Platz für Alle
Der Abbruch der umlaufenden Kirchenmauer entlang der Kreisstrasse OA 20, der insgesamt sehr marode Zustand der Belagsflächen in diesem Bereich der Gemeinde sowie die zergliedernde Wirkung der Kreisstrasse OA 20, nahm die Gemeinde Buchenberg bereits 2010 zum Anlass, einen kleinen landschaftsarchitektonischen Wettbewerb auszuloben, um die Kirchenumfeldsituation zu verbessern. Die als erster Preis aus dem Wettbewerb hervorgegangene Arbeit wurde in Zusammenarbeit mit dem Bauausschuss bzw. dem Gemeinderat Buchenberg weiterentwickelt. Der schliesslich zum Bau freigegebene Stand beinhaltet folgende Maßnahmen: Um der Kirche wieder einen würdigen Rahmen zu geben, um den Kirchhof wieder spürbar werden zu lassen, wurde die bestehende Kirchenmauer aufgenommen und nach Westen fortgeführt. Im Bereich des Zugangs zur Sakristei wurde eine Öffnung der Mauer vorgesehen – hier erfolgt die behindertengerechte Erschliessung der Kirche und zugleich dient diese Öffnung der Andienung des Friedhofs. Weiter nach Westen wird durch die neue Mauer wieder eine klare Trennung von Strassenraum und Friedhof erreicht. Im Westen vor dem Hauptzugang zur Kirche wird die Mauer von einer grosszügigen Treppenanlage abgelöst-hier öffnet sich der Kirchenvorplatz zum Dorf und in Richtung Rathaus. Es entstand ein zweiteiliger Kirchplatz; ein Teil auf dem oberen Niveau, direkt an der Kirche und ausreichend für den Alltag. Ein zweiter Teil für Festtage, der den Kirchplatz nach Norden auf einem tieferen Niveau bis zum Rathaus erweitert. Hier wird die Kreisstrasse durch den Belagswechsel in die Platzfläche integriert. Es werden verschiedene räumliche Situationen im Kirchenumfeld generiert. Neben dem repräsentativen, sich zum Dorf öffnenden Kirchplatz entsteht der ruhige, durch eine Mauer mit vorgelagerter Bepflanzung geschützte Kirchhof. Hier findet eine Umnutzung des Friedhofs zum Kirchhof mit hoher Aufenthaltsqualität statt. Dem Kirchturm wird eine Gruppe mittelhoher Blütenbäume vorgelagert. Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Ein ruhiger, friedlicher Ort ist entstanden. Geschützt durch Mauer und Bepflanzung bietet er dennoch Ausblicke Richtung Dorf und ist somit nicht abgeschnitten vom dörflichen Leben. Neben dem Schwerpunkt des Kirchenplatzes bildet der Rathausplatz das entsprechende Gegenüber. Durch den Wegfall der Parkplätze südlich des Rathauses konnte hier eine Sonnenterrasse entstehen - in unmittelbarer Nähe zur Touristeninfo. Somit wird das Rathaus in die neue Gestaltung integriert. Dies wird noch unterstützt durch die neue fussläufige Verbindung östlich des Rathauses. Durch eine kräftige Staudenpflanzung und eine begleitende Baumreihe sowie eine niedrige Geländestützmauer wird der im Osten angrenzende Parkplatz als untergeordneter Bereich klar abgegrenzt. Durch die Verschmälerung und die neue Trassenführung der Wirlinger Strasse kann auch die Verkehrssicherheit erhöht werden: Der bisher sehr schmale Gehweg entlang der Geländestützmauer am Pfarrhof wurde verbreitert. Im Bereich der im Osten gelegenen Parkplätze wurde ein neuer Gehweg angelegt, so dass eine gesicherte fussläufige Verbindung auf beiden Strassenseiten gegeben ist. <br/>Weiter wurden zwei behindertengerechte Stellplätze ausgewiesen, der behindertengerechte Zugang zur Kirche wird über den Weg (gesägtes Natursteinpflaster) innerhalb der neuen Kirchenmauer mit kleiner Rampe zum Haupteingang sichergestellt. 22. Oktober 2014 Marita Zinth Bauherr: Markt Buchenberg Planung: Gesamtkonzeption: marita zinth landschaftsarchitektur, Freibrechts 1, 87509 Immenstadt, mz@maritazinth.de Kreisstrasse: Ingenieurbüro Gerald Blumrich, Kempten Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Lämmle, Wiggensbach Gesamtfläche: 3.100m2 Bauzeit: Juli 2013 – Juni 2014 Projektkosten: 740.000€ Zuschüsse: Städtebauförderung: 222.000€ Landratsamt: 58.000€ Kirche: 40.000€
Der von der Straße kompakt wirkende Neubau der Kindertagesstätte Oberlinhaus gliedert sich selbverständlich in die städtebauliche Struktur ein, dennoch geben die Gebäudeform und die Fassadengestaltung dem nach Passivhaus-Standard errichteten Bau eine außergewöhnliche Dynamik. Der winkelförmige Bau streckt sich weit nach hinten in das Grundstück hinein und schafft so einen großzügigen und geschützten Außenraum, der eng mit der inneren Struktur verbunden ist. Die Kindertagesstätte ist dem Alter entsprechend von unten nach oben gegliedert und bietet insgesamt Raum für 117 Kinder. Treffpunkte für gemeinsame Nutzungen bieten der Mehrzweckraum und der Speisesaal.
