Versunken im Dornröschenschlaf
Altstadtbrief 2017

Ort
Kempten
Datum
23.03.2018

Reaktivierung des historischen Pumpenhauses durch öffentliche Nutzung


Fotos: Franz G. Schröck

Nachdem das Kemptener Gaswerk am Fuße der Burghalde im Jahr 1857 in Betrieb genommen wurde, übernahm die Stadt kurz vor der letzten Jahrhundertwende die Fabrikanlagen, die der Produktion von Holzgas u. a. für die 7000 Brennstellen der städtischen Gasbeleuchtung diente. Im Juli 1914 reichte der bekannte Architekt Ambros Madlener (1869 – 1956) Pläne für ein Gebäude zwischen den beiden großen Hochbehältern zur Genehmigung ein, in denen die Regler für die Gasturbinen Platz finden sollten. Das seither so genannte Pumpenhaus weist in seinem Inneren zwei Nutzungsebenen auf: Zum einen einen Raum im Untergeschoss, das ca. 1,6 m über das angrenzende Terrain hinausragt und zum anderen das ca. 125 m2 große und bis zu 5,8 m hohe Erdgeschoß mit umlaufendem Holztäfer. Hinter einer hölzernen Dachdeckenabhängung verbirgt sich das filigrane eiserne Dachtragwerk des charaktervollen Bauwerks. Bedingt durch die Beseitigung der gesamten Fabrikanlagen in den 1980er Jahren ist das ehemalige Pumpenhaus das letzte noch verbliebene Gebäude, das an die Geschichte dieser bedeutenden Kemptener Industriekultur erinnert.

Seit über 30 Jahren gab es die verschiedensten Nutzungsüberlegungen für das solide Gebäude, die jedoch alle nicht weiterführten und das Pumpenhaus in einen regelrechten Dornröschenschlaf versetzte. Erst im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) wurde bei den vorbereitenden Untersuchungen im Fokusgebiet `Erweiterte Doppelstadt` im Jahr 2015 eine Nachnutzung des ehemaligen Pumpenhauses wieder thematisiert: `Das Pumpenhaus stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen der Burghalde und dem neuen Altstadtpark an der Iller dar (…) Ideen zur Weiternutzung des Pumpenhauses wurden bereits diskutiert, es sollte nun die Umsetzung einer Maßnahme angestrebt werden.` Nachdem sich in der ersten Jahreshälfte 2016 Anfragen von Privatinteressenten für den Erwerb des Gebäudes häuften, wurden auch Stimmen lauter, die eine öffentliche Nutzung des Pumpenhauses forderten.<br/>Ein Initiativ-Kreis bestehend aus den Freunden der Altstadt Kemptens, dem architekturforum allgäu, dem Heimatverein Kempten und aus verschiedenen Quartiersbewohnern unter der Burghalde bat daher im Herbst 2016 den Liegenschaftsausschuss der Stadt Kempten, eine Veräußerung an Privatpersonen auszusetzen. Dies wurde am 18.10.16 unter der Maßgabe beschlossen, dass die Initiativ-Gruppe binnen eines Jahres der Stadt Kempten ein grobes Nutzungs- und Betreiberkonzept vorlegt. <br/>Mit dieser ehrenamtlichen Aufgabe konnte jedoch erst intensiver begonnen werden nachdem die Frage der Schadstoffbelastung geklärt ist. Dazu beauftragte die Stadt Kempten auf Betreiben der Initiativ-Gruppe das Büro Dr. Danzer mit einer `orientierenden Gebäudesubstanz- und Raumluftuntersuchung`. Seit Spätsommer 2017 liegen dessen Ergebnisse vor, die im Kern besagen, dass lediglich mäßige Verunreinigungen festzustellen sind, denen mit Ausbau von bestimmten Wand- und Bodenoberflächen in einer Größenordnung von ca. 12 Tsd. Eur zu begegnen ist. Mit dieser Erkenntnis konnte die Initiativ-Gruppe ihre Arbeit voll aufnehmen und wird die Arbeitsergebnisse am 17. Januar 2018 unserem Oberbürgermeister Thomas Kiechle persönlich vorstellen. In insgesamt acht Arbeitskreistreffen ist dabei ein umfangreicher `Bericht mit Untersuchung möglicher Nutzungsszenarien` entstanden. Die vier ins Auge gefassten Nutzungsszenarien

. Sozial | Raum

. Aktions | Raum

. Kultur | Raum

. Bildungs | Raum

wurden einer Bewertungsmatrix mit einem Dutzend an Kriterien unterzogen, aus denen sich mögliche Betreiberkonzepte herauskristallisieren. Für diese wurden dem Initiativ-Kreis auch bereits einige konkrete Zusagen in Aussicht gestellt. Unabhängig davon konnte die Initiativ-Gruppe für die notwendigen Sanierungsarbeiten eine ungefähre Kostengröße von 350 Tsd. Eur ermitteln, was sich mit den Kostenangaben in der oben erwähnten Voruntersuchung `Erweiterte Doppelstadt` deckt. Bleibt zu wünschen, dass es gelingt, das `Dornröschen` Pumpenhaus wach zu küssen und das große Potential, das dem Gebäude im Stadtgefüge zwischen Burghalde, Altstadtpark und den Illerstufen des Projekts `Iller erleben` innewohnt, zu aktivieren.

fs / 08.12.17

Quelle: Der Altstadtbrief Nr. 44 / 2017 Seite 18, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.