Kempten - Bei aller Aufregung, die Investor Walter Bodenmüller mit seinen Plänen für einen Hotelturm auf der Keckwiese ausgelöst hatte, geben diese, auch mit Blick auf die Entwicklung der Bundesehrkonversionsflächen am Berliner Platz, nicht nur dem architekturforum allgäu (af) zugleich Anlass, den Fokus auf eine längst überfällige Diskussion zu lenken: in welche Richtung will sich die Stadt entwickeln, wie soll in Folge die städtebauliche Umsetzung aussehen? Als beispielhaft stellt af-Geschäftsführer Franz Schröck im Gespräch mit dem Kreisboten die Stadt Regensburg heraus, die Dank ihres ehemaligen Oberbürgermeisters Hans Schaidinger (CSU, 1996-2014) "schon immer ein baukultureller Vorreiter im süddeutschen Raum gewesen ist". Unter anderem habe Schaidinger bei einem Architektur- und Städtebaubüro 2006 die Studie "Profilbildende Gebäude und Bauwerke" in Regensburg in Auftrag gegeben, die in mehreren Verfahrensschritten und unter Einbeziehung nicht nur der Fachstellen der öffentlichen Verwaltung, sondern auch verschiedener Interessengruppen entstanden sei. Wie darin angegeben "basiert sie auf einer stadtmorphologischen Untersuchung und dient als städtebauliche Gesamtstrategie zum Umgang mit Profil prägenden Gebäuden und Bauwerken in Regensburg. Kultur- und Kristallisationspunkte werden als Orte definiert, in denen hohe Gebäude und Stadtraumverdichtung möglich sind. Die Studie gibt Empfehlungen für verbindliche Verfahrensschritte", die vom Regensburger Stadtrat beschlossen wurden. Die Silhouette dort, so Schröck, bestehe im Wesentlichen aus dem Dom als "dominantes Merkmal" sowie den mittelalterlichen Türmen der Altstadt, die allen ein "Identifikationsmerkmal" seien. Gesunde Durchmischung erwünscht Wie in den meisten Städten, seien auch in Regensburg nach dem Krieg Hochhäuser im Stadtgebiet entstanden, aufgrund ihrer "Monofunktionalität" allerdings "auf keine große Akzeptanz gestoßen", denn es fehle die gesunde "Durchmischung" von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, darüber hinaus seien es "Solitäre", ohne städtebauliche Einbindung und zumeist ohne gestalterische Qualitäten, fasste Schröck aus der Analyse zusammen. Im Ergebnis "zeigte sich die Notwendigkeit nachvollziehbarer und angestimmter planerischer Parameter, um die Beurteilung der Einfügung derartiger Hochhäuser in den städtebaulichen Gesamtzusammenhang qualifiziert zu ermöglichen".Zwar sei, so Schröck, Regensburg als UNESCO-Weltkulturerbe "besonders empfindlich", aber Kempten wolle sich schließlich als älteste Stadt Deutschlands positionieren, wies er des Weiteren auf die Bedeutung von Sichtkorridoren hin, um die historischen Bezügen und Vernetzungen mit stadtbildprägenden Baudenkmälern herstellen zu können. Dennoch, betonte er, stelle sich die Empfehlung nicht gegen eine städtebauliche Entwicklung sondern verfolge ihrm Leitbild getreu eine "Doppelstrategie", in der es einerseits gelte, das Weltkulturerbe Regensburg "zu schützen und zu respektieren", andrerseits der eEntwicklung einer Großstadt Rechnung zu tragen sei. So seien Hochhäuser in der als Altstadt ausgewiesenen Zone "tabu", in den äußeren Zonen müssten zum Beispiel wichtige Sichtkorridore berücksichtigt werden. In Kempten liege die Keckwiese laut Flächennutzungsplan auch im "Kreuz zweier wichtiger Sichtachsen" sowie an einer der wichtigsten Stadteinfahrten. Fehlendes Leitbild Grundsätzlich fehle Kempten sowohl ein gesamtgesellschaftlich getragenes Leitbild für seine bauliche Zukunft, kritisiert Schröck, als auch ein daraus resultierendes Stadtentwicklungskonzept mit einer entsprechenden Langfristperspektive. Eine gültige Richtschnur also, die ähnlich dem Einzelhandelskonzept, immer dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Investor auf den Plan tritt. In Regensburg müsse "jeder Investor" die einmal beschlossenen Verfahrensschritte durchlaufen, wobei es ab einer Gebäudehöhe von 40 Metern, angefangen beim Stadtbildverträglichkeitsgutachten bis zur vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung "für den Investor schon aufwendig wird".Aber Regensburgs "Profilbildende Gebäude und Bauwerke" seien "nur ein Aspekt, nur ein Teil einer baulichen Entwicklungsstrategie" weshalb das im Jahr 2013 für Kempten erstellte "Integrierte Stadtentwicklungskonzept" (ISEK) "ein guter erster Schritt" sei, der allerdings noch keine Handlungsansätze aufzeige. Die in erster Linie Bestandsanalyse der neun Fokusbereiche sei zwar der Öffentlichkeit präsentiert worden, abgesehen vom Fokusbereich "Doppelstadt" seither aber kaum noch in Erscheinung getreten. Komplett in der Versenkung scheint auch das 1977 unter Alt-OB Dr. Josef Höß entstandene Grundlagenwerk "Stadtbild und Stadtlandschaft" zu sein - nach Ansicht Schröcks viel tiefer gehend als ISEK und trotz mancher zwischenzeitlich zwangsläufig überholter Punkte, immer noch eine sehr gute Basis. Konversionsgebiet Berliner Platz ISEK-Fokusbereich II (das ISEK ist im Amt für Stadtentwicklung erhältlich) beschäftige sich mit dem Konversionsgebiet Berliner Platz inklusive Keckwiese. wie Schröck anmerkt, sei es "eigentlich nicht sinnvoll" dass das Eck mit dem Kreiswehrersatzamt an soloplan verkauft worden sei, ohne zu wissen, was in diesem Fokusgebiet sonst noch passieren soll.Unter "Defizite" nennt das ISEK unter anderem "kein attraktives Bild der Stadteinfahrt mit schwieriger Orientierung, problematisch erscheinender Nachnutzung des Immobilienbestands und Lösungsbedarf für die aktuell als Obdachlosenheim genutzt werde. Als "Allgemeine Zielstellung" ist formuliert, "die künftig überwiegend brach liegende Fläche (Anmerk.: der ehemaligen Artillerie-Kaserne) einer sinnvollen Nutzung zuzuführen", was aufgrund der Gegebenheiten im Fokusgebiet II "größtenteils eine gewerbliche Nutzung" sein werde.Das von der Stadt Kempten mit den vorbereitenden Untersuchungen beauftragte Stadtplanungsbüro Dragomir benennt ein städtebauliches Konzept mit Kernpunkten wie: Rückbau des Berliner Platzes soweit möglich, Fokussierung auf hochwertiges Gewerbe in Teilbereichen, Angebote für die Jugend, Kultur und Depot, Nutzung auf heutigem Verpflegungsamt/Bundeswehrdepot, Mischnutzung entlang der Kaufbeurer Straße. Mager sieht die Empfehlung für das ehemalige Lazarett am Haubensteigweg aus, für das ein "Nahmobilitätskonzept und" eine vertiefte Untersuchung des Umbaus zur Stärkung der Anbindung des Gebietes an die Innenstadt" empfohlen wird.