Bauherr: Stadt Kempten (Allgäu)
Standort: Freudental 3, Kempten
Architekt: Hermann Hagspiel, Kempten
Fachingenieure: Tragwerkplanung: Diepolder Seger Himmel<br/>HLS Planung: Knecht Ingenieure<br/>Elektrotechnik: Abt-Elektroplanung<br/>Landschaftsarchitekten: Geiger & Waltner
Fertigstellung: 2013
Fotos: Hermann Rupp
Zwei ungleiche Häuser basierend auf einem Modul-Haustyp in hybrider Bauweise
Leitidee und Gebäudekonzept Das Gesamtgrundstück mit 2.265m² war im bestehenden Bebauungsplan für vier Reihenhäuser konzipiert. Heutzutage war vom Bauträger als langjährigem Eigentümer der Grundstückes eine Vermarktung als Reihenhausgrundstücke mit Gemeinschaftsgarage nicht möglich, weil ein durchschnittlicher Grundstücksanteil pro Reihenhaus von ca. 556m² nicht mehr vermittelbar war. Es war daher eine Neukonzeption und Verkauf an zwei Einzelbauherrn und Abweichungen vom Bebauungsplan notwendig. Die beiden neuen Eigentümer machten sich zusammen auf die Suche nach einem Architekten, der sie auf diesem Weg leiten sollte. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Firstrichtung längs der Straße wäre wegen den Abstandsflächen auf den Giebelseiten nur eine Bebauung der beiden nur ca.22m breiten Grundstücke mit zwei Häusern von maximal je 15m möglich gewesen.
Die neue Konzeption sieht dagegen eine Bildung einer Hausgruppe vor. Das südliche Haus wurde um 90 Grad gedreht, die Räume sind alle nach Süden orientiert. Das nördliche wurde parallel zur Straße situiert. Die Ost-West Ausrichtung der Räume des Gebäudes verhindert Verschattungen durch die höher gelegene südliche Nachbarbebauung. Beide Häuser der Hausgruppe wurden aus einem Modul-Haustyp entwickelt. Die beiden Häuser haben jeweils drei hochwärmegedämmte geschlossene Seiten und eine vollverglaste Seite mit großzügiger überdachter Terrassen- und Balkonzone. Die weit auskragende Überdachung an der Glasfassade liefert sowohl Wetterschutz im wechselhaften Allgäuer Sommer als auch konstruktiven Wärmeschutz an den Sommertagen und bestmögliche solare Gewinne bei tiefstehender Sonne an den Wintertagen. Der First liegt mittig über dem Gebäude, dadurch ergibt sich eine asymetrische Ausbildung des Daches.
Konstruktion und Materialität Die beiden Baukörper sind als Hybrid-Konstruktion konzipiert: 1. Massivbau mit hangseitigen Wänden als Sichtbetonkonstruktion aus Halbfertigteilen und Massivdecken aus Stahlbeton und 2. hochwärmegedämmter Holzbau für Hülle, Außenwände und Dach
Die beiden Häuser wurden sehr unterschiedlich materialisiert. Das Haus H15 wurde nach Außen mit vorpatinierten Lärchenholzschindeln sehr natürlich und nach Innen in reduzierten Weiß-Schwarztönen farblich sehr zurückhaltend gestaltet. Umgekehrt ist das Haus H17 Außen mit in einem kühlen Blechkleid und nach Innen mit sägerauhen Weißtannenverkleidungen versehen worden. Das Wechselspiel und der Dialog der beiden ungleichen Modul-Häuser werden durch diese kontrastreiche Materialwahl akzentuiert.
