung kommender Baugebiete mehr und mehr durchsetzt, geht es doch darum, authentische Orte zu schaffen statt austauschbaren Siedlungsbrei, der aufstösst – und das übrigens im ganzen Allgäu. Die Stadt Kempten (Allgäu) hat sich zu Beginn des Jahres 2012 dazu entschieden, für das ausgedehnte Neubaugebiet „Auf der Halde“ einen anderen Weg zu beschreiten und einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben, was einen begrüßenswerten Schritt in die richtige Richtung darstellt. Bereits im Vorfeld haben Studententeams der Fachhochschule Würzburg das Areal unter die Lupe genommen und Bebauungsvorschläge erarbeitet.
Mai 2011/März 2012
Eine Auseinandersetzung mit derm Phänomen "Künstlerhaus" kann sich nicht auf die Bewertung der städtebaulichen Situation oder die Frage nach der architektonischen Qualität des Objekts beschränken. Stattdessen treten kulturell-gesellschaftliche Fragestellungen in den Vordergrund. Konkret: Was ist Urbanität? Wollen wir das überhaupt? Und können wir uns das leisten?
Spekulationsobjekt oder gesellschaftliches Kapital An der Kreuzung Beethovenstraße / Fischerstraße ist derzeit viel in Bewegung: Abrissbagger und Baustellenverkehr, Straßensperrungen, Baustellenzäune und große Neueröffnungen. Seit einigen Wochen ist eine Konsolidierung absehbar und der Fokus des öffentlichen Interesses verlegt sich mehr und mehr auf das Künstlerhaus. Investoren interessieren sich für die Liegenschaft und kalkulieren einen Neubau in bester Lage mit guten Mietrenditen. Die Stadtverwaltung kann sich wohl vorstellen, das Objekt zu veräußern und damit die öffentlichen Kassen zu entlasten.
Städtische Atmosphäre gewollt? Städtische Atmosphäre gewollt! Hiergegen formiert sich von verschiedenen Seiten Widerstand: die derzeitigen Künstlerhaus-Pächter sammeln Unterschriften, die facebook-Gemeinschaft „Pro-Künstlerhaus-Kempten“ gefällt fast 2.000 Personen, laut einer Umfrage der Allgäuer Zeitung wünschen sich viele Leser: „sanieren und Künstlercafé weiter betreiben“. Dabei bezieht sich kaum ein Kommentar auf das Gebäude an und für sich: weder auf Dachform oder Fassadengliederung noch auf die Geschichte des Gebäudes vor der jetzigen Nutzung. Den Menschen, die das Künstlerhaus erhalten wollen, geht es nicht um Qualitäten des Objekts an sich, sondern um die Atmosphäre, die an diesem Ort herrscht: eine Stimmung, die mit Fug und Recht als urban bezeichnet werden kann. Der bekannte Stadtplaner Thomas Sieverts beschreibt Urbanität als „eine besondere Qualität der aufgeklärten, bürgerlichen Stadt“. In ihr drücke sich „eine tolerante, weltoffene Haltung ihrer Bewohner zueinander und dem Fremden gegenüber“ aus, eine Atmosphäre „der geistigen Beweglichkeit und Neugier“. Urbanität in diesem Sinne kann man nicht einfach „machen“. Ganz im Gegenteil: eine urbane Atmosphäre kann eher dort entstehen, wo Dinge offen gelassen werden. Genau so wurde das Künstlerhaus zu dem was es heute ist: angelegt als „temporäre Nutzung“ bis die großen Immobilien rundherum wieder funktionieren und in aller Ruhe ein Projekt entwickelt werden kann. Diesem möglichen zukünftigen Projekt erwuchs aus dem Nichts ein starker Widerpart. Für viele Kemptener drückt das Treiben rund um das Künstlerhaus das aus, was sie sich unter städtischem Leben vorstellen. Und die Aussicht auf eine weitere Einzelhandelsimmobilie bekommt plötzlich einen schalen Beigeschmack.
Bewegliche Offenheit in Struktur bringen Die Frage, ob dieser Ort und seine Atmosphäre eine Zukunft haben, hängt weniger von der Qualität der baulichen Substanz ab, als vielmehr von der Organisation der zukünftigen Bespielung. Sozio-kulturelles Tun benötigt ab einem gewissen Komplexitätsgrad Struktur. Diese Struktur ist wichtiger als die Architektur. Sie hat die permanente Gratwanderung zwischen Anarchie und Erstarrung, Offenheit und Beliebigkeit zu meistern. Als Bürgerinnen und Bürger, Bewohner, Flaneure und Café-Liebhaber wünschen wir uns, dass das Künstlerhaus weiter bestehen bleibt, dass nur die dringendsten Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden und eine tragfähige Struktur für die Bespielung der Räumlichkeiten geschaffen wird. Als architekturforum unterstützen wir einen solchen Prozess ideell.
