Neugestaltung Hildegardplatz

Datum
06.08.2009

Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Kempten, Herrn Dr. Netzer, Leiterin des Baureferats, Frau Beltinger, die Damen und Herren des Stadtrates und die Mitglieder des Arbeitskreises Hildegardplatz.


 

Das architekturforum kempten hat sich nach der öffentlichen Vorstellung und Diskussion der Planungsergebnisse für den Hildegardplatz mit seinen Mitgliedern intensiv mit den drei Planungsvarianten auseinandergesetzt. Hierbei haben sich folgende Argumente heraus-kristallisiert, die als Resümee und Empfehlung des architekturforums formuliert sind: Eine Tiefgarage ist für eine Unterbringung von 120 Pkw oder mehr nicht erforderlich, denn die Platzfläche ist wie ein Tisch zu sehen, der je nach Bedarf mit Objekten gefüllt wird (Pkw, Marktstände, Konzertbühne etc.); wenn es für eine Veranstaltung erforderlich ist, kann der Platz temporär komplett von Pkw geräumt oder auch komplett damit gefüllt werden. Ein Stadtplatz war in der Vergangenheit nie leer, er war immer mit einer Funktion besetzt: Handel, Lager, Fest o.ä.. Was passiert heute, wenn der Platz komplett leer wird? Ist der "leere Platz" als Bild wichtig? Wird ein historisches Bild gesucht, das es so nie gab? Die in Maßen parkierenden Autos stören nicht, sie erzeugen Leben im städtischen Alltag. Und: Warum sollen die in unserer Gesellschaft so wichtigen Automobile verborgen werden? Eine Tiefgarage wird eher als kritisch für die Geschäfte am Platz gesehen. Im Alltag werden die oberirdischen Kurzzeitstellplätze für einen funktionierenden Einzelhandel von größerer Bedeutung sein und besser als die Tiefgaragenstellplätze angenommen werden. Der Bau der Tiefgarage löst das stiftstädtische Stellplatzproblem nicht und bindet Mittel, die hierfür erforderlich sind. Es gibt gute oberirdische Parkierungslösungen, wo alle Nutzungen städtischen Lebens zusammengeführt werden und nicht mehr das heute in der Stadtplanung kritisch beurteilte Prinzip der Funktionstrennung als zielführend für urbanen und lebendigen Stadtraum angewendet wird. Eine Tiefgarage wird auf dem Platz immer spürbar bleiben und eine andere Atmosphäre erzeugen als ein Platz ohne Tiefgarage (Ein- / Ausgänge, Aufzug, Abfahrten, erhöhte Pflanz-becken, Geländeverlauf). D.h. das Problem "Parkierung von Pkw" kann auch mit einer Tief-garage nicht unsichtbar oder unspürbar gemacht werden. Im Gegenteil: Die mobilen Pkw auf dem Platz können zu jeder Zeit spurlos verschwinden, die immobilen Zugänge und Ab-fahrten sind permanent und werden mit der Tiefgaragenkonstruktion für immer ihre Spur in der Stadtstruktur hinterlassen. Die geplante Tiefgaragenzufahrt liegt an der sensiblen Schnittstelle zwischen Hildegardplatz und Kirchberg. Trotz des dort vorhandenen Niveausprunges zwischen oberem und unterem Platz ist ein Raum zwischen Basilika und der Bebauung am Platzrand gegeben und erlebbar. Eine Tiefgaragenzufahrt an dieser Stelle würde diesen Raum durchtrennen und den unteren Platz auf lange Zeit vom oberen Platz abschneiden. Zudem wird eine große Zahl von Fahr-zeugen unmittelbar vor die Treppenanlage zur Basilika gelenkt. Der Kirchberg und der untere Platz wird zur Abfahrtsrampe und Wendeplatte und ist damit in Gefahr zum Hinterhof zu verkommen, obwohl sich hier die Serrohäuser und wichtige Einrichtungen der Stadt befinden (Sozial- / Familienzentrum, Nutzungen der Gemeinde St. Lorenz etc.) Des Weiteren würde der Anschluss zum Marstall, zur Kunsthalle, zur Musikschule und auch zum Hofgarten verstellt werden. Der Kirchberg als unterer Platz vor den Serrohäusern hat ein großes Potential, das derzeit noch im Dornröschenschlaf liegt. Die Chance, diesen unteren Platz aufzuwerten, ist mit einer Tiefgaragenzufahrt in diesem Bereich für immer vergeben. Die in über tausend Jahren gewachsenen historischen Bodenschichten würden durch einen Stahlbetonkörper ersetzt, der vielleicht nur für die nächsten hundert Jahre eine gesellschaft-liche Bedeutung hat. Auch wenn in den Bodenschichten keine besonderen Ausgrabungen wie am St. Mang Platz zu erwarten sind, so sind diese dennoch als geschichtliches Archiv und Bodendenkmal zu sehen, von dem in Kempten in den letzten 40 Jahren zu viel verloren gegangen ist. Es ist etwas anderes auf einem historischen Platz zu stehen, unter dem sich gewachsener Boden befindet oder eben ein Stahlbetongefäß. Aus oben genannten Gründen wird der Bau einer Tiefgarage am Hildegardplatz vom architekturforum_kempten nahezu einstimmig abgelehnt. Wir bitten unsere Argumente bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Mit freundlichen Grüßen Franz-G. Schröck, 1. Vorstand Christiane Maucher , 2. Vorstand Rainer Lindermayr, 3. Vorstand