Energie- und Haustechnikkonzept Die beiden Gebäude erfüllen in der Gebäudehülle den Passivhausstandard. Eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle sowie eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ergänzen das Energiekonzept. Die Anforderungen zum KfW-Effizienzhaus 40 werden deutlich unterschritten. Das Haus H15 wird mit einer Sole-Wasserwärmepumpe mit Erdsonden 2x80m mit Energie versorgt. Die Wärmeübergabe erfolgt in angenehmer Strahlungswärme durch die Fußbodenheizungen. Im Sommer kann dieses System auch zur Kühlung herangezogen werden. Das Haus H17 wird lediglich mit zwei Pelletseinzelraumöfen beheizt. In Verbindung mit der voll in die Dachfläche integrierte Photovoltaikanlage auf Haus H17 wurde ein Plusenergiehaus realisiert, d.h. das Gebäude produziert mehr Energie als es verbraucht.
Bauherr: privat
Projektbeteiligte: Architektenleistungen: f64 Architekten, Kempten Tragwerksplanung: Manfred Merdian, Durach HLS-Planung: Güttinger Ingenieure, Kempten Elektro-Planung: Kettner & Baur GmbH, Memmingen Freianlagenplanung: Marita Zinth, Immenstadt Bauzeit H15: 10/2010 - 08/2011, H17: 04/2011 - 12/2011
Fotografie: Rainer Retzlaff, Niedersonthofen
Alt und Neu in Kempten
Ab Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde „Im Oberösch“ in der damals noch selbstständigen, aus vielen kleinen Ortsteilen bestehenden, Gemeinde Sankt Mang nach einem städtebaulichen Wettbewerbserfolg durch Dr. Friedhelm Amslinger, München, das neue Zentrum der Gemeinde im Stil des klassisch-modernen Städtebaus geplant und in weiten Teilen umgesetzt.
In einem strengen orthogonalen Raster stehen 6 Punktwohnhäuser zusammen mit dreigeschossigen Zeilenbauten in einem großzügig parkartig durchgrünten Gelände, an der nördlichen Erschließungsstraße ist das Einkaufen in einer eingeschossigen Ladenpassage und die Verwaltung der als Bauherr fungierenden Wohnungsgenossenschaft BSG-Allgäu eG in einem Solitär angeordnet.
Das vorgesehene Kernstück des Quartiers, ein neues Rathaus, wurde nach der Eingemeindung Sankt Mangs in die Stadt Kempten1972 nicht realisiert, an seiner Stelle wurde in den Achtzigern ebenfalls durch Dr. Amslinger eine große Seniorenwohnanlage realisiert.
Ab 2008 wurde das 1993 auf drei Geschosse aufgestockte Bürogebäude und die etwas in die Jahre gekommene Ladenpassage unter Beibehaltung der Architektursprache der Sechziger Jahre behutsam modernisiert und aktuellen technischen Standards angepasst.
Im Rahmen des Projekts der Sozialen Stadt Sankt Mang wurde das gesamte Quartier mit Umfeld 2009 landschaftsplanerisch untersucht. Als Ergebnis konnte die Neugestaltung der Aussenanlagen „Im Oberösch“ und der vorgelagerten Erschließungsfläche mit Mitteln der Städtebauförderung realisiert werden. Der 2010/2011 neugestaltete Quartiersplatz präsentiert sich als Funktionsband zwischen den Gebäuden mit einer baumbestandenen Angerzone entlang der Ladenpassage. Klar definierte Freibereiche, vielfältige Nutzungs- und Aufenthaltszonen und eine differenzierte Massstäblichkeit prägen die Neugestaltung unter Berücksichtigung der Struktur des Gebäudebestands.