Kempten, November 2011
Mit diesem Projekt werden die konstruktiven Möglichkeiten der aus dem Gewerbebau bekannten Halbfertigteilbau- weise aus Beton-Sandwich-Elementen auf den privaten Objektbau übertragen und ausgeweitet.
Situation: Das westlich des Stadtzentrums liegende Baugrundstück ist geprägt von zwei grundlegend unterschiedlichen Baustrukturen. Östlich des Leichtlewegs hangabwärts erzeugt eine flächige Terrassensiedlung eine 1-geschossige geschlossene Raumkante. Westlich davon schließt sich ein seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gewachsenes Quartier aus locker gesetzten Stadthäusern an, in dem ein letztes bebaubares Grundstück verblieben war. Die starke Durchgrünung, die ruhige Wohnlage und die Nähe zum Stadtzentrum kennzeichnen den hervorragenden Standort.
Gebäudekonzept: Das zu realisierende Raumprogramm war verbunden mit dem Wunsch, von möglichst vielen Aufenthaltsräumen aus einen direkten Zugang zum Garten zu erhalten. Unter Ausnutzung des um ein Geschoss ansteigenden Geländes wurde ein zweigeschossiges Gebäude entwickelt, das diese Qualität neben dem Hauptwohnraum auch allen Kinderzimmern, dem Gästebereich und der Lese- und Spielgalerie bietet.<br/>Der winkelförmig um eine alte Blutbuche gelegte monolithische Betonbaukörper ist in einen weich modellierten parkartigen Freiraum gebettet. Die glatte Gebäudehülle wird durch großformatige Fensteröffnungen und Volumenausschnitte für Eingangsbereich, Terrassenraum und Loggia gegliedert.
Raumfolge: Der durch Heckenkörper gefasste Vorplatz wird durch eine „Filterschicht“ aus hochwachsenden Gras-Bändern gegliedert. Der überdeckte Hauszugang erschließt im Erdgeschoss den Gästebereich und die Nebenräume mit innerer Verbindung zur Garage. Über eine halbgeschossige Treppe gelangt man in den 3,80 Meter hohen zentralen Wohnraum - zusammen mit der überdachten Terrasse ein ca. 100 m2 großes Raumkontinuum auf zwei Ebenen. Durch die stützenfreie Spannweite von 10 Metern und die großflächigen Verglasungen fließt hier der Außenraum von Nord nach Süd nahezu vollständig durch das Gebäude. Die eingestellte Einbaumöblierung zoniert den Raum in den Koch-Ess- und Wohnbereich auf der unteren Ebene und eine Lese- und Spielgalerie auf der oberen Ebene. Von hier werden der Kinderbereich auf der Westseite bzw. der Elternbereich auf der Ostseite erschlossen. <br/>Die Entwicklung einer Raumabfolge mit einer Vielzahl von spannungsreichen Blickbeziehungen war ein zentrales Entwurfsthema.
Materialität: Das Gebäude ist vollständig aus kerngedämmten Betonwänden als Halbfertigteilkonstruktion ausgeführt. Dabei bleiben äußere und innere Wand- und Deckenflächen weitgehend sichtbar. Während die anthrazitbeschichteten Fenster einen zurückhaltenden Kontrast zu den Betonflächen zeigen, signalisiert die Eingangs- und Garagentornische durch ihre Eichenholzoberfläche die besondere Funktion. Das präzise ausformulierte Fugenbild der äußeren Betonflächen erklärt die Konstruktionsart aus vorfabrizierten Bauteilen.<br/>Um ein gewisses Maß an Installationsflexibilität während der Bauzeit zu erhalten, wurden die Innenwände aus Ziegelwänden gemauert und glatt verputzt. Zusammen mit der durchgehend weißen Einbaumöblierung und den weißen Innentüren ergibt sich ein differenziertes Wechselspiel mit den Betonflächen. Im Erdgeschoss sind die Böden fugenlos mit dunkel eingefärbtem Zement beschichtet. Im Obergeschoss korrespondieren rustikale Eichenholzdielen und Eichenholzfenster mit den Betonflächen.
Energie- und Haustechnikkonzept: Die Energie wird mit einer Sole/Wasserwärmepumpe mit Erdsonden (2x110m Länge) regenerativ erzeugt. Die Wärmeübergabe erfolgt in angenehmer Strahlungswärme durch die thermische Aktivierung der sichtbaren Betondecken. Zur Optimierung wurden die Rohrregister bereits im Werk in die untere Lage der Halbfertigteilplatten eingelegt (Rudolph Green Code Klimadecke). Im Sommer kann dieses System auch zur Kühlung herangezogen werden. Eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle sowie eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ergänzen das Energiekonzept. Die Anforderungen zum KfW-EH 70 werden deutlich unterschritten.<br/>Als innovative Konstruktion wurden zur Verbesserung der Raumakustik in der großen Halle Reapor-Absorberstreifen in die vorgefertigten Deckenelemente integriert (Rudolph Audiotherm-Decke). Neben der Lüftungsanlage sorgt auch die zentrale Staubsaugeranlage für optimale Lufthygiene.
