'Der nicht mehr gebrauchte Stall' lautete vor Jahren der Titel eines Ausstellungs-, Publikations- und Veranstaltungsprojektes der Schweizer Architekturzeitschrift 'Hochparterre', das sich dem Wandel in der Landwirtschaft und den damit verbundenen Nach-Nutzungsfragen landwirtschaftlicher Gebäude widmete.
'Die nicht mehr gebrauchte Kirche'
In gleicher Weise tritt in den letzten Jahren ein Phänomen zu Tage, das Kirchen aus der Nachkriegszeit mehr und mehr in Frage stellt. Dramatisch gestiegene Kirchenaustritte - hauptsächlich aufgrund des fehlenden Reformwillens - führen zu mehr und mehr verwaisten Kirchenräumen. Inzwischen fühlen sich weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland den beiden großen Kirchen zugehörig. Selbstredend, dass mit dieser Entwicklung auch die Räumlichkeiten der Kirchen mehr und mehr zur Disposition stehen und als vermeintlich einfachste Konsequenz einfach abgerissen werden.
Jüngster Kirchen-Abriss im Allgäu
Die katholische Kirche 'Acht Seeligkeiten' in Füssen ist seit Ihrer Entweihung im September 24 durch Bischof Bertram Meier nach wenigen Jahrzehnten faktisch Geschichte, ihre komplette Beseitigung wird Anfang 2025 vollzogen. Wie meist begründet mit baulichen Mängeln und einer kostenintensiven Sanierung, wird ein für viele Gemeindemitglieder identitätsstiftendes Bauwerk eliminiert, das Thema Nachhaltigkeit scheint dabei keine entscheidende Rolle zu spielen.
Der Fall St. Ambrosius in Memmingerberg
Das gleiche Schicksaal droht seit geraumer Zeit der Kirche St. Ambrosius in Memmingerberg, die fast zeitgleich wie das Füssener Gotteshaus ab Mitte 1964 entstand. Im Osten des Gemeindegebietes bildet die Kirche zusammen mit dem benachbarten Pfarramt und dem gegenüberliegenden historischen Zehentstadel einen Ortsschwerpunkt um einen dreiseitig gefassten Vorhof, der nach seiner offenen Seite hin von einem reizvollen kleinen Weiher begrenzt wird. Ein städtebaulich hochwertiges Ensemble also in Sichtweite des jetzigen Allgäu Airports, den Fluggäste aus nah und fern passieren. Architekt Hans Kling beschrieb seine Intentionen mit den Worten 'So wollen wir auftreten (...), nicht protzig und aufwendig, sondern schlicht und doch ansprechend.' Der einfache Innenraum der Kirche mit Satteldach und großen Verglasungen seitlich des Altars und über der Empore besticht nicht nur durch sein konstruktiv einfaches Gefüge, sondern vor allem auch durch die künstlerische Ausstattung von Erich Schickling (1924 - 2012) aus dem nahen Ottobeuren-Eggisried.
Von der Presse und auch Kirchen-intern schlecht geredet, schwebt seit Jahren das Damokles-Schwert des Abbruchs über der ortsbildprägenden Gebäudegruppe. Immerhin hat sich ein eigens gegründeter Steuerungskreis (Lenkungsgruppe) konstruktive Gedanken zu einer Weiternutzung gemacht: Nicht nur ein Gemeinschaftshaus mit Pfarrbüro, Gruppenräumen und einem verkleinerten Kirchenraum wurden genannt, sondern auch eine kulturellkünstlerische Nutzung oder ein überkonfessioneller Meditationsraum. Alles sinnvolle Überlegungen, die von einem größtmöglichen Erhalt der Bausubstanz ausgehen.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Kirchengemeinde nicht ihrem Schicksal ergibt und Gebäudezustand und Sanierungskosten offen und ehrlich zur Debatte gestellt werden, um einen weiteren vorschnellen Verlust Allgäuer Baukultur zu vermeiden.
Positive Beispiele von Kirchen-Transformationen in Kempten
Dass es trotz lauter Abriss-Rufe auch anders geht, beweisen zwei Kemptener Fälle: Einmal die ehemalige Garnisionskriche St. Ulrich, die wegen geltend gemachter Urheberrechte der Architektentochter von Willy Hornung in letzter Minute doch erhalten und mit einem kleineren 'Raum-im-Raum' - Einbau versehen wurde. Oder das Beispiel des 1971 mit dem BDA-Preis Bayern ausgezeichneten, inzwischen denkmalgeschützten Kirchenraums von Christi Himmelfahrt von Architekt Robert Gerum, der einfach in der Mitte geteilt und in der freigespielten Hälfte mit einem Sozialzentrum versehen wurde. Es ist also bei gutem Willen durchaus möglich, eine 'nicht mehr gebrauchte Kirche' resourcenschonend weiter zu nutzen.
November 24