Als vorerst letzter Baustein konnte im Frühjahr 2012 an der platzabgewandten Ostseite der Ladenpassage der “ Treffpunkt Im Oberösch“ eingerichtet werden. Durch die Anordnung eines Atriums werden die Räume im Untergeschoß mit einem eigenem Zugang versorgt und einem geschütztem Freiraum versehen. Differenzierte Raumangebote für soziale, kulturelle und gemeinschaftsfördernde Projekte stehen Anbietern und Nutzern zur Verfügung und werden das Stadtteilzentrum „Im Oberösch“ weiter beleben.
Mit diesem Projekt werden die konstruktiven Möglichkeiten der aus dem Gewerbebau bekannten Halbfertigteilbau- weise aus Beton-Sandwich-Elementen auf den privaten Objektbau übertragen und ausgeweitet.
Situation: Das westlich des Stadtzentrums liegende Baugrundstück ist geprägt von zwei grundlegend unterschiedlichen Baustrukturen. Östlich des Leichtlewegs hangabwärts erzeugt eine flächige Terrassensiedlung eine 1-geschossige geschlossene Raumkante. Westlich davon schließt sich ein seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gewachsenes Quartier aus locker gesetzten Stadthäusern an, in dem ein letztes bebaubares Grundstück verblieben war. Die starke Durchgrünung, die ruhige Wohnlage und die Nähe zum Stadtzentrum kennzeichnen den hervorragenden Standort.
Gebäudekonzept: Das zu realisierende Raumprogramm war verbunden mit dem Wunsch, von möglichst vielen Aufenthaltsräumen aus einen direkten Zugang zum Garten zu erhalten. Unter Ausnutzung des um ein Geschoss ansteigenden Geländes wurde ein zweigeschossiges Gebäude entwickelt, das diese Qualität neben dem Hauptwohnraum auch allen Kinderzimmern, dem Gästebereich und der Lese- und Spielgalerie bietet.<br/>Der winkelförmig um eine alte Blutbuche gelegte monolithische Betonbaukörper ist in einen weich modellierten parkartigen Freiraum gebettet. Die glatte Gebäudehülle wird durch großformatige Fensteröffnungen und Volumenausschnitte für Eingangsbereich, Terrassenraum und Loggia gegliedert.
Raumfolge: Der durch Heckenkörper gefasste Vorplatz wird durch eine „Filterschicht“ aus hochwachsenden Gras-Bändern gegliedert. Der überdeckte Hauszugang erschließt im Erdgeschoss den Gästebereich und die Nebenräume mit innerer Verbindung zur Garage. Über eine halbgeschossige Treppe gelangt man in den 3,80 Meter hohen zentralen Wohnraum - zusammen mit der überdachten Terrasse ein ca. 100 m2 großes Raumkontinuum auf zwei Ebenen. Durch die stützenfreie Spannweite von 10 Metern und die großflächigen Verglasungen fließt hier der Außenraum von Nord nach Süd nahezu vollständig durch das Gebäude. Die eingestellte Einbaumöblierung zoniert den Raum in den Koch-Ess- und Wohnbereich auf der unteren Ebene und eine Lese- und Spielgalerie auf der oberen Ebene. Von hier werden der Kinderbereich auf der Westseite bzw. der Elternbereich auf der Ostseite erschlossen. <br/>Die Entwicklung einer Raumabfolge mit einer Vielzahl von spannungsreichen Blickbeziehungen war ein zentrales Entwurfsthema.
Materialität: Das Gebäude ist vollständig aus kerngedämmten Betonwänden als Halbfertigteilkonstruktion ausgeführt. Dabei bleiben äußere und innere Wand- und Deckenflächen weitgehend sichtbar. Während die anthrazitbeschichteten Fenster einen zurückhaltenden Kontrast zu den Betonflächen zeigen, signalisiert die Eingangs- und Garagentornische durch ihre Eichenholzoberfläche die besondere Funktion. Das präzise ausformulierte Fugenbild der äußeren Betonflächen erklärt die Konstruktionsart aus vorfabrizierten Bauteilen.<br/>Um ein gewisses Maß an Installationsflexibilität während der Bauzeit zu erhalten, wurden die Innenwände aus Ziegelwänden gemauert und glatt verputzt. Zusammen mit der durchgehend weißen Einbaumöblierung und den weißen Innentüren ergibt sich ein differenziertes Wechselspiel mit den Betonflächen. Im Erdgeschoss sind die Böden fugenlos mit dunkel eingefärbtem Zement beschichtet. Im Obergeschoss korrespondieren rustikale Eichenholzdielen und Eichenholzfenster mit den Betonflächen.