„ … gehüllt in das Morgenlicht des Spätsommers, der Blick geht über die Stadt Kempten drunten im hier sanften Illertal, der reine Giebel des Hauses strahlt und glüht in der Sonne vor alten Bäumen und dem Tiefblau des Himmels – Erinnerungen an Klenze oberhalb Donaustauf, Bill über der Illerspitze oder Chipperfield über dem Neckar ziehen vorüber – Hochsitz, Lohn eines Weges.“ (Florian Aicher in opusC 6/2010) Das Haus steht auf einer eiszeitlichen Erhebung über der Stadt Kempten. Gegliedert ist der Baukörper in einen langen, schmalen Sockel im Erdgeschoss, auf dem das Obergeschoß mit Satteldach ruht. Der Sockel überhöht die Lage des Gebäudes am Rande des steil zur Stadt abfallenden Hanges. Durch die Auskragung und das Zurückspringen des oberen Gebäudevolumens entstehen im Garten ein gedeckter Freibereich und auf dem Sockel großzügige Dachterrassen. Im Sockel sind die Garage, ein geschützter Innenhof und ein großer, offener Wohnraum angeordnet. In diesen sind Volumen mit unterschiedlichen Funktionen frei eingestellt und gliedern den offenen Bereich. Eine Treppenskulptur ist eine dieser Volumen und führt ins Obergeschoß. Es ist ein Haus mit zwei Seiten entstanden – ein „Janusgebäude“ in Anlehnung an Alison und Peter Smithson. Im Sockel sind die Bewohner geborgen und das private Leben kann sich vollständig zum Garten im Westen hin entfalten. Zum öffentlichen Raum ist man hier dagegen durch eine geschlossene Betonwand geschützt, in die als einzige Öffnung der Zugang eingelassen ist. Im Obergeschoß dreht sich die Anordnung der geschlossenen und geöffneten Wandflächen um: die größte Öffnung nach Süd-Osten macht hier den Blick frei über die Stadt und in die Allgäuer Alpen, geborgen von den umschließenden Sichtbetonwänden im Westen und Norden.<br/>Die räumliche Vielfalt wird durch im Haus erlebbare Kontraste wie eng – weit, offen – geschlossen oder niedrig - hoch im Alltag spürbar. Das Leben innen wird mit außen verwebt: Bei Abendsonne auf der Veranda, Frühstück im Innenhof, Spielen im Garten, ein Fest auf der Dachterrasse.<br/>Das Sichtbetonhaus „tritt in ein raffiniertes Wechselspiel, das man italienischen Städten mit ihren Gassen, Plätzen, Höfen absehen kann, das Wohn- wie Nebengebäude umfasst. Dieses Spiel zeigt sich auch im Verhältnis der Stadt zum Land: Präzise begrenzt, bewehrt, mit genau gesetzten Öffnungen für Verkehr, Ausblicke, Lichtführung.“ (Florian Aicher)<br/>Die Gestalt des Wohnhauses wird durch den monolithisch wirkenden Sichtbeton mit seiner hellen und warmen Anmutung geprägt. Die Verwendung ist inspiriert durch die zahlreichen Betonstützmauern entlang den steilen Wegen und Straßen in der Umgebung und dem Wunsch der Bewohner nach einem spürbar massiven Haus. Die Verwendung purer Materialien regt ein sinnlich-atmosphärisches Raumerleben an. Der helle Beton aus dem nahen Flusstal entfaltet im Zusammenklang mit den geölten Eichenoberflächen und den mit Naturfilz bekleideten Möbeln seine Qualität als "gegossener Stein".<br/>Der Beton ist gleichzeitig Energieträger für das innovative Heizkonzept des Niedrigenergiehauses. Im Winter ist er temperiert und wirkt damit als raumklimatisch behagliche Strahlungsheizung. Hierfür wurden in den Sockelbereichen Kupferleitungen einbetoniert, die mit niedrigen Vor- und Rücklauftemperaturen ähnlich einer Fußbodenheizung durchströmt werden. Die im Beton gespeicherte Wärmeenergie macht eine aufwendige, künstliche Be- und Entlüftung überflüssig, denn beim Stoßlüften bleibt damit die Energie im Haus. Im Sommer sorgen die Betonspeichermassen für angenehme Kühle. Die Energieerzeugung erfolgt energiesparend und regenerativ durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe.
