Den von den Investoren ins Spiel gebrachten Vorschlag, das Sudhaus abzubrechen, um es vier Meter versetzt wieder aufzubauen, hält das architekturforum für absolut unangemessen. Das Verfahren, das zum jetzigen Stand der Diskussion führte, muss daher als vermeintlich richtiger Weg zu einer zukunftsfähigen, identitätsstiftenden Lösung für das Brauhaus-Gelände in Frage gestellt werden. Anstatt selbst als Auslober und federführender Auftraggeber des Wettbewerbs einen klar umrissenen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben - auch mit der Option in kleineren Einheiten zu denken - überließ die Stadt dies Investoren, deren Interessen sich an der bestmöglichen kommerziellen Verwertbarkeit orientierten. Preisrichter und Vorprüfer aus dem Wettbewerb sind jetzt als Planer für die neuen Investoren tätig, was in Fachkreisen als eindeutiges Tabu gilt. Der seinerzeit siegreiche Entwurf von Münchener Kollegen ist mittlerweile hinsichtlich der Bedürfnisse des Investors wiederholt umgestaltet worden, die bewerteten Qualitäten kaum mehr erkennbar. Die Stadt bzw. der auslobende Investor hatte im fortgeschrittenen Wettbewerbsverfahren den Abriss des Sudhauses zur Auflage gemacht. Der Ansatz einiger Wettbewerbsteilnehmer, die den Erhalt als Bereicherung für das Stadtbild und emotionales Kapital befürworteten, wurde nicht aufgegriffen. Erst nach öffentlichem Protest wurde das Sudhaus wieder in die Planungen einbezogen. Andere Städte füllen mit großem Aufwand historisch gewachsene und unverwechselbare Areale sensibel mit neuem Leben, das ehemalige Warteck-Brauerei-Areal in Basel ist als Beispiel anzuführen. Die Stadt Kempten vergibt nach derzeitigem Stand der Dinge die Chance, ein städtebaulich und historisch bedeutendes Kernstück durch hochwertige bauliche Eränzung zu einer Bereicherung für die ganze Stadt weiterzuentwickeln. Nach vielen Abrissen und geschichtsvergessenen Bebauungsfehlern der letzten Jahrzehnte ist die Bevölkerung sensibler geworden, was die Uniformierung ihrer Innenstadt angeht. Die Auslöschung nahezu aller Gründerzeitbauten an der Ecke Bahnhof-/Beethovenstraße und deren Ersatz durch Zentralhaus, Illerkauf, ehemalige Quelle und Oberpaur, funktioniert schon nach wenigen Jahrzehnten sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch nicht mehr. Leerstand und die mühsame Aufhübschung der Fassaden können nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Akzeptanz der Kemptener nicht gegeben ist und hier keine Orte entstanden sind, die einer lebendigen, unverwechselbaren Innenstadt ihr Gesicht geben. Was das Sudhaus betrifft, drängt sich momentan der Verdacht auf, dass mit Führungen durch das Gebäude und dem Versuch einer einseitig gesteuerten öffentlichen Meinung die angebliche Wertlosigkeit des Sudhauses demonstriert und so einem ersatzlosen Abriss das Wort geredet werden soll. Vorausschauende, auf den historischen Bestand bezogene städtebauliche Überlegungen werden hier wirtschaftlichen Interessen mit fragwürdiger Halbwertszeit geopfert. Das architekturforum kempten schlägt für die Zukunft eine Vorgehensweise vor, an deren erster Stelle ein von der Stadt selbst auzulobender städtebaulicher Ideenwettbewerb steht, in engem Diskurs mit der Bürgerschaft. Daraus sollten politische Entscheidungen über die gewünschten Rahmenbedingungen hervorgehen. Dann erst sollten Bebauungsplan, Suche nach Investoren, gegebenenfalls ein Realisierungwettbewerb oder die Begleitung durch einen Gestaltungsbeirat folgen.
Das architekturforum kempten ist ein Zusammenschluss von Architekten und Stadtplanern, aber auch von Historikern, Kunstgeschichtlern und interessierten Bürgern, die sich ihrer Stadt verbunden fühlen und möchte das einzigartige Erbe des über Jahrhunderte gewachsenen Kempten als wichtigen Faktor der Lebensqualität nutzen und weiterentwickeln.