Energie- und Haustechnikkonzept: Die Energie wird mit einer Sole/Wasserwärmepumpe mit Erdsonden (2x110m Länge) regenerativ erzeugt. Die Wärmeübergabe erfolgt in angenehmer Strahlungswärme durch die thermische Aktivierung der sichtbaren Betondecken. Zur Optimierung wurden die Rohrregister bereits im Werk in die untere Lage der Halbfertigteilplatten eingelegt (Rudolph Green Code Klimadecke). Im Sommer kann dieses System auch zur Kühlung herangezogen werden. Eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle sowie eine kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ergänzen das Energiekonzept. Die Anforderungen zum KfW-EH 70 werden deutlich unterschritten.<br/>Als innovative Konstruktion wurden zur Verbesserung der Raumakustik in der großen Halle Reapor-Absorberstreifen in die vorgefertigten Deckenelemente integriert (Rudolph Audiotherm-Decke). Neben der Lüftungsanlage sorgt auch die zentrale Staubsaugeranlage für optimale Lufthygiene.
„ … gehüllt in das Morgenlicht des Spätsommers, der Blick geht über die Stadt Kempten drunten im hier sanften Illertal, der reine Giebel des Hauses strahlt und glüht in der Sonne vor alten Bäumen und dem Tiefblau des Himmels – Erinnerungen an Klenze oberhalb Donaustauf, Bill über der Illerspitze oder Chipperfield über dem Neckar ziehen vorüber – Hochsitz, Lohn eines Weges.“ (Florian Aicher in opusC 6/2010) Das Haus steht auf einer eiszeitlichen Erhebung über der Stadt Kempten. Gegliedert ist der Baukörper in einen langen, schmalen Sockel im Erdgeschoss, auf dem das Obergeschoß mit Satteldach ruht. Der Sockel überhöht die Lage des Gebäudes am Rande des steil zur Stadt abfallenden Hanges. Durch die Auskragung und das Zurückspringen des oberen Gebäudevolumens entstehen im Garten ein gedeckter Freibereich und auf dem Sockel großzügige Dachterrassen. Im Sockel sind die Garage, ein geschützter Innenhof und ein großer, offener Wohnraum angeordnet. In diesen sind Volumen mit unterschiedlichen Funktionen frei eingestellt und gliedern den offenen Bereich. Eine Treppenskulptur ist eine dieser Volumen und führt ins Obergeschoß. Es ist ein Haus mit zwei Seiten entstanden – ein „Janusgebäude“ in Anlehnung an Alison und Peter Smithson. Im Sockel sind die Bewohner geborgen und das private Leben kann sich vollständig zum Garten im Westen hin entfalten. Zum öffentlichen Raum ist man hier dagegen durch eine geschlossene Betonwand geschützt, in die als einzige Öffnung der Zugang eingelassen ist. Im Obergeschoß dreht sich die Anordnung der geschlossenen und geöffneten Wandflächen um: die größte Öffnung nach Süd-Osten macht hier den Blick frei über die Stadt und in die Allgäuer Alpen, geborgen von den umschließenden Sichtbetonwänden im Westen und Norden.<br/>Die räumliche Vielfalt wird durch im Haus erlebbare Kontraste wie eng – weit, offen – geschlossen oder niedrig - hoch im Alltag spürbar. Das Leben innen wird mit außen verwebt: Bei Abendsonne auf der Veranda, Frühstück im Innenhof, Spielen im Garten, ein Fest auf der Dachterrasse.<br/>Das Sichtbetonhaus „tritt in ein raffiniertes Wechselspiel, das man italienischen Städten mit ihren Gassen, Plätzen, Höfen absehen kann, das Wohn- wie Nebengebäude umfasst. Dieses Spiel zeigt sich auch im Verhältnis der Stadt zum Land: Präzise begrenzt, bewehrt, mit genau gesetzten Öffnungen für Verkehr, Ausblicke, Lichtführung.“ (Florian Aicher)<br/>Die Gestalt des Wohnhauses wird durch den monolithisch wirkenden Sichtbeton mit seiner hellen und warmen Anmutung geprägt. Die Verwendung ist inspiriert durch die zahlreichen Betonstützmauern entlang den steilen Wegen und Straßen in der Umgebung und dem Wunsch der Bewohner nach einem spürbar massiven Haus. Die Verwendung purer Materialien regt ein sinnlich-atmosphärisches Raumerleben an. Der helle Beton aus dem nahen Flusstal entfaltet im Zusammenklang mit den geölten Eichenoberflächen und den mit Naturfilz bekleideten Möbeln seine Qualität als "gegossener Stein".<br/>Der Beton ist gleichzeitig Energieträger für das innovative Heizkonzept des Niedrigenergiehauses. Im Winter ist er temperiert und wirkt damit als raumklimatisch behagliche Strahlungsheizung. Hierfür wurden in den Sockelbereichen Kupferleitungen einbetoniert, die mit niedrigen Vor- und Rücklauftemperaturen ähnlich einer Fußbodenheizung durchströmt werden. Die im Beton gespeicherte Wärmeenergie macht eine aufwendige, künstliche Be- und Entlüftung überflüssig, denn beim Stoßlüften bleibt damit die Energie im Haus. Im Sommer sorgen die Betonspeichermassen für angenehme Kühle. Die Energieerzeugung erfolgt energiesparend und regenerativ durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe.