Konstruktion - Bauweise: Kerngedämmter Sichtbeton/ Wandaufbau innere Tragwand 22cm, Dämmung 24cm, äußere Schale 12cm - Fundament/ Kellerbereich: Wasserundurchlässiger Beton - Tragende Konstruktion: Ort-Sichtbeton - Geschoßdecken: Ort-Sichtbeton - Nichttragende Konstruktion: Ort-Sichtbeton und Einbaumöbel - Dachtragwerk: Holztragwerk gedämmt mit Zellulosedämmung - Fassade: Ort-Sichtbeton, fugenlose Schale/ geölte Lärchenholzfenster bzw. -türen 3-fach verglast - Innenausbau: Boden geölte Eichendielen / Einbauschränke mit Filz bekleidet
Technik und Energie - Energiestatus: Niedrigenergiehaus KfW 55 - Heizwärmebedarf: 13.592 KWh/ a - Primärenergiebedarf 37,7 KWh/ qm a - Energieerzeugung: regenerativ mit Luft-Wasser-Wärmepumpe - Heizsystem: Wandtemperierung und Fußbodenheizung.
Die neue "Hohe Brücke" ist nach einer überdachten Holzbrücke aus dem 17. Jahrhundert und der Stahlbetonbrücke von 1901 das 3. Brückenbauwerk, das an dieser Stelle errichtet wurde.
1. Allgemeines 1.1 Notwendigkeit der Maßnahme, Verkehrswege Die Gemeindeverbindungsstraße zwischen den Ortsteilen Gunzesried und Gunzesried Säge überquert das Tal der Gunzesrieder Ach in einer Höhe von ca. 25 m. Es ist die einzige öffentliche Verbindungsstraße zum Ortsteil Gunzesried Säge. Bei dem bestehenden Bauwerk handelte es sich um ein denkmalgeschütztes Bogentragwerk von 1901 mit Verstärkungen von 1964. Bei der im Jahre 2007 durchgeführten Hauptuntersuchung wurden erhebliche Schäden, insbesondere am Tragwerk von 1901, festgestellt. Die Standsicherheit, die Dauerhaftigkeit und die Verkehrssicherheit sind beeinträchtigt. Instandsetzungsmaßnahmen oder ein Neubau waren dringend erforderlich. Die derzeit zulässige Belastung von 16 t mit Ausnahmegenehmigungen für Einzelfahrzeuge reicht für das vorhandene Verkehrsaufkommen nicht mehr aus. 1.2 Bauwerksgestaltung Für den Neubau wurden im Rahmen der Vorplanung verschiedene Varianten untersucht. Aufgrund der geologischen Situation musste die bestehende Stützweite vergrößert werden. Ein Einfeldträger oder ein einfaches Rahmentragwerk erfordern deutlich größere Überbauhöhen. Für ein Bogentragwerk müsste, aufgrund der größeren Stützweite, der Bogenstich deutlich erhöht werden. Im Zuge der Variantenuntersuchung stellte sich der Herstellungsprozess (Montage) als wichtiges wirtschaftliches Kriterium, insbesondere für die Gestaltung im Längsschnitt, heraus. Hubmontage ist beim Einfeldträger- oder einfachen Rahmentragwerk nur bei Teilung des Überbaus in Längsrichtung möglich. Dies erfordert jedoch Traggerüste, da die Mitverwendung des Bestandes, aufgrund der notwendigerweise großen Überbauhöhe des neuen Tragwerkes, nicht möglich war. Deshalb wäre auch für einen neuen Bogen ein Traggerüst notwendig gewesen. Entwickelt wurde deshalb eine Variante als aufgelöstes Rahmentragwerk, die den bestehenden Bogen als Traggerüst nutzt und in ihrer Ansicht dem Charakter des bestehenden eleganten Tragwerks gerecht wird. In Querrichtung wurde eine Variante in Stahlbeton und eine Variante in Verbundbauweise untersucht. Die gewählte Lösung in Verbundbauweise bietet die Möglichkeiten einer hohen Vorfertigung und damit einer Bauzeitverkürzung. Außerdem sind die Belastungen für den Baugrund aus Eigengewicht geringer. Das Bauwerk wurde als integrale Verbundbrücke ausgeführt, das bedeutet, dass auf Lager- und Dehnfugen bewusst verzichtet wurde, um den Unterhalt zu minimieren. 2. Bodenverhältnisse, Gründung Im Bereich der Brücke wird der Untergrund durchwegs von tertiären Schichten der„Unteren Süßwassermolasse“ gebildet. Die tertiären Schichten bestehen im Bereich der vorhandenen Widerlager nahezu vollständig aus Konglomeraten (Nagelfluh). Unmittelbar vor dem Widerlager Nord befindet sich ein großer Felsblock, der überhängend vor das bestehende Fundament ragt. Da die Sohlfuge auf der Kluftfläche deutlich geöffnet ist, können als haltende Kräfte nur die Reibung zwischen Block und Fels angenommen werden. Der gesamte Block ist absturzgefährdet. Am südlichen Widerlager liegt im Fundament bereits eine Abtreppung vor. Auf der SW-Seite ist die Schichtung maßgebend. Entlang der Schichtung ist der anstehende Nagelfluh und Sandstein vollkommen entfestigt und bildet eine Zerrüttungszone die von Unterkante bestehendes Fundament bis zur Bachsohle reicht. Das gesamte Schichtpaket westlich der Zerrüttungszone kann als nicht standsicher betrachtet werden. Aufgrund der vorgenannten Randbedingungen und Schwierigkeiten wurden die Widerlager der Brücke nach hinten versetzt und mittels Großbohrpfähle gegründet. 