Der nicht mehr gebrauchte Stall
randnotiz 12

Datum
06.02.2014

Das ist der Name einer Ausstellung, die jüngst im Oberallgäu zu sehen war. Das ist aber auch die Geschichte eines Bauernhofs. Der liegt in Weiler bei Fischen. Seit November ist der Hof weg. Nicht mehr gebraucht – vielleicht. Jedenfalls abgerissen. Eine altbekannte Geschichte, die immer wieder gleich abläuft Es geht dabei um einen historischen Hof, der gebaut wurde lange bevor es die Bundesstraße gab, auf der viele von uns heute zu den nicht weit davon entfernten Skisprungschanzen und Bergbahnen streben. Auch die gab es damals noch nicht und wer weiß, ob diese je so lange in Gebrauch sein werden wie dieses Bauernhaus. Also ist die Rede von einem historischen Hof, der die Zeiten - nicht alle glücklich und wirtschaftlich sicher - ganz passabel überstanden hat. Bis auf die unsere eben. Ein Haus, typisch für die Lebensform dieses Landstrichs Der lang gestreckte, geerdete Einfirsthof mit Wohnhaus und Stall prägte den Ort. Unverwechselbar. Genauso wie die Kapelle in direkter Nachbarschaft. Die ist aber denkmalgeschützt, im Gegensatz zu diesem Fischinger Hof. Wie bei anderen Höfen war auch hier die Landwirtschaft aufgegeben. Zumindest die, mit der die hauptsächliche Existenz bestritten wird. Diesen Teil der Geschichte kennt man auch, wenn man aufmerksam die Entwicklung der Milchwirtschaft verfolgt und weiß, wie viel ein Liter Milch heute kostet, beispielsweise in den Supermärkten entlang der B19. Nachdem viele Generationen über die Jahrhunderte in dem Anwesen, in das drei oder vier Einfamilienhäuser hinein passen, Platz gefunden hatten, wurde ein sogenanntes Austragshaus nebendran errichtet, mit Doppelgarage. Ob es den Platz des Hofes übernehmen kann, typisch für den Ort und mit diesem verwoben ist, muss jeder selbst beurteilen. Auch keine neue Szene in der bekannten Geschichte. Das Ende schließlich ist bekannt. Das alte Bauernhaus wurde nicht mehr gebraucht. Wer trägt die Verantwortung für kulturell Wertvolles? Man könnte es sich jetzt einfach machen und sagen: Die Eigentümer hätten das nicht tun dürfen, hätten einen anderen Weg finden können, hätten Ihrer Verantwortung gerecht werden müssen, hätten …, hätten …, hätten … Denn ein Weiterverwenden des Gebrauchten ist machbar wie gute Beispiele in unserer Region zeigen und man kommt nicht daran vorbei, dass die, denen so ein kulturell wertvolles Gebäude gehört, Verantwortung tragen. Vergessen werden darf hierbei jedoch ebenso nicht unser aller Verantwortung. Denn wie viel ist uns unsere historische Bausubstanz und unsere Kulturlandschaft wirklich wert? Wirtschaftliche Rahmenbedingung schaffen für einen Erhalt Viele Dinge müssen heute einfach funktionieren. Das für Verkehr, Tourismus und Gewerbe Gebaute ist existentiell notwendig, zumindest für die meisten. Das gilt aber nicht nur für das Allgäu, letztendlich ist dies ein globales und austauschbares Phänomen. Die Erfüllung dieser Aufgaben wird nicht zu einer starken Identität unserer Region Allgäu oder der Weiterentwicklung unserer noch charakteristi- schen Kulturlandschaft beitragen – ganz zu schweigen zu so etwas wie Heimat. Daher muss es uns aus existentiellem Interesse etwas wert sein – ideell und unausweichlich auch finanziell – ortsprägende Gebäude und typische Landschaften zu pflegen und neu für unseren Gebrauch zu interpretieren. Diese Wertschätzung schlägt sich auch darin nieder, dass ein Rahmen geschaffen wird, der dafür sorgt, dass sich der Erhalt eines alten Hofes auch wirtschaftlich rechnet. Sicher eine lohnende Aufgabe für das neu geschaffene bayerische Heimatministerium. Wiedergebrauch des Alten – keine nostalgische Sentimentalität Zur Pflege und Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft und Identität gehört das Neue und das Alte. Für das Neue liegt die Messlatte sehr hoch. Es muss das Potential in sich tragen, viele Generationen nach seinem Bau nicht mehr von einem Ort und aus dem alltäglichen Gebrauch wegdenkbar zu sein. Das vermeintlich nicht mehr Brauchbare liegt hier im Vorteil. Hier ist das Unverwechselbare selbstverständlich zu finden, da es zu einer Zeit entstanden ist, wo die Gefahr globaler Austauschbarkeit noch nicht gegeben war. Deswegen ist der Wiedergebrauch des Alten nicht nostalgische Sentimentalität, sondern lebensnotwendige Aufgabe und eine Chance, die wir hier im Allgäu nicht verpassen dürfen. <br/>(Auszug aus unserem Beitrag im „Fischinger Gmuind’s Brief“) Dezember 2013 




November 2013: Ein Bauernhof in Weiler bei Fischen vor seinem Abriss


Nach dem Abriss des Bauernhofs in Weiler bei Fischen