Agieren statt Reagieren
Altstadtbrief 2016

Ort
Kempten
Datum
04.01.2017

Notwendige Gemeinschaftsaufgabe für Kempten: ein Stadtentwicklungskonzept


Foto: Franz G. Schröck

Nach der öffentlichen Debatte über den Vorschlag eines ortansässigen Investors, auf der Keckwiese einen Hotelturm zu errichten, ist in unserer Heimatstadt leider nur für kurze Zeit eine grundsätzliche Diskussion zu ihrer städtebaulichen Entwicklung aufgeflammt. Dabei scheint eine solch strukturelle Auseinandersetzung mit der baulichen Zukunft längstens überfällig, stellt sie doch eine wesentliche Grundlage für die erstrebenswerte hohe Lebensqualität Ihrer Bewohner dar. Ein schlüssiges Stadtentwicklungskonzept mit Langfrist - Perspektive wäre gültige Richtschnur, die - ähnlich wie das Einzelhandelskonzept - besonders für auf den Plan tretende Investoren von vorne herein einen entsprechenden Rahmen vorgibt. Damit würde statt dem bisherigen Reagieren auf mehr oder weniger zufällige Impulse von außen eher ein vorausschauendes, nachhaltiges Agieren praktiziert.

Als Grundlage stellt das 2013 vom Weimarer Büro UmbauStadt erarbeitete Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) einen guten ersten Schritt dar. Es beinhaltet u. a. die ausführliche Analyse von insgesamt acht Fokusgebieten in der Stadt, weist jedoch nur punktuell auf mögliche Handlungsansätze hin. Außer dem Fokusbereich `Erweiterte Doppelstadt` ist die vom Stadtrat verabschiedete Studie bisher aber kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden. Immerhin definiert z. B. Fokusgebiet II das wichtige Entwicklungsgebiet rund um den Berliner Platz, das nach der Auflösung der Artillerie - Kaserne die Chance eines großflächigen Stadtumbaus bietet und eigentlich eine gesamthafte Betrachtung erfordert. Stattdessen wurden erste Flächen mit dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt vorschnell veräußert und es entzündete sich eine isolierte Diskussion um den projektierten und schließlich vom Investor aufgegebenen Hotel-Turm auf der Keckwiese. 

An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, was aus den daraus resultierenden Absichten der Stadt Kempten geworden ist, mit einem städtebaulichen Wettbewerb unter Einbeziehung des gesamten Fokusgebietes sich einer hochwertigen weiteren Entwicklung anzunähern? 

Weit tiefer reichend als das ISEK hat sich übrigens bereits das 1977 unter dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Josef Höß von der Obersten Bayerischen Baubehörde und dem Bundesbauministerium herausgegebene Grundlagenwerk `Stadtbild und Stadtlandschaft` mit Kemptens Stadtentwicklung auseinandergesetzt. Hier finden sich - trotz einiger zwischenzeitlich überholter Punkte - eine Vielzahl von Handlungsüberlegungen, die eine Betrachtung lohnen. 

Grundsätzlich sollte der Grundstock jeder fundierten Stadtentwicklung immer ein gültiges Leitbild sein, das zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu erarbeiten ist. Ernstgemeinte Bürgerbeteiligung müsste in diesem Zusammenhang aktiv betrieben werden, so wie dies derzeit bei der Erstellung des Mobilitätskonzeptes gehandhabt wird. Im Idealfall wäre das Leitbild für die städtebauliche Entwicklung Kemptens also gesamtgesellschaftlich getragen und würde dadurch die anstehenden Einzelentscheidungen für alle Beteiligten wesentlich erleichtern.

Eine Kernproblematik der Situation in Kempten besteht sicherlich darin, dass verwaltungsintern der Aufgabenbereich der Stadtentwicklung derzeit beim Amt für Wirtschaft angesiedelt ist, wo dieses eminent wichtige Tätigkeitsfeld im Vergleich zu anderen Städten ähnlicher Größe eher ein Schattendasein führt und mit zu wenig Stellen ausgestattet ist. Damit können die baulichen Weichen für die Allgäu-Metropole eigentlich nicht weitreichend genug gestellt werden. Es ist daher anzuregen, den Bereich der Stadtentwicklung dem dafür prädestinierten Stadtplanungsamt zuzuführen und entsprechend personell auszustatten.

Eine vernachlässigte Stadtentwicklungspolitik haben die Kemptener Bürgerinnen und Bürger vor Augen, wenn sie ihren Blick auf das Brauhausgelände werfen. Hier wurden im Rückblick öffentliche Zielvorstellungen nur unzureichend definiert und die Stadt von den agierenden Investoren regelrecht überrollt. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich eine solch unglückliche Entwicklung an zentraler Stelle zukünftig nicht mehr wiederholen würde, was wir unserer jahrtausendealten Stadt - gerade auch im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen - einfach schuldig sind.

fs / 30.11.16

Quelle:

Der Altstadtbrief Nr. 43 2016, Seite 20, Herausgeber: Freunde der Altstadt Kemptens e. V.