Neugestaltung St. Mang-Platz
randnotiz 05

Datum
05.06.2012

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Seit dem Jahr 2010 ist die Neugestaltung des St. Mang-Platzes südlich der St. Mangkirche abgeschlossen. Das Ziel dabei war von Beginn des Planungsprozesses an, den Platz wieder enger an seine direkte Umgebung anzubinden, die ihn umgebenden Stützmauern abzutragen, ihn mit neuem Bodenbelag für vielfältige Nutzungen auszustatten und damit neuem Leben in der Altstadt Vorschub zu leisten. Die ehemalige Friedhofskapelle St. Michael sollte dabei im Grundriss sichtbar gemacht werden.

Der Geschichte der Stadt Rechnung getragen Dass bei den archäologischen Grabungen im Zuge der Neufassung im Jahr 2008 die Erasmus-Kapelle unter der Michaelskapelle so gut erhalten zum Vorschein kommen würde, veränderte das Potential. Die seltene Form der Doppelkapelle aus dem 13. Jahrhundert war als Kombination aus Friedhofskapelle oben und Beinhaus darunter angelegt. Bald nach der Einführung der Reformation in der Reichsstadt Kempten wurde das Ensemble als Leinwandschauhaus und später als Schmalz-Waage oben, als Trinkstube unten umgewidmet. Konfessions-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ein greifbares Stück Doppelstadt Kempten standen zur Diskussion. Nach heftigen Auseinandersetzungen im Stadtrat, bei denen bis zuletzt auch das Wiederverfüllen der Grube drohte, wurde im März 2009 ein öffentlich zugänglicher Schauraum beschlossen. Ein Regensburger Architekturbüro und Stuttgarter Mediendesigner gestalteten den Schauraum samt Zugang und die Inszenierung der geschichtlichen Informationen. Die Stadt Kempten nutzte damit die Chance auf die Neuinterpretation eines Teiles ihrer Geschichte. Als authentischer Ort wird die Erasmuskapelle bereits regelmäßig in Stadtführungen zur Geschichte der Doppelstadt einbezogen. Mit dem nur unweit gelegenen Beginenhaus an der Burgstraße und der Burghalde in der Nähe wird das historische Gedächtnis anschaulich und lebendig.    Unabhängig davon reißt die Kritik am neuen Aussehen des Platzes nicht ab.

Mangelnde Akzeptanz trotz gelungener Stadtplanung Warum gibt es so viele Stimmen, die sich gegen diese Platzgestaltung aussprechen? In mehreren Veranstaltungen und in der Presse wurde zuvor die Gestaltung vorgestellt und diskutiert – damals weitgehend ohne Ablehnung, sieht man von der Verkehrsführung einmal ab. Und jetzt der Ruf nach einem Stadtgarten oder einem Spielplatz, obwohl nebenan derBurghaldepark und die Illeraue einladen?

Zentraler Ort im (reichs-)städtischen Leben Kurzer geschichtlicher Abriss: Hier war seit dem frühen Mittelalter der „Friedhof im Obstgarten“ bei der St. Mangkirche, mit der Friedhofskapelle St. Michael und St. Erasmus, eingesäumt von der Friedhofsmauer. Vor dem Kircheneingang die Gerichtslinde, wohl auch der Galgen. An der Friedhofsmauer das St. Anna – Kloster, der Briefturm, die Kirchenverwaltung, Kloster, Kanzlei. Angrenzend Patrizierhäuser und Gasthäuser mit Brauereien. Also städtisches Leben, keine dörfliche Idylle mit Bauerngärten und keine Parkanlage. Nachdem der Friedhof zu klein war, wurde er im 16. Jahrhundert zur Burghalde verlegt und der Platz war der Ort für Märkte aller Art – bis zum Ende des 20. Jahrhunderts! Man kennt noch die Jahrmärkte dort, den Weihnachtsmarkt, den Bauernmarkt, die Autoausstellung, den Kinderflohmarkt, Altstadtfeste ... es war immer rappelvoll. Wo ist das geblieben? Eine Nutzung nach der anderen wurde verlagert, der Platz war leer und ungepflegt. Auch die Bevölkerung ist abgezogen in die Neubauviertel und auf die Dörfer. Der Kindergarten wurde geschlossen. Nur die Boule-Spieler blieben. Die Touristen schüttelten die Köpfe. Der Handlungsbedarf war groß. Durch die überraschenden historischen Funde verzögerte sich die Neugestaltung noch einmal.

Neues Leben statt leerer Bühne Diese Neugestaltung freilich ist sehr gut gelungen. Ein großzügiger Stadtplatz wie in Italien ist entstanden - von der Bauverwaltung bis ins Detail gestaltet – der die schönen Häuser ringsum veredelt. Aber es fehlt etwas: Leben. Und das spüren die Menschen. Mit Pflanztrögen wird man es allerdings nicht zurückholen. Man muss die Menschen zurück in die Stadt holen, zum Wohnen und Arbeiten, und wieder Veranstaltungen anbieten. Die Eröffnung des Platzes im September 2010 mit den „Carmina burana“ zeigte das kulturelle Potential und die Bespielbarkeit dieses Ortes auf. Die Verbindung von Kircheninnerem und Außenraum; städtisches Leben, das sich auf dem Platz ausbreitet; wer möchte, bringt bei Bedarf seinen eigenen Stuhl mit. So könnte es funktionieren, eine offene Bühne, die lebt. Fangt klein an und lasst es sich entwickeln, dann ist der Platz nicht mehr leer.

Juni 2011


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