Das im vergangenen Jahr eingeweihte 'Grüne Zentrum' in Immenstadt zählt zu den wegweisenden Holzbauten unserer Region und wurde zu Recht u. a. beim internationalen Wettbewerb `Constructive Alps` kürzlich als eines der dreißig besten Gebäude im Alpenbogen ausgezeichnet. Und nun so etwas: Ein örtlicher Ex-Stadtrat, zugleich Vorsitzender einer potenten Stiftung, sorgte im widerspruchslosen Alleingang für die deplatzierte Aufstellung einer von einem Freund geschaffenen Figurengruppe direkt vor dem Haupteingang - und entwertet damit faktisch das Gebäude und dessen Inhalt. Die bekannte Allgäuer Volkskundlerin Ursula Winkler schreibt dazu: 'Die Darstellung ist nicht geeignet, die schwere, komplexe und gefährliche Arbeit der Holzfällung und Holzbergung zu vermitteln, weil mit den Sapins zwei mickrige Rundlinge bewegt werden, die sich jeder Waldarbeiter locker auf die Schulter gehoben hätte. Die technische und kulturelle Dimension einstiger Waldarbeit wird mit dieser Plastik eher lächerlich gemacht als gewürdigt.'
'Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul'
Wie konnte ein solches Missgeschick geschehen? Augenscheinlich wurde nach dem Kriterium 'Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul' verfahren. Dabei hätte es 'Kunst im öffentlichen Raum' durchaus verdient, nach Qualitätskriterien entschieden zu werden, kann diese doch zu einer wesentlichen Bereicherung für die Allgemeinheit beitragen und sogar identitätsstiftend wirken.
Qualitätsanspruch vordringlich
Um einen solchen Qualitätsanspruch gerecht zu werden ist es unserer Ansicht nach immer hilfreich, sich kompetenter Entscheider und eines transparenten Auswahlverfahrens zu bedienen, so wie es z. B. beim 'Kunst am Bau' - Wettbewerb beim neuen 'Grünen Zentrum' in Kaufbeuren erfolgte. Insgesamt zehn namhafte Künstler waren eingeladen, Ihre Vorschläge einer Fachjury zu unterbreiten. Im Ergebnis findet sich an der Spitze ein feinsinniger Entwurf, der sowohl mit der Architektur des Gebäudes arbeitet als auch dessen Nutzungsinhalt geistreich kommentiert. Ein Quantensprung zur belanglosen Figurengruppe in Immenstadt, die zudem in naher Zukunft in Konkurrenz tritt zur wenige Meter entfernten Gestaltung der Kreiselmitte - leider insgesamt ein unglücklicher Eindruck, der sich dort am nördlichen Stadteingang einstellen wird.
'Kunst im öffentlichen Raum' als kulturelles Aushängeschild
Dabei stellt 'Kunst im öffentlichen Raum' eigentlich eine große Chance dar als ein kulturelles Aushängeschild unserer Region zu wirken. Kunstwerke am Bau, Brunnen, Kreisel-Kunst und dgl. hätten - fachkundig entschieden und auf hohem Niveau inhaltlich und formal gestaltet - das Potential für das 'Salz in der Suppe' beim Erscheinungsbild des Allgäus zu sorgen. In vorbildlicher Weise hat dies z. B. die Gemeinde Irsee erkannt und mit ihrem Kunst- und Kulturpfad sogar ein touristisches Kleinod geschaffen. Hier haben lokale Künstler in gemeinsamer Abstimmung individuell auf spezifische Orte reagiert und mit Ihren zeitgenössischen Werken entscheidend zur innerörtlichen Identität beigetragen. Ermöglicht wurde dies von einem kunstsinnigen Gemeinderat - wobei wir bei einem zentralen 'Knackpunkt' wären, nämlich bei 'einer Fehlentwicklung, deren Ursache in der fehlenden kulturellen Bildung von Entscheidungsträgern zu suchen ist', wie es Gerhard
Menger, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) Schwaben-Süd treffend formuliert.
Beratungsstelle wünschenwert
Genau hier sollten die gemeinsamen Bemühungen der Allgäuer Künstler und Architekten ansetzen: als Anlauf- und Beratungsstelle für all diejenigen zu fungieren, die vor solchen Aufgaben der 'Kunst im öffentlichen Raum'
stehen, das Gespräch im Vorfeld suchen und auch entsprechende Bildungs- und Fortbildungsaufgaben wahrnehmen. Anderenfalls werden in Zukunft wahrscheinlich solche banalen Ausreißer wie vor dem 'Grünen Zentrum' in
Immenstadt zur Normalität werden.
Mai 2018