Konstruktion - Bauweise: Kerngedämmter Sichtbeton/ Wandaufbau innere Tragwand 22cm, Dämmung 24cm, äußere Schale 12cm - Fundament/ Kellerbereich: Wasserundurchlässiger Beton - Tragende Konstruktion: Ort-Sichtbeton - Geschoßdecken: Ort-Sichtbeton - Nichttragende Konstruktion: Ort-Sichtbeton und Einbaumöbel - Dachtragwerk: Holztragwerk gedämmt mit Zellulosedämmung - Fassade: Ort-Sichtbeton, fugenlose Schale/ geölte Lärchenholzfenster bzw. -türen 3-fach verglast - Innenausbau: Boden geölte Eichendielen / Einbauschränke mit Filz bekleidet
Technik und Energie - Energiestatus: Niedrigenergiehaus KfW 55 - Heizwärmebedarf: 13.592 KWh/ a - Primärenergiebedarf 37,7 KWh/ qm a - Energieerzeugung: regenerativ mit Luft-Wasser-Wärmepumpe - Heizsystem: Wandtemperierung und Fußbodenheizung.
Die neue "Hohe Brücke" ist nach einer überdachten Holzbrücke aus dem 17. Jahrhundert und der Stahlbetonbrücke von 1901 das 3. Brückenbauwerk, das an dieser Stelle errichtet wurde.
1. Allgemeines 1.1 Notwendigkeit der Maßnahme, Verkehrswege Die Gemeindeverbindungsstraße zwischen den Ortsteilen Gunzesried und Gunzesried Säge überquert das Tal der Gunzesrieder Ach in einer Höhe von ca. 25 m. Es ist die einzige öffentliche Verbindungsstraße zum Ortsteil Gunzesried Säge. Bei dem bestehenden Bauwerk handelte es sich um ein denkmalgeschütztes Bogentragwerk von 1901 mit Verstärkungen von 1964. Bei der im Jahre 2007 durchgeführten Hauptuntersuchung wurden erhebliche Schäden, insbesondere am Tragwerk von 1901, festgestellt. Die Standsicherheit, die Dauerhaftigkeit und die Verkehrssicherheit sind beeinträchtigt. Instandsetzungsmaßnahmen oder ein Neubau waren dringend erforderlich. Die derzeit zulässige Belastung von 16 t mit Ausnahmegenehmigungen für Einzelfahrzeuge reicht für das vorhandene Verkehrsaufkommen nicht mehr aus. 1.2 Bauwerksgestaltung Für den Neubau wurden im Rahmen der Vorplanung verschiedene Varianten untersucht. Aufgrund der geologischen Situation musste die bestehende Stützweite vergrößert werden. Ein Einfeldträger oder ein einfaches Rahmentragwerk erfordern deutlich größere Überbauhöhen. Für ein Bogentragwerk müsste, aufgrund der größeren Stützweite, der Bogenstich deutlich erhöht werden. Im Zuge der Variantenuntersuchung stellte sich der Herstellungsprozess (Montage) als wichtiges wirtschaftliches Kriterium, insbesondere für die Gestaltung im Längsschnitt, heraus. Hubmontage ist beim Einfeldträger- oder einfachen Rahmentragwerk nur bei Teilung des Überbaus in Längsrichtung möglich. Dies erfordert jedoch Traggerüste, da die Mitverwendung des Bestandes, aufgrund der notwendigerweise großen Überbauhöhe des neuen Tragwerkes, nicht möglich war. Deshalb wäre auch für einen neuen Bogen ein Traggerüst notwendig gewesen. Entwickelt wurde deshalb eine Variante als aufgelöstes Rahmentragwerk, die den bestehenden Bogen als Traggerüst nutzt und in ihrer Ansicht dem Charakter des bestehenden eleganten Tragwerks gerecht wird. In Querrichtung wurde eine Variante in Stahlbeton und eine Variante in Verbundbauweise untersucht. Die gewählte Lösung in Verbundbauweise bietet die Möglichkeiten einer hohen Vorfertigung und damit einer Bauzeitverkürzung. Außerdem sind die Belastungen für den Baugrund aus Eigengewicht geringer. Das Bauwerk wurde als integrale Verbundbrücke ausgeführt, das bedeutet, dass auf Lager- und Dehnfugen bewusst verzichtet wurde, um den Unterhalt zu minimieren. 