Kimratshofen - vorbildlich im Umgang mit historischen und dorfbildprägenden Gebäuden 
randnotiz 13

Datum
07.02.2014

Zum regelrechten Vorbild in Sachen Baukultur im Allgäu mausert sich in jüngster Zeit der Altusrieder Ortsteil Kimratshofen. Der vorbildliche Umgang mit zwei dorfbildprägenden Gebäuden, der Alten Schule und der Alten Post, ist beispielgebend und kann in seiner Vorbildwirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Besonderes Bürgerengagement gepaart mit einem behutsamen, aber auch beharrlich zielgerichteten Agieren führt hier Schritt für Schritt zu einer identitätsstiftenden Authentizität, die unserer Region in verstärktem Maße zu wünschen ist. Altes Schulhaus aus dem 18. Jahrhundert Seit seiner Errichtung diente das Gebäude als Schul- und Mesnerhaus bis zum Jahr 1923, ehe es danach als Wohnhaus genutzt wurde, zuletzt nur noch in Teilbereichen. Mit Beginn des neuen Jahrtausends hatten Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung das Ziel, ein Pfarrheim an selber Stelle zu verwirklichen und dafür die Alte Schule abzureißen, doch die Diözese leistete keine finanzielle Unterstützung für einen Neubau. Im Zuge des folgenden Umdenkprozesses fiel vor allem durch den großen Einsatz von Kreisheimat- und Kirchenpflegerin schlussendlich die Entscheidung, die alte Schule zu erhalten. Eine Vielzahl von gemeindlichen Veranstaltungen, die zum Spendensammeln genutzt wurden, schuf den finanziellen Grundstock dafür. Sonderpreis des Bezirks Schwaben und ein Staatspreis Das Gebäude wurde sehr sorgsam mit viel Eigenleistung und Gemeinschaftsarbeit saniert. Der behutsame Erhalt möglichst aller historischen Bauteile ist bereits mit dem Sonderpreis des Bezirks Schwaben für die denkmalpflegerische Sanierung wertvoller Bausubstanz und dem Staatspreis „Dorferneuerung und Baukultur“ des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewürdigt worden. Darüber hinaus überzeugt aber auch die Umgestaltung des rückwärtigen ehemaligen Wirtschaftsteils in einen großen Versammlungsraum. In Anlehnung an die leichte Holzkonstruktion des Stalles liegen vor großflächigen Verglasungen vertikale Holzlisenen, die sich in der äußeren Erscheinung ganz selbstverständlich mit dem vertikal verschalten Westgiebel verbinden. Trotz der vielfältigen Nutzungen im Inneren ist mit dem ruhigen Material- und Farbkanon aus hellem Putz, Biberschwanzdachdeckung und naturbelassenem Holz sowie in der Wiederherstellung der schlichten Bauform ein starkes innerörtliches Zeichen gesetzt worden. Die Baukosten der Sanierung einschließlich Haustechnik,Ausstattung und Nebenkosten konnten im Übrigen unter den ursprünglich veranschlagten Neubaukosten gehalten werden. Seit 2011 fungiert das Gebäude als öffentlich dörflicher und kirchlicher Begegnungsraum – als ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt im Ort. Die Alte Post in Kimratshofen aus dem Jahr 1433 Gelegen am Scheitelpunkt der Hauptstraßenkrümmung ist das markante Gebäude als Kontrapunkt zum Kirchberg in seiner heutigen Form 1730 entstanden. Die Poststation diente dabei auch zum Pferdewechsel der oberösterreichischen Postlinie des Hauses Thurn und Taxis, die von Innsbruck über den Fernpass nach Freiburg führte. Nach den napoleonischen Kriegen wurde die alte Post als Station der königlich-bayerischen Postverbindung Kempten – Leutkirch von 1806 – 1886 genutzt. Mit Aufgabe der Pferdehaltung durch die einsetzende Motorisierung im Jahr 1914 bestand die alte Post weiter als Wirtshaus, einer Funktion, die sie in den Jahrhunderten zuvor auch schon immer innehatte. Nach einer grundlegenden Renovierung in den späten 80er Jahren stand das Gebäude zuletzt über ein Jahr leer, ehe sich die Marktgemeinde Altusried auf Druck des Ortsteiles Kimratshofen entschloss, es zu erwerben, anstatt das Feld auswärtigen Investoren zu überlassen. Dies sei als äußerst weitblickend herausgestellt, wurden in vielen anderen Fällen in unserer Region doch  durch vornehmlich profitorientierte und baukulturell unsensible Geldgeber unserer Kulturlandschaft irreparable Schäden zugefügt.Bürger sind sich einig über die Bedeutung des Bauwerks Vorgabe des Altusrieder Rathauses an die Kimratshofer Bürger ist der Unterhalt der Alten Post durch die Gründung eines gemeinnützigen Kultur- und Heimatvereins, der mit seinen Mitgliedsbeiträgen die jährlichen Betriebskosten deckt und zugleich vor allem für die Vermietung des großen Saals im Obergeschoss Sorge trägt. Bei der Gründungsver- sammlung des Vereins im Dezember 2013 fanden sich im Gebäude über 200  interessierte Mitbürgerinnen und Mitbürger ein – einig war man sich über die historische und städtebauliche Bedeutung des Bauwerks, eine kontinuierliche Weiternutzung soll daher für dessen Fortbestand sorgen. Vom behutsamen Umgang war die Rede, von einer modular aufgebauten baulichen Prioritätenliste, die langfristig umgesetzt werden kann. Und was besonders wichtig erscheint, ist der Blick über das eigentliche Gebäude hinaus: die zukünftige Gestaltung der Dorfmitte auf der westlich angrenzenden gemeindeeigenen Grundstücksfläche ist ebenso im Bewusstsein wie die Erarbeitung eines strukturellen Gesamtentwicklungskonzeptes für Kimratshofen, der die beiden Schwerpunkte Kirchberg, Alte Schule und Alte Post als Ankerpunkte definiert. <br/>Bleibt resümierend zu hoffen, dass die Kimratshofer Vorgehensweise in bestem Sinne Schule macht und viele Nachahmer auch in den anderen Allgäuer Gemeinden finden wird. Januar 2014





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