Es ist gut 10 Jahre her, als ein Studienprojekt der TU München Weihenstephan unter dem Titel 'Gestaltete Energielandschaft Allgäu' mit einer Podiumsveranstaltung an der Hochschule Kempten seinen Abschluss fand. Die seinerzeit ins Feld geführte Erkenntnis, neue Energie-Elemente 'gestaltend zu integrieren und sozusagen eine weitere Allgäuer Kulturlandschafts - 'Schicht' hinzuzufügen' (so Dr. Jörg Heiler, einer der damaligen Initiatoren) hat bis dato unverändert Gültigkeit.
Klima-Wende gegen fortschreitende Klima-Katastrophe
Seither hat sich die Erderwärmung unbestritten nicht nur in unseren Breiten fortgesetzt. Die konsequente Umsetzung der erforderlichen Klima-Wende ist somit längstens überfällig, wenn wir nicht nahezu ungebremst auf die wissenschaftlich prognostizierten Klima-Kipppunkte zusteuern wollen. Mit dem damit einhergehenden Ausbau von regenerativen Energien werden sich auch unsere bisher gewohnten Kulturlandschaften verändern. Dem ist umso mehr Augenmerk zu schenken, als das Landschaftsbild des Allgäus nicht nur für Einheimische eine große Rolle spielt, sondern auch für die unzähligen Touristen, die deswegen zu Besuch kommen.
Vom 'Blauen Allgäu' zum `Grünen Allgäu' und weiter?
So wie im 19. Jahrhundert mit Carl Hirnbein der Wandel des 'Blauen Allgäus' mit seinem vorherrschenden Flachsanbau für die damals bedeutende Textilindustrie hin zu einem 'Grünen Allgäu' mit Milch- und Käseerzeugung gelang, wünscht man sich auch in unserer Zeit eine verträgliche Transformation der hiesigen Landschaft durch eine klimagerechte Energieproduktion.
Gestalterischer Anspruch vonnöten
Dass dieser Umbau der Landschaft nur mit einem gestalterischen Anspruch gelingen kann, ist indes nach wie vor den meisten Akteuren nicht bewusst. Prof. Sören Schöbel, der mit seinen Studierenden im Wintersemester 2012/13 am eingangs genannten Projekt im Allgäu arbeitete, spricht in diesem Zusammenhang gar von Landschafts - Ästhetik, die mit den neuen Energie-Elementen generiert werden könne, oder eben nicht. Eher letzteres ist der Fall, wenn man betrachtet, wie die Standorte etwa von Windkraftanlagen oder Solarfeldern zustande kommen: Im einen Fall überwiegend über Ausschlussflächen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung stehen und die nur ganz wenige Entwicklungsflächen übrig lassen und im anderen Fall ungenutzte Restflächen zumeist entlang von Verkehrswegen wie Autobahnen und Bahntrassen. Aktive Gestaltung des per se öffentlichen Landschaftsraumes unter partizipativer Einbeziehung der Bevölkerung spielt dabei so gut wie keine Rolle.
Stärkung der Regionalplanung wünschenswert
Solarfelder etwa können bislang nach wie vor von der jeweiligen Gemeinde über ein Bauleitplanungs-Verfahren direkt genehmigt werden, obwohl die meistens ausgedehnten landschaftlichen Eingriffe im Sinnes eines Gesamtbildes besser interkommunal von einer gestärkten Regionalplanung auf Basis einer innovativen Landesentwicklungsplanung koordiniert werden sollten. Glücklicherweise kommen bei den Energieelementen selbst nach und nach Verbesserungen zum Tragen: So erlauben etwa aufgeständerte und auf Lücke gesetzte Solarpaneele eine Doppelnutzung als natürlich bewässerte Pflanz- und Ertragsflächen, die nicht mehr unbedingt umzäunt werden müssen. Oder: Es braucht nicht immer die Standard-Ausführung bei Windrädern
zu sein, wie das Beispiel Kimratshofen mit seinen leichten Stützenfüßen recht eindrücklich beweist.
Aus baukultureller Sicht wünschen wir uns jedenfalls sehr, dass die Aspekte der regionalen Landschaften und deren Topografie viel stärker in die anstehenden Planungen einfließen. Und damit die unabdingbaren Elemente der Energiewende, zu denen u. a. auch Biogas- oder Wasserkraftanlagen zählen, nicht zu störenden, sondern zu bereichernden Komponenten unserer geschätzten Heimat werden, die in vielfältiger Weise auch neue Raumqualitäten entfalten können.
April 2024