2. Bodenverhältnisse, Gründung Im Bereich der Brücke wird der Untergrund durchwegs von tertiären Schichten der„Unteren Süßwassermolasse“ gebildet. Die tertiären Schichten bestehen im Bereich der vorhandenen Widerlager nahezu vollständig aus Konglomeraten (Nagelfluh). Unmittelbar vor dem Widerlager Nord befindet sich ein großer Felsblock, der überhängend vor das bestehende Fundament ragt. Da die Sohlfuge auf der Kluftfläche deutlich geöffnet ist, können als haltende Kräfte nur die Reibung zwischen Block und Fels angenommen werden. Der gesamte Block ist absturzgefährdet. Am südlichen Widerlager liegt im Fundament bereits eine Abtreppung vor. Auf der SW-Seite ist die Schichtung maßgebend. Entlang der Schichtung ist der anstehende Nagelfluh und Sandstein vollkommen entfestigt und bildet eine Zerrüttungszone die von Unterkante bestehendes Fundament bis zur Bachsohle reicht. Das gesamte Schichtpaket westlich der Zerrüttungszone kann als nicht standsicher betrachtet werden. Aufgrund der vorgenannten Randbedingungen und Schwierigkeiten wurden die Widerlager der Brücke nach hinten versetzt und mittels Großbohrpfähle gegründet. 3. Tragwerk Überbau Der Überbau wurde als Stahlverbundkonstruktion mit 2 dichtgeschweißten Hohlkästen und einer Stahlbeton-Fahrbahnplatte mit einer variablen Dicke von 32 cm am Kragarm und 40,5 cm in Feldmitte ausgeführt. Die Stahlkonstruktion wurde in 6 Schüssen vorgefertigt und auf der Baustelle in Endlage verschweißt. Die Verbundsicherung erfolgt über Kopfbolzen im Bereich der Öffnungen in den Fertigteilen. Der Neubau wurde als integrales Bauwerk ausgeführt; das bedeutet, dass auf Lager und Dehnfugen verzichtet wurde, um den Unterhalt zu minimieren. 4. Baudurchführung Im Oktober 2009 wurde zunächst mit dem Bau der Behelfsbrücke begonnen. Die Arbeiten an der neuen Brücke begannen dann unmittelbar nach der Verkehrsumlegung im Mai 2010 und wurden in folgenden Abschnitten durchgeführt: Herstellen der Ortbeton- und Verpresspfähle Abbruch Belag, Geländer, Kappen und Abdichtung Abbruch der Fahrbahnplatte, Längsträger, Stützen und Pfeilerscheiben (- von oben durch Schneiden und Herausheben der Konstruktionsteile) Abbruch der Widerlager und Stützwände (teilweise) Betonieren der Pfahlkopfplatte Montage der Stahlkonstruktion Betonieren der Widerlager und Flügelwände, Hinterfüllung mit Magerbeton Verlegen der Fertigteilelementplatten, abschnittsweises Betonieren der Ortbetonplatte Abbruch der Bögen (- musste ebenfalls erschütterungsarm erfolgen. Vorgesehen war eine Sicherung des alten Bogens an der neuen Brücke. Nach dem Sägen des Bogens in mehrere Einzelteile wurden die Bogensegmente mit einem Seilzugsystem herabgelassen. Aufgrund des absturzgefährdeten Felsblockes auf der Seite Gunzesried musste dieser Kämpferabschnitt vor dem