3. Tragwerk Überbau Der Überbau wurde als Stahlverbundkonstruktion mit 2 dichtgeschweißten Hohlkästen und einer Stahlbeton-Fahrbahnplatte mit einer variablen Dicke von 32 cm am Kragarm und 40,5 cm in Feldmitte ausgeführt. Die Stahlkonstruktion wurde in 6 Schüssen vorgefertigt und auf der Baustelle in Endlage verschweißt. Die Verbundsicherung erfolgt über Kopfbolzen im Bereich der Öffnungen in den Fertigteilen. Der Neubau wurde als integrales Bauwerk ausgeführt; das bedeutet, dass auf Lager und Dehnfugen verzichtet wurde, um den Unterhalt zu minimieren. 4. Baudurchführung Im Oktober 2009 wurde zunächst mit dem Bau der Behelfsbrücke begonnen. Die Arbeiten an der neuen Brücke begannen dann unmittelbar nach der Verkehrsumlegung im Mai 2010 und wurden in folgenden Abschnitten durchgeführt: Herstellen der Ortbeton- und Verpresspfähle Abbruch Belag, Geländer, Kappen und Abdichtung Abbruch der Fahrbahnplatte, Längsträger, Stützen und Pfeilerscheiben (- von oben durch Schneiden und Herausheben der Konstruktionsteile) Abbruch der Widerlager und Stützwände (teilweise) Betonieren der Pfahlkopfplatte Montage der Stahlkonstruktion Betonieren der Widerlager und Flügelwände, Hinterfüllung mit Magerbeton Verlegen der Fertigteilelementplatten, abschnittsweises Betonieren der Ortbetonplatte Abbruch der Bögen (- musste ebenfalls erschütterungsarm erfolgen. Vorgesehen war eine Sicherung des alten Bogens an der neuen Brücke. Nach dem Sägen des Bogens in mehrere Einzelteile wurden die Bogensegmente mit einem Seilzugsystem herabgelassen. Aufgrund des absturzgefährdeten Felsblockes auf der Seite Gunzesried musste dieser Kämpferabschnitt vor dem Ablassen in Längsrichtung verschoben werden. Das Abbruchgut wurde dann mit einem Schreitbagger aus dem Bachbett entfernt) Herstellung von Abdichtung, Kappen und Belag Freigabe Verkehr auf neuem Bauwerk mit Verkehrseinschränkung Rückbau der Behelfsbrücke 5. Technische Daten, Kosten<br/>Brückenklasse: DIN - FB Stützweiten: ca. 42,00 m, Lichte Höhe: ca. 25,00 m (Normalwasserstand) Breite zw. Geländer: 7,50 m, Gesamtlänge incl. Stützwände: ca. 92,00 m Gesamtbaukosten einschl. Abbruch und Behelfsbrücke: 2,089 Mio. €
Berghotel Mattlihüs - erster Hotelbau Deutschlands in "Holz 100" - Massivholzsystem mit Dübelholz ohne Metall- und Klebeverbindungen
Das Berghotel Mattlihüs liegt mitten im Skigebiet am Fuße des Iseler auf 1200 m Höhe. Die Erweiterung beinhaltet 12 Wohneinheiten, Wellnessbereich und Foyer. Der neue Wohn- und Wellnessbereich ist lediglich über das halb in den Hang geschobene Foyer in Form eines flachen Gelenkbaus mit dem Bestand verbunden, so dass die vorhandenen Ostzimmer erhalten werden konnten und der laufende Hotelbetrieb kaum beeinträchtigt wurde. Die neu geschaffene, zentrale Eingangssituation an der Nahtstelle zum Bestand bringt eine entscheidende Verbesserung für die Erschließung des Hotels. Neubau und Altbau bilden nun einen L-förmigen Baukörper, der den neu entstandenen Vorplatz definiert. Das Sockelgeschoß, das den Wellnessbereich beinhaltet, nutzt die Hanglage indem die untergeordneten Zonen im Gelände verschwinden jedoch talabwärts der große Ruheraum über drei Fassadenseiten hinweg mit großflächiger Verglasung dem Gast ein grandioses Panorama bietet. Der gesamte dreigeschossige Wohnbereich wurde in Holzmassivbauweise errichtet. Beim hier verwendeten System „Holz100“ der Fa. Thoma wird bei der Herstellung der Holzmassivbauteile auf Metall- und Klebeverbindungen komplett verzichtet, da die einzelnen Schichten lediglich mit Hartholzdübeln verbunden werden. Die Herausforderung des Planungsteams bestand darin beim ersten „Holz100“-Hotel in Deutschland die hohen Anforderungen der Statik (750 kg Schneelast), des Brandschutzes (F30-Bauteile) und des erhöhten Schallschutzes zu erfüllen. Die raumseitigen Flächen sämtlicher Holzmassivbauteile (Wände, Geschoßdecken, Dachdecken) blieben unverkleidet und erzeugen so ein einzigartiges Raumgefühl mit der Wärme und dem Duft des unverfälschten natürlichen Baumateriales Holz. Während der größte Teil der Holzmassivbauteile aus