Zukunft ist gestaltbar - vorausschauend und gemeinsam
randnotiz 23

Datum
01.08.2019

Erlebniswelt am Grünten?

Steigende Anzahl an Bürgerbegehren im Allgäu

Gleich mehrere Bürgerbegehren wurden und werden derzeit in unserer Region angestrengt. Nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid bei der Europawahl zum Bahnhofsareal in Memmingen, bei dem - bei einer hohen Wahlbeteiligung - das im stillen Kämmerlein verhandelte Projekt eines holländischen Investors mit 2/3 Mehrheit zu Fall gebracht wurde, erreichte die Stadt Füssen in Rekordzeit die erforderliche Unterschriftenanzahl für ein Bürgerbegehren zum geplanten Hotelneubau am Festspielhaus. Wenig später formierte sich massiver Widerstand gegen die Absicht eines heimischen Investors aus dem Grünten ein Erlebniszentrum zu machen. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen - gleich drei Bürgerbegehren stehen in Immenstadt im Raum: Hinsichtlich eines zum wiederholten Male vorgebrachten Hotel-Neubaus am bislang unbebauten Alpsee-Ufer, zum geplanten Abriss des Hofgarten-Saals und zu möglichen neuen Gewerbeansiedlungen im Seifener Becken.

Zunahme der Sensibilität in der Bevölkerung

Dabei sollte sämtlichen Entscheidungsträgern spätestens nach 'Stuttgart 21' und dem Debakel am Riedberger Horn klar geworden sein, dass alle Eingriffe in unsere wertvolle Kulturlandschaft nicht mehr isoliert von den mündigen Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden können - ohne der Bevölkerung das Gefühl zu geben, ausreichend einbezogen worden zu sein. Die gemeinhin besonders von der Politik ins Feld geführten Argumente der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und der Nutzen für den heimischen Tourismus ziehen alleine nicht mehr. Denn die Allgäuerinnen und Allgäuer haben vielmehr Aspekte wie Vernachlässigung des Landschaftsschutzes, unbegrenzte Zunahme des Tourismus auf Kosten der Einheimischen verbunden mit einem drohenden Verkehrskollaps und durchaus auch ästhetische Defizite vor Augen, wenn zumeist Investoren von außerhalb auf den Plan treten, um bei einem minimierten Aufwand ein Maximum an Profit zu erzielen.

'Labor Baukultur Allgäu'

Bei einem ersten 'Runden Tisch Baukultur', der unlängst auf Betreiben von Bayerischer Architektenkammer, Treffpunkt Architektur Schwaben (TAS), Bund Deutscher Architekten (BDA) und architekturforum allgäu mit Vertretern aller relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen des Allgäus zustande kam, stellte Prof. Mark Michaeli vom Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land an der TU München die zentrale Frage 'Wie stellen wir in der Region attraktive Räume her?' und regte dazu konkret die Einrichtung eines 'Labor Baukultur Allgäu' an, in dem die drängenden Entwicklungsfragen gemeinsam und vorausschauend verhandelt werden, denn - so seine Worte - 'Zukunft ist gestaltbar', auch unmittelbar vor Ort im konstruktiven Miteinander der Kommunen - schließlich gilt es ja auch auf baukulturellem Sektor die 'Marke Allgäu' zu stärken.

Agieren statt Reagieren

Beim inzwischen zurückgestellten Projekt am Forggensee kann man zum Beispiel die berechtigte Frage stellen, warum die Stadt Füssen nicht bereits nach Verkauf des Festspielhauses an Investor Manfred Rietzler das Heft in der Hand behalten und für den damals schon im Raum stehenden Hotelbau Rahmenbedingungen zu Lage und Ausdehnung erarbeitet hat, die in einen Architektur - Wettbewerb gemündet wären, um eine verträgliche und qualitätvolle Lösung mit entsprechender Öffentlichkeitseinbindung zu generieren? Jetzt sind - wie immer wenn Bürgerbegehren angestrengt werden - tiefe Gräben aufgerissen und eine Spaltung der Gesellschaft droht. All dies ließe sich vermeiden, wenn mit entsprechendem Weitblick und zeitlichem Vorlauf agiert und nicht wie meist nur kurzfristig auf Investoren-Ansprüche reagiert würde.

August 2019


Neues Hotelprojekt am Alpsee, Immenstadt Quelle: ID & C Michael Kerst

Verbrauchermarkt mit Abriss Hofgarten-Saal der Kulturgemeinschaft Oberallgäu, Immenstadt?

geplantes Gewerbegebiet im Seifener Becken bei Immenstadt

Bahnhofsareal Memmingen: Neubeginn des Planungsprozesses nach erfolgreichem Bürgerentscheid

Hotelprojekt am Festspielhaus Füssen im Landschaftsschutzgebiet, inzwischen verworfen Quelle: Krause Bohne Architects Planners International