Ablassen in Längsrichtung verschoben werden. Das Abbruchgut wurde dann mit einem Schreitbagger aus dem Bachbett entfernt) Herstellung von Abdichtung, Kappen und Belag Freigabe Verkehr auf neuem Bauwerk mit Verkehrseinschränkung Rückbau der Behelfsbrücke 5. Technische Daten, Kosten<br/>Brückenklasse: DIN - FB Stützweiten: ca. 42,00 m, Lichte Höhe: ca. 25,00 m (Normalwasserstand) Breite zw. Geländer: 7,50 m, Gesamtlänge incl. Stützwände: ca. 92,00 m Gesamtbaukosten einschl. Abbruch und Behelfsbrücke: 2,089 Mio. €
Berghotel Mattlihüs - erster Hotelbau Deutschlands in "Holz 100" - Massivholzsystem mit Dübelholz ohne Metall- und Klebeverbindungen
Das Berghotel Mattlihüs liegt mitten im Skigebiet am Fuße des Iseler auf 1200 m Höhe. Die Erweiterung beinhaltet 12 Wohneinheiten, Wellnessbereich und Foyer. Der neue Wohn- und Wellnessbereich ist lediglich über das halb in den Hang geschobene Foyer in Form eines flachen Gelenkbaus mit dem Bestand verbunden, so dass die vorhandenen Ostzimmer erhalten werden konnten und der laufende Hotelbetrieb kaum beeinträchtigt wurde. Die neu geschaffene, zentrale Eingangssituation an der Nahtstelle zum Bestand bringt eine entscheidende Verbesserung für die Erschließung des Hotels. Neubau und Altbau bilden nun einen L-förmigen Baukörper, der den neu entstandenen Vorplatz definiert. Das Sockelgeschoß, das den Wellnessbereich beinhaltet, nutzt die Hanglage indem die untergeordneten Zonen im Gelände verschwinden jedoch talabwärts der große Ruheraum über drei Fassadenseiten hinweg mit großflächiger Verglasung dem Gast ein grandioses Panorama bietet. Der gesamte dreigeschossige Wohnbereich wurde in Holzmassivbauweise errichtet. Beim hier verwendeten System „Holz100“ der Fa. Thoma wird bei der Herstellung der Holzmassivbauteile auf Metall- und Klebeverbindungen komplett verzichtet, da die einzelnen Schichten lediglich mit Hartholzdübeln verbunden werden. Die Herausforderung des Planungsteams bestand darin beim ersten „Holz100“-Hotel in Deutschland die hohen Anforderungen der Statik (750 kg Schneelast), des Brandschutzes (F30-Bauteile) und des erhöhten Schallschutzes zu erfüllen. Die raumseitigen Flächen sämtlicher Holzmassivbauteile (Wände, Geschoßdecken, Dachdecken) blieben unverkleidet und erzeugen so ein einzigartiges Raumgefühl mit der Wärme und dem Duft des unverfälschten natürlichen Baumateriales Holz. Während der größte Teil der Holzmassivbauteile aus Fichten- und Tannenholz gefertigt wurde, sind die Wände am Kopfteil der Betten und die Betten selbst aus Zirbenholz, das mit seinen ausströmenden ätherischen Ölen einen erholsamen Schlaf fördert. Sogar der gesamte Aufbau der Außenwände mit Holzmassivwand, Holzfaserdämmung und Lärchenschindelfassade besteht zu 100 % aus Holz und erfüllt auch hier die Anforderung an eine nachhaltige und baubiologische Ausführung. Insgesamt wurden mit den Holzbauteilen und der Holzfaserdämmung 608 m³ Rohstoff Holz verbaut und somit ca. 417 Tonnen CO2 gebunden. Sämtliche Möbeleinbauten wurden aus massiven, naturbelassenen Holzwerkstoffen mit geölten Oberflächen speziell angefertigt.