Fichten- und Tannenholz gefertigt wurde, sind die Wände am Kopfteil der Betten und die Betten selbst aus Zirbenholz, das mit seinen ausströmenden ätherischen Ölen einen erholsamen Schlaf fördert. Sogar der gesamte Aufbau der Außenwände mit Holzmassivwand, Holzfaserdämmung und Lärchenschindelfassade besteht zu 100 % aus Holz und erfüllt auch hier die Anforderung an eine nachhaltige und baubiologische Ausführung. Insgesamt wurden mit den Holzbauteilen und der Holzfaserdämmung 608 m³ Rohstoff Holz verbaut und somit ca. 417 Tonnen CO2 gebunden. Sämtliche Möbeleinbauten wurden aus massiven, naturbelassenen Holzwerkstoffen mit geölten Oberflächen speziell angefertigt.
Deutliche Kritik an der städtebaulichen Entwicklung des Brauhausgeländes und an der Diskussion über die Zukunft des Sudhauses übt das architekturforum kempten.
Den von den Investoren ins Spiel gebrachten Vorschlag, das Sudhaus abzubrechen, um es vier Meter versetzt wieder aufzubauen, hält das architekturforum für absolut unangemessen. Das Verfahren, das zum jetzigen Stand der Diskussion führte, muss daher als vermeintlich richtiger Weg zu einer zukunftsfähigen, identitätsstiftenden Lösung für das Brauhaus-Gelände in Frage gestellt werden. Anstatt selbst als Auslober und federführender Auftraggeber des Wettbewerbs einen klar umrissenen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben - auch mit der Option in kleineren Einheiten zu denken - überließ die Stadt dies Investoren, deren Interessen sich an der bestmöglichen kommerziellen Verwertbarkeit orientierten. Preisrichter und Vorprüfer aus dem Wettbewerb sind jetzt als Planer für die neuen Investoren tätig, was in Fachkreisen als eindeutiges Tabu gilt. Der seinerzeit siegreiche Entwurf von Münchener Kollegen ist mittlerweile hinsichtlich der Bedürfnisse des Investors wiederholt umgestaltet worden, die bewerteten Qualitäten kaum mehr erkennbar. Die Stadt bzw. der auslobende Investor hatte im fortgeschrittenen Wettbewerbsverfahren den Abriss des Sudhauses zur Auflage gemacht. Der Ansatz einiger Wettbewerbsteilnehmer, die den Erhalt als Bereicherung für das Stadtbild und emotionales Kapital befürworteten, wurde nicht aufgegriffen. Erst nach öffentlichem Protest wurde das Sudhaus wieder in die Planungen einbezogen. Andere Städte füllen mit großem Aufwand historisch gewachsene und unverwechselbare Areale sensibel mit neuem Leben, das ehemalige Warteck-Brauerei-Areal in Basel ist als Beispiel anzuführen. Die Stadt Kempten vergibt nach derzeitigem Stand der Dinge die Chance, ein städtebaulich und historisch bedeutendes Kernstück durch hochwertige bauliche Eränzung zu einer Bereicherung für die ganze Stadt weiterzuentwickeln. Nach vielen Abrissen und geschichtsvergessenen Bebauungsfehlern der letzten Jahrzehnte ist die Bevölkerung sensibler geworden, was die Uniformierung ihrer Innenstadt angeht. Die Auslöschung nahezu aller Gründerzeitbauten an der Ecke Bahnhof-/Beethovenstraße und deren Ersatz durch Zentralhaus, Illerkauf, ehemalige Quelle und Oberpaur, funktioniert schon nach wenigen Jahrzehnten sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch nicht mehr. Leerstand und die mühsame Aufhübschung der Fassaden können nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Akzeptanz der Kemptener nicht gegeben ist und hier keine Orte entstanden sind, die einer lebendigen, unverwechselbaren Innenstadt ihr Gesicht geben. Was das Sudhaus betrifft, drängt sich momentan der Verdacht auf, dass mit Führungen durch das Gebäude und dem Versuch einer einseitig gesteuerten öffentlichen Meinung die angebliche Wertlosigkeit des Sudhauses demonstriert und so einem ersatzlosen Abriss das Wort geredet werden soll. Vorausschauende, auf den historischen Bestand bezogene städtebauliche Überlegungen werden hier wirtschaftlichen Interessen mit fragwürdiger Halbwertszeit geopfert. Das architekturforum kempten schlägt für die Zukunft eine Vorgehensweise vor, an deren erster Stelle ein von der Stadt selbst auzulobender städtebaulicher Ideenwettbewerb steht, in engem Diskurs mit der Bürgerschaft. Daraus sollten politische Entscheidungen über die gewünschten Rahmenbedingungen hervorgehen. Dann erst sollten Bebauungsplan, Suche nach Investoren, gegebenenfalls ein Realisierungwettbewerb oder die Begleitung durch einen Gestaltungsbeirat folgen.
