Preisverleihung
Baupreis Allgäu 2018

Ort
Kempten
Datum
02.03.2018

Christine Tröger in "Der Kreisbote", Ausgabe Kempten/Isny/Westallgäu vom 24. 02. 2018

"Das Normalste ist das Schönste" Baupreis Allgäu 2018 - Auszeichnungen für gelungene BaukulturKempten/Allgäu - Insgesamt waren es 89 Architekturprojekte aus dem gesamten Allgäu, die zwischen 2013 und 2017 fertiggestellt und mit der Hoffnung auf eine Auszeichnung eingereicht worden waren. Das bis dahin gut gehütete Geheimnis wurde vergangenen Freitagabend bei der feierlichen Verleihung des vom Architekturforum Allgäu ausgelobten "Baupreis Allgäu 2018" im gut gefüllten Kornhaussaal gelüftet. Nach Besichtigung einer Vorauswahl waren die "Auserwählten" von einer siebenköpfigen, international besetzten Fachjury unter Vorsitz von Prof. Florian Nagler gekürt worden. Zwei Dinge zogen sich als roter Faden durch den Abend: einmal der Begriff "Baukultur" und dann ein Zitat von Christoph Schlingensief, das da besagt: "Das Normalste ist das Schönste." So stellte Franz G. Schröck, Geschäftsführer des Architekturforums, fest, Dass in der Öffentlichkeit weitgehend Verunsicherung darüber herrsche, "was sich hinter Baukultur verbirgt". Klar war aus seiner Sicht aber, dass sie nicht nur Experten vorbehalten sei, dass sie "ein gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsprozess ist" und auch, dass es dabei "stets um Qualität und nicht um individuelle Geschmäcker geht".  Im Sinne von guter Baukultur seien weniger "Leuchtturmprojekte" wünschenswert, als vielmehr solche, in denen sich Menschen wohl fühlen könnten.Baupreis-Schirmherr OB Thomas Kiechle war voll des Lobes für das vor 15 Jahren in Kempten gegründete Architekturforum, das seit knapp fünf Jahren als Architekturforum Allgäu "ein Sprachrohr für den bewussten Umgang mit unserer gebauten Umwelt" auch in der ganzen Region sei. Der Baupreis Allgäu sei "mittlerweile ein bewährtes Mittel für die Diskussion über Stadt-, Land-, Baukultur" und mache in seiner vierten Ausgabe auch sichtbar, "dass die Arbeit Früchte trägt". Architektur sei in der Geschichte, so Kiechle weiter, immer "ein Spiegel der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung" gewesen, wenngleich "nicht immer bejubelt", so doch immer auch Ansatzpunkt für die Identitätsbildung eines Raumes oder einer Region. Das Bewusstsein dafür, dass "jeder Bauherr mit seinem Gebäude auch die Stadt und die Region mitgestaltet - und auch den Lebensraum anderer Menschen", gehe in der heutigen Individualisierung allerdings zunehmend verloren. Einen Schritt zur bewussten Begleitung des Baugeschehens, sei die Stadt deshalb mit der dauerhaften Installation eines Gestaltungsbeirates gegangen. Kiechle betonte, dass Baukultur sowohl die Förderung anspruchsvoller zeitgenössischer Bauprojekte beinhalte, wie "die Erhaltung unseres reichen Kulturerbes und unserer Baudenkmäler". Zum ganzheitlichen Verständnis gehörten aber auch ein "ressourcenschonender Einsatz von Grund und Boden" sowie ein sparsamer Umgang mit Rohstoffen und Energie und da sei "Kempten in der Region ganz gut unterwegs", wie er befand.Für Meckatzer Löwenbräu-Chef Michael Weiß, der als Vertreter der zahlreichen Baupreis-Förderer am Rednerpult stand, stellte sich vor allem die Frage, wie viel "Demokratur" - pardon: Demokratie? - sein müsse und "wer alles mitreden darf" bei der Identitätsbildung einer Region. Es gebe "grauenvolle Architektur", verwies er auf das Neubaugebiet in Weiler. Dort seien Häuser im Stil einer kanadischen Ranch bis zum Toskana-Haus die allesamt "nichts mit Identität zu tun" habe. Da sei er mindestens aus Unternehmersicht schon eher für "mehr Demokratur". Vor allem müsse man das Sehen wieder lernen, so sein Appell.Als Gastredner, der statt vieler Worte lieber "Taten" sprechen ließ, erwies sich Prof. Florian Nagler vom Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren der TU München und Vorsitzender der Baupreis-Jury. Er stellte gelungene Architekturen aus dem ländlichen bayerischen, nicht-allgäuer Raum vor. Darunter ein Wohnhaus, dessen spezielle Fassade an traditionelle Schindeln erinnerte, innen aber sehr modern war. Außergewöhnlich war ein Stall auf einer Wiese, der schön und günstig sein sollte: statt eines großen Gebäudes wurde aufgeteilt in einen hohen, schmalen Stall, der optisch ein "bisschen was von einer Kirche hat", so Nagler, und ein Melkhaus daneben; die Konstruktion der Gebäude simpel gehalten, so dass viel Eigenleistung seitens der Bauherren möglich gewesen sei. "Ohne gute Bauherren kann man auch keine gute Architektur machen", würdigte er das Zusammenspiel beim Umbau eines Sanatoriums in ein Hotel in Bayerisch Zell."Die Idee wäre, das Lebensgefühl der alten Dörfer ins Neue zu bringen", zitierte Nagler den Bündner Architekten Gion A. Caminada. Stattdessen würden gerade Neubaugebiete von stupide angeordneten Einfamilienhäusern mit Garage dominiert. Als Alternative zeigte er die Planung eines Neubau-Wohngebietes mit flexiblen Häusern, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Beispiel bedarfsweise in mehrere Wohnungen aufgesplittet werden können, und einen gemeinsamen Hof nutzen.Für heitere musikalische Umrahmung zum Schmunzeln sorgten die fünf Bläser von "Quattro Poly".Um das Bewusstsein für das Thema Baukultur zu sensibilisieren, wird eine Wanderausstellung zu den prämierten sowie den weiteren 27 Architekturen der Vorauswahl nach und nach an verschiedenen Orten des Allgäus gezeigt. Aktuell zu sehen ist sie in Kempten am Bauzaun der Basilika St. Lorenz, Hildegardplatz. Dazu ist ein bildreicher Ausstellungskatalog erschienen. Infos auch unter www.architekturforum-allgaeu.de.Mehr Bilder zur Baupreisverleihung gibt es im Internet unter www.kreisbote.de/fotostrecken.ct