Das architekturforum kempten ist ein Zusammenschluss von Architekten und Stadtplanern, aber auch von Historikern, Kunstgeschichtlern und interessierten Bürgern, die sich ihrer Stadt verbunden fühlen und möchte das einzigartige Erbe des über Jahrhunderte gewachsenen Kempten als wichtigen Faktor der Lebensqualität nutzen und weiterentwickeln.
Dokumentation der Preisträger, Anerkennungen und aus- gewählten Projekte mit Fotos, Plänen, und Beurteil- ungen sowie der weiteren eingereichten Arbeiten.
"Von insgesamt 106 Einreichungen wurden von einer hochkarätig besetzten Jury unter Vorsitz von Professor Aldinger fünf Preisträger gekürt und fünf Anerkennungen ausgesprochen, die neben einer stattlichen Anzahl ausgewählter Projekte zusammen mit allen weiteren Einreichungen in dieser Broschüre versammelt sind."
Franz-Georg Schröck (1. Vorsitzender architekturforum kempten) im Vorwort
Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kempten, Herrn Dr. Netzer, Leiterin des Baureferats, Frau Beltinger, die Damen und Herren des Stadtrates und die Mitglieder des Arbeitskreises Hildegardplatz.
Das architekturforum kempten hat sich nach der öffentlichen Vorstellung und Diskussion der Planungsergebnisse für den Hildegardplatz mit seinen Mitgliedern intensiv mit den drei Planungsvarianten auseinandergesetzt. Hierbei haben sich folgende Argumente heraus-kristallisiert, die als Resümee und Empfehlung des architekturforums formuliert sind: Eine Tiefgarage ist für eine Unterbringung von 120 Pkw oder mehr nicht erforderlich, denn die Platzfläche ist wie ein Tisch zu sehen, der je nach Bedarf mit Objekten gefüllt wird (Pkw, Marktstände, Konzertbühne etc.); wenn es für eine Veranstaltung erforderlich ist, kann der Platz temporär komplett von Pkw geräumt oder auch komplett damit gefüllt werden. Ein Stadtplatz war in der Vergangenheit nie leer, er war immer mit einer Funktion besetzt: Handel, Lager, Fest o.ä.. Was passiert heute, wenn der Platz komplett leer wird? Ist der "leere Platz" als Bild wichtig? Wird ein historisches Bild gesucht, das es so nie gab? Die in Maßen parkierenden Autos stören nicht, sie erzeugen Leben im städtischen Alltag. Und: Warum sollen die in unserer Gesellschaft so wichtigen Automobile verborgen werden? Eine Tiefgarage wird eher als kritisch für die Geschäfte am Platz gesehen. Im Alltag werden die oberirdischen Kurzzeitstellplätze für einen funktionierenden Einzelhandel von größerer Bedeutung sein und besser als die Tiefgaragenstellplätze angenommen werden. Der Bau der Tiefgarage löst das stiftstädtische Stellplatzproblem nicht und bindet Mittel, die hierfür erforderlich sind. Es gibt gute oberirdische Parkierungslösungen, wo alle Nutzungen städtischen Lebens zusammengeführt werden und nicht mehr das heute in der Stadtplanung kritisch beurteilte Prinzip der Funktionstrennung als zielführend für urbanen und lebendigen Stadtraum angewendet wird. Eine Tiefgarage wird auf dem Platz immer spürbar bleiben und eine andere Atmosphäre erzeugen als ein Platz ohne Tiefgarage (Ein- / Ausgänge, Aufzug, Abfahrten, erhöhte Pflanz-becken, Geländeverlauf). D.h. das Problem "Parkierung von Pkw" kann auch mit einer Tief-garage nicht unsichtbar oder unspürbar gemacht werden. Im Gegenteil: Die mobilen Pkw auf dem Platz können zu jeder Zeit spurlos verschwinden, die immobilen Zugänge und Ab-fahrten sind permanent und werden mit der Tiefgaragenkonstruktion für immer ihre Spur in der Stadtstruktur hinterlassen. Die geplante Tiefgaragenzufahrt liegt an der sensiblen Schnittstelle zwischen Hildegardplatz und Kirchberg. Trotz des dort vorhandenen Niveausprunges zwischen oberem und unterem Platz ist ein Raum zwischen Basilika und der Bebauung am Platzrand gegeben und erlebbar. Eine Tiefgaragenzufahrt an dieser Stelle würde diesen Raum durchtrennen und den unteren Platz auf lange Zeit vom oberen Platz abschneiden. Zudem wird eine große Zahl von Fahr-zeugen unmittelbar vor die Treppenanlage zur Basilika gelenkt. Der Kirchberg und der untere Platz wird zur Abfahrtsrampe und Wendeplatte und ist damit in Gefahr zum Hinterhof zu verkommen, obwohl sich hier die Serrohäuser und wichtige Einrichtungen der Stadt befinden (Sozial- / Familienzentrum, Nutzungen der Gemeinde St. Lorenz etc.) Des Weiteren würde der Anschluss zum Marstall, zur Kunsthalle, zur Musikschule und auch zum Hofgarten verstellt werden. Der Kirchberg als unterer Platz vor den Serrohäusern hat ein großes Potential, das derzeit noch im Dornröschenschlaf liegt. Die Chance, diesen unteren Platz aufzuwerten, ist mit einer Tiefgaragenzufahrt in diesem Bereich für immer vergeben. Die in über tausend Jahren gewachsenen historischen Bodenschichten würden durch einen Stahlbetonkörper ersetzt, der vielleicht nur für die nächsten hundert Jahre eine gesellschaft-liche Bedeutung hat. Auch wenn in den Bodenschichten keine besonderen Ausgrabungen wie am St. Mang Platz zu erwarten sind, so sind diese dennoch als geschichtliches Archiv und Bodendenkmal zu sehen, von dem in Kempten in den letzten 40 Jahren zu viel verloren gegangen ist. Es ist etwas anderes auf einem historischen Platz zu stehen, unter dem sich gewachsener Boden befindet oder eben ein Stahlbetongefäß. Aus oben genannten Gründen wird der Bau einer Tiefgarage am Hildegardplatz vom architekturforum_kempten nahezu einstimmig abgelehnt. Wir bitten unsere Argumente bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Mit freundlichen Grüßen Franz-G. Schröck, 1. Vorstand Christiane Maucher , 2. Vorstand Rainer Lindermayr, 3. Vorstand
Nach jahrelangen Vorbereitungen hat das architekturforum kempten dieses Buch herausgebracht, das erstmals einen Überblick über das Neue Bauen im Allgäu gibt.
Wohn- und Geschäftshäuser, soziale und öffentliche Einrichtungen, Produktionsstätten, Firmengebäude, Verkehrsbauten: Insgesamt werden 58 Projekte jeweils auf einer Doppelseite in einem Streifzug durch die Region mit Texten, Fotos und Plänen erläutert. Zwischen Bauwerken renommierter Architekturbüros aus München, Stuttgart, Berlin, aus Vorarlberg oder Graubünden zeigt das Buch erfreulich viele Projekte einer jungen Generation von Architekten, die hier im Allgäu verwurzelt ist. Dokumentiert sind zahlreiche Beispiele, in denen die Suche nach regionaler Identität in Verbindung mit internationalen Maßstäben zu einer erfrischenden Synthese gefunden haben. Karten und Stadtpläne helfen, die einzelnen Gebäude zu finden. Das Buch ist aber nicht nur ein kompakter Reisebegleiter, es vermittelt auch beim Durchblättern und Lesen zu Hause einen hervorragenden Einblick in die aktuelle „Architekturlandschaft Allgäu“.
Dokumentation aller Wettbewerbsbeiträge mit Fotos, sowie Plänen, Erläuterungen und Beurteilungen der 23 prämierten und ausgewählten Arbeiten.
"Mit dem baupreis kempten 2005 werden erstmalig vorbildliche Bauwerke und deren Bauherren im Altlandkreis und im Oberallgäu ausgezeichnet. Dabei ist es dem architekturforum kempten als Auslober in Zusammenarbeit mit der Stadt Kempten (Allgäu) ein besonderes Anliegen, qualitätsvolle Umweltgestaltung einer breiten Bevölkerungsschicht nahe zu bringen und zu einer differenzierten Meinungsbildung anzuregen."
Franz-Georg Schröck (1. Vorsitzender architekturforum